Читать книгу COLLEGIUM. - Wolfgang Priedl - Страница 31
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ОглавлениеGemächlich trotten sie über den Carraramarmor der Lobby zur Rezeption. Craig sah, wie sich Gerard lebhaft mit einer Rezeptionistin unterhielt. Als sich ihre Blicke trafen, hob der Kellner kurz den Arm und streckte den Zeigefinger in die Höhe, um im nächsten Augenblick mit der flachen Hand ›warten‹ zu signalisieren.
Morrison nickte ihm zu und schob seinen Freund zum Empfangspult.
»Wie kann ich helfen?«, fragte die Concierge lächelnd.
Als sie Craig erkannte, hob sie ihre Augenbrauen.
»Mr. Morrison, ich habe etwas für sie.« Sie drehte sich um, zog eine Fernbedienung aus einem Fach und reichte ihm den Autoschlüssel. »Ist wieder ›pico bello‹. Wir haben auch den Innenraum gesäubert, inklusive den großen Plastikkoffer.«
»Danke.« Craig griff nach dem Schlüssel und legte eine Zwanzig-Euro-Note auf den Tresen. »Für den Putztrupp ...«, fügte er mit einem breiten Lächeln hinzu. »... Und Herr Voss würde gerne die umliegenden Krankenhäuser anrufen, denn seine Tochter hat sich noch nicht bei ihm gemeldet.«
»War sie in dem Flugzeug?« Die Rezeptionistin verzog ihr Gesicht zu einer leidenden Miene und winkte Voss zu sich.
Craig klopfte seinem Freund ermunternd auf die Schulter. »Du findest uns vor dem Eingang.«
Hajo hob seine Hand.
Der Nordwind schob zusätzliche Kälte in die Stadt und das Grieseln war von Schneefall abgelöst worden. Die Laternen warfen ihr Licht auf die weiße Pracht und ließ die Ringstraße heller als sonst erscheinen. Der Pulverschnee dämmte die Geräusche des Verkehrs und im Sog der Fahrzeuge züngelten langen Eiskristallschleiern hinterher.
Zwischen den Eingangssäulen suchten sie sich einen windgeschützten Platz. Craig zog ein Lederetui aus der Brusttasche und bot Frederico eine Zigarre an.
»Was denkst du? War Kirstin in der Maschine?«
»Sieht so aus, ansonsten hätte sie sich längst gemeldet.«
Craig schnitt seine Corona an, reichte ihm die Guillotine und wärmte seine Zigarre mit dem Feuerzeug an.
»Ich möchte nicht den Teufel an die Wand malen.« Craig schüttelt seinen Kopf. »Aber dieses Jahr hat es in sich: Erst kommt Gerhard bei einem Verkehrsunfall ums Leben, dann verschwindet unser schwuler René Delon. Jetzt setzt sich die Serie vielleicht mit Kirstin fort. – Hat es da jemand auf uns abgesehen?«
»Zufall. Reiner Zufall. Klug hatte einen Autounfall. Laut Unfallbericht war es ein Reifenschaden. Renés Tod ist nicht restlos geklärt. Alles nur Vermutungen. Man sagt, er sei von Bord gefallen und konnte seine Jacht nicht mehr schwimmend einholen. Es sind weder Kampf- noch Blutspuren gefunden worden. Und wenn Kirstin tatsächlich in dem Flugzeug war, dann ...«, er zögerte. »Unfall. Kismet. Zufall.«
»Meiner Meinung nach, ein wenig viel Zufall. Und deine fatalistische Sichtweise der Dinge widerstrebt mir ebenso.«
Frederico sog an seiner Zigarre.
»Hajo und ich haben in der Bar Frederica getroffen. Warum hat sie nicht mit uns zu Abend gegessen?«
»Frederica wollte ins Theater – wenn ich sie richtig verstanden habe«, antwortete er und wiegte seinen Kopf hin und her.
»Ach ja, jetzt fällt es mir wieder ein. Edith hat es erwähnt.«
»Edith ist hier?«, fragte Frederico überrascht. »Mit deinem Sohn? Wie geht es den beiden Frischvermählten?«
»Ja, sie sind auf Hochzeitsreise.« Craig verdrehte die Augen und strich sich über seinen grauen Dreitagesbart.
