Читать книгу 360° um die Welt - Wolfgang Machreich - Страница 27
ОглавлениеMongolischer Staat
Berühmt, berüchtigt, beneidet für:
Jährlich im Juli findet das Nationalfest „Naadam“ oder „Die drei männlichen Spiele“ statt. Ringkampf, Bogenschießen und Pferderennen stehen auf dem Programm und entgegen dem Namen nehmen auch Frauen teil – nur nicht beim Ringen, da ist der Dresscode oben ohne.
Fläche: | 1.564.116 Quadratkilometer, halb so groß wie Indien |
Einwohner: | 3.031.330, ein 440stel von Indien |
Dicke Luft
Die Mongolei ist ein wunderbares Land mit wunderbaren Menschen, von denen sich – Überraschung! – die Frauen auf der Überholspur befinden. Die Mongolinnen dominieren die Universitäten. Verschiedene Statistiken beziffern ihren Anteil auf sechzig bis achtzig Prozent der Absolventen. Die US-Wissenschaftlerin Linda Benson nannte das Phänomen in der Mongolei eine „umgedrehte Kluft zwischen den Geschlechtern“. Uyanga Tsogtsaikhan von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Ulaanbaatar erklärte im „dpa“-Interview: „Viele Eltern fanden die Bildung ihrer Töchter lange Zeit sehr wichtig. Bei ihren Söhnen denken sie, dass sie auch ohne Universitätsabschluss eine Arbeit finden können.“ Zwar ändere sich diese Einstellung, aber aus dieser Generation hätten viele Männer nun große Probleme, adäquate Jobs zu finden. Die Kommunisten hätten die Gleichberechtigung glorifiziert und ein Stück weit das Selbstbewusstsein der Männer zerstört, schreibt der Mongolei-Autor Carl Robinson: „In der heutigen Zeit haben sich Frauen noch weiter durchgesetzt. Jungen sollten sich zu Hause um die Tiere kümmern, während Mädchen höhere Bildung bekamen.“
Ringerwettkampf beim Naamdam
Einzig die Politik im Land würde trotz Quote noch männlich dominiert, sagt Mongolei-Experte Julian Dierkes von der University of British Columbia. Für die schlechteren Chancen der Männer in der Privatwirtschaft hat er eine andere Erklärung: „Es gibt viele Arbeiten, die mongolische Männer schlicht und einfach nicht in Erwägung ziehen. Auf Englisch sind das die drei Ds: dangerous, dreary, dirty – gefährlich, langweilig, dreckig.“
Apropos Dreck, Überraschung zwei: Agence-France-Presse-Korrespondent Anand Tumurtogoo beschreibt in einer Reportage aus dem Frühjahr 2018 Ulaanbaatar als die schmutzigste Hauptstadt der Welt. Laut Messungen der Vereinten Nationen überholte die Hauptstadt der Mongolei – was die Luftverschmutzung anbelangt – sogar die Mega-Metropolen Neu-Delhi und Peking. Vor allem in den Jurten der Armenviertel nutzen die Bewohner der kältesten Hauptstadt der Welt noch Kohleöfen zum Heizen und Kochen. Im Winter mit Temperaturen bis zu minus vierzig Grad legt sich ein dichter, graubrauner Nebel auf die Stadt, der vor allem Kinder und Schwangere gefährdet. Am 30. Januar 2018 überstieg die Luftverschmutzung in Ulaanbaatar den von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgesetzten Grenzwert um das 133-fache.
Ulaanbaatar, die wohl schmutzigste Staat der Welt
Die dicke Luft lässt den Handel mit skurrilen „Lungentees“ und „Sauerstoffcocktails“ boomen. Die WHO empfiehlt statt diesen teuren Placebos die schmutzigen Kohleöfen durch sauberere Alternativen zu ersetzen. 2017 gab Regierungschef Ukhnaa Khurelsukh stattdessen die Verteilung von Luftreinigern im Wert von 1,3 Millionen Euro an allen Schulen in Auftrag. Viele sehen darin eher eine Quersubventionierung von Unternehmen und weniger eine Maßnahme zur Verbesserung der Luftqualität. Umwelt-Aktivist Tumendalai Davaadalai ist sicher recht zu geben, wenn er meint: „Luftreiniger geben keinen Sauerstoff ab wie Pflanzen.“