Читать книгу Zhuangzi. Das Buch der daoistischen Weisheit. Gesamttext - Zhuangzi - Страница 15
2.3
ОглавлениеGäbe es ihn nicht, gäbe es uns nicht; gäbe es uns nicht, hätte er nichts, worauf er sich bezieht. Wir sind ihm so nah, und doch wir wissen nicht, wie er wirkt. Vermutlich gibt es den wahren Meister, nur haben wir kein Zeichen von ihm empfangen. Gewiss, er hat eine Gestalt, doch wir sehen sie nicht; hat Eigenschaften, obwohl er gestaltlos ist.
Hundert Gelenke, neun Öffnungen, sechs Organe – ihr Zusammenspiel ermöglicht das Leben; welches sollte mir da am nächsten sein? Sprechen dich alle gleichermaßen an? Welchem gibst du den Vorzug? Wenn sie alle gleich sind, betrachtest du sie als Diener und Nebenfrauen? Diener und Nebenfrauen können nicht übereinander bestimmen. Stehen sie zueinander wie Herr und Diener? Gibt es wirklich einen Herrn, der das Leben bestimmt? Ob es gelingt, ihnen gewisse Eigenschaften abzuverlangen, oder nicht – nichts vermehrt und vermindert ihre Wahrhaftigkeit. Wer es einmal empfangen und seinen Körper ausgebildet hat, verliert ihn nicht mehr, sondern behält ihn bis ans Ende.
Dass sich die Lebewesen gegenseitig zerteilen und einander zerfleischen, dass sie sich hetzen wie im Galopp und dass sie dabei nichts aufzuhalten vermag – ist das nicht schade? Am Ende ist der Körper abgekämpft und gelangt nicht in den Genuss