»Probleme?«
»Sie nervt. Und mein Sohn ...« Er holte tief Luft. »... Christian, wie soll ich es sagen. Ein Schwächling. An dem ist ein Mädchen verloren gegangen. Kein Mumm. Du kennst ihn.«
Die Zigarre glühte grell auf.
»Kinder eben.« Frederico seufzte. »Deiner ist zu wenig Mann. Meine Frederica zu wenig Frau.«
»Aber dafür ungemein hübsch, und sehr intelligent, im Gegensatz zu ...«
»... sie ist achtundzwanzig und lässt kein männliches Wesen an sich ran.«
»Vielleicht wartet sie auf den Märchenprinzen, der auch dir gefällt?«, versuchte Craig zu scherzen.
»Hoffentlich nicht zu lange«, erwiderte Costa und ließ die Schultern hängen. Er steckte seine Zigarre zwischen die Zähne, als wollte er davon abbeißen.
Sie drängten sich in die Nische, die ihnen nur ungenügend Schutz vor den eisigen Windböen bot.
»Craig, Rico?«, hörten sie Hajo vom Eingang rufen.
Morrison trat in den Wind. »Hier sind wir.«
»Neuigkeiten?«
»Leider nein«, erwiderte Hajo. »Wir haben die größeren Spitäler kontaktiert: Das AKH, die Donauklinik, das Lorenz-Böhler-Unfallkrankenhaus, das Meidlinger UKH und einige weitere, deren Namen ich mir nicht gemerkt habe. Erfolglos. Entweder hieß es, dass man noch nicht über die Listen der Neuaufnahmen verfüge, oder man redete sich auf den Datenschutz heraus.«
»Möchtest du eine Zigarre?«, bot ihm Craig zum Trost an.
»Nein danke, ist mir zu kalt hier draußen.« Hajo zeigte auf seine dünnen Lederschuhe.
»Hast du keine Stiefel dabei?«, versuchte Morrison das Thema zu wechseln, um die Stimmung zu heben.
Unvermutet stand Gerard vor ihnen, über seinem weißen Hemd nur mit dem schwarzen Gilet bekleidet.
»Herr Voss, ich habe soeben erfahren, dass unser Shuttleservice die Hotelgäste abholen kann.«
Hajo fuhr herum wuchs um gut drei Zentimeter, während seine Augen hoffnungsvoll aufleuchteten.
»Ist meine Tochter dabei?«
Der Barkeeper trat von einem Bein auf das andere, die Schultern nach vorgezogen.
»Nein. Wie mir der Chauffeur mitteilte, kann er sieben Gäste abholen. Mehr oder minder unverletzt. Frau Voss ist leider nicht dabei. Soviel wir wissen, ist sie auch nicht unter den Verletzten.«
»Ist das eine gute oder eine schlechte Nachricht?«, rätselte der Niederländer.
»Lass mich das Pferd nochmals in den Parcours reiten«, begann Craig, auf der Suche nach einer Erklärung. »Bist du dir sicher, dass Kirstin an Bord war? Ich kann mir gut vorstellen, dass sie den Flieger versäumt hat, oder sie hat es sich im letzten Augenblick anders überlegt.«
»Ich weiß nicht, was ich glauben soll.« Voss atmete tief durch. »Gerard, danke für Ihre Info.«
»Hajo – etwas mehr Zuversicht. Erst wenn sie Tiere paarweise nach Cape Canaveral treiben, würde ich mir ernsthafte Gedanken machen«, versuchte Frederico Optimismus zu verbreiten, ließ seine Zigarre fallen und trat die Glut aus.
Craig schnipste seine Corona in das Rinnsal und zeigte zum Eingang.
»In die Bar mit uns, bevor wir hier zu Eiszapfen erstarren.«
An der Tür hielt der Barkeeper Morrison zurück.
»Es gibt drei Tote«, raunte er ihm zu und verschwand mit ernster Miene.