Читать книгу "Play yourself, man!". Die Geschichte des Jazz in Deutschland - Wolfram Knauer - Страница 28
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Jazzdämmerung
Das Jazzleben stand Anfang der 1930er Jahre eigentlich in seiner vollen Blüte. Ja, die Wirtschaftskrise war mittlerweile eine Weltwirtschaftskrise geworden, aber Deutschland, meinte man, hatte die tiefste Talsohle schon durchschritten. Die Erfahrungen der ersten Nachkriegszeit allerdings, die vermeintliche Schmach, den Krieg verloren zu haben und von den Siegern gedemütigt worden zu sein, saß durchaus in den Köpfen vieler. Und so sehr man auch feierte in Berlin – in der Bevölkerung lauerte die Unsicherheit, ob die Krise Deutschland nicht endgültig in den Abgrund stürzen würde. Adolf Hitler und seine Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei hatten scheinbar einfache Antworten. Die Schuld, befand er, lag überall, nur nicht bei den Deutschen. Man möge mit Stolz auf die eigene Vergangenheit und Größe blicken statt furchtsam auf die Schwäche der ausländischen Wirtschaft. Dabei beschwor Hitler eine Stärke Deutschlands, die paradoxerweise gerade aus der entspannten Atmosphäre der Weimarer Republik heraus erst möglich schien.
Im Rückblick wirkt die Fröhlichkeit, die sich im Unterhaltungsgewerbe der frühen 1930er Jahre abbildet, in den Theatern, Cabarets, Clubs und Ballsälen, in der Musik von Ensembles, die immer professioneller wurden, wie der sprichwörtliche Tanz auf dem Vulkan. So hieß ein Film von 1938, in dem Gustaf Gründgens die Hauptrolle spielte und für den Theo Mackeben Hits wie »Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da« und »Du hast Glück bei den Frau’n, Bel Ami« schrieb. Der Ausbruch, auf den Deutschland allerdings 1933 zusteuerte, war weit mehr als ein Ausbruch von übersteigertem Nationalismus, verbunden mit dem Verlust elementarer Bürgerrechte und einer totalitären Übernahme des Staats, die sich auf alle Facetten des gesellschaftlichen wie kulturellen Lebens auswirkte. Er signalisierte den Beginn eines verbrecherischen Systems, das vom Großteil der Bevölkerung getragen wurde und dem Millionen Menschen zum Opfer fielen.
Der Jazz spielt in den Jahren des Nationalsozialismus durchaus eine Rolle, anhand seiner Rezeption lässt sich gut erkennen, als wie gefährlich die politische Sprengkraft eingeschätzt wurde, die in seiner Emotionalität und Individualitätsästhetik steckte. Wobei den Machthabern zugleich klar war, dass eine Musikrichtung, die so populär war, nicht einfach beiseite gedrängt werden konnte, sondern dass man versuchen musste, sie zu kontrollieren und für die eigenen Zwecke einzusetzen.