Читать книгу "Play yourself, man!". Die Geschichte des Jazz in Deutschland - Wolfram Knauer - Страница 32

»Goody Goody« …

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Die Daumenschrauben wurden also angezogen, und in den schriftlichen Angriffen und den vorsichtigen Rückzugsrechtfertigungen der Tanzmusik-Vertreter können wir den schwelenden ästhetischen und kulturpolitischen Kampf gut nachvollziehen. Wie aber sah es mit der Musik aus?

Anfangs waren es, wie bei Ernst Kreneks Jonny spielt auf, Demonstrationen der Braunhemden oder Stinkbomben im Theater. Peter Kreuder (geb. 1905) konzertierte im Februar 1932 mit seinem 18-köpfigen Jazz-Symphonieorchester in der Münchner Tonhalle mit einem Programm, das Spezialarrangements amerikanischer Jazzschlager enthielt, aber auch eine Komposition von Friedemann Bach, die Kreuder für Jazzgeige, zwei Gitarren und zwei Stimmen arrangiert hatte, sowie Gershwins »Rhapsody in Blue«. Die SA hatte Störaktionen angedroht, und der Völkische Beobachter beschwerte sich nach dem Konzert darüber, »der Dirigent Moritz [!] Kreuder möge sich doch samt seinen Kastratensängern nach Afrika begeben, seine Künste dort zu zeigen, es würde sich aber sicher kein Hottentott finden, ihn dort zu halten«.108

Am 12. Oktober 1935 sprach der Reichssendeleiter Eugen Hadamovsky nach einem Entschluss der Intendantentagung in München ein landesweites Sendeverbot für Jazz im Rundfunk aus, oder, um es im Original zu zitieren: »Nachdem wir zwei Jahre lang aufgeräumt haben und Stein an Stein fügten, um in unserem Volke das versammelte Bewußtsein für die deutschen Kulturwerte wieder zu wecken, wollen wir auch mit den noch in unserer Unterhaltungs- und Tanzmusik verbliebenen zersetzenden Elementen Schluss machen. Mit dem heutigen Tag spreche ich ein endgültiges Verbot des Nigger-Jazz für den gesamten deutschen Rundfunk aus.« Drei Jahre später wurde eine Reichsprüfstelle gegründet, die sicherstellen sollte, »ob ein Tanzmusikstück tragbar oder als Jazzmusik abzulehnen ist«.109

Um den Rundfunkhörern klar zu machen, welche Musik sie auf keinen Fall einschalten sollten, erfand die Reichsmusikkammer das Sendeformat »Vom Cakewalk zum Hot«, das – ähnlich wie wenig später die Ausstellung »Entartete Kunst« – den Hörern die missliebige Musik vor Ohren führen sollte. Die Wirkung war allerdings eher konträr, da etliche Hörer durch solche Aufnahmen überhaupt erst auf den Jazz aufmerksam wurden. Die Musik zur Sendung stammte vom Orchester des Pianisten Erich Börschel (geb. 1907), der nach einer damals nicht unüblichen Karriere zwischen Klassik und Unterhaltungsmusik im Frühjahr 1933 in Königsberg sein eigenes Tanz- und Unterhaltungsorchester gegründet hatte. Wie genau das geklungen hat, was in der Sendung zu hören war, wissen wir nicht, aber der »Wabash Blues«, den Börschel 1935 einspielte, lässt ahnen, dass die Band eine eher klischeehafte Vorstellung von Jazz besaß: Alles ist ausgeschrieben, selbst die als Breaks gedachten Antworten auf das Ensemblethema; scotch-snap-artige Synkopen ersetzen das, was als Offbeat-Phrasierung gedacht war; die Entwicklung des Stücks geschieht nirgends durch solistische Einwürfe, sondern einzig durch die arrangierte Verlagerung der Themenmelodie auf verschiedene Instrumente. Parallel dazu wurde im Rundfunk ein Tanzkapellenwettbewerb ausgerufen, dessen Ergebnisse bei den Hörern allerdings so wenig ankamen, dass Fritz Stege, einer der Mitinitiatoren des Wettbewerbs, schließlich feststellen musste: »Wenn aber eine Einrichtung derart im Volke Wurzeln geschlagen hat wie der Jazz, dann ist es nahezu unmöglich mit Verboten allein Erfolg zu erzielen, wenn man nichts Besseres an die Stelle der Jazzband zu setzen weiß.«110



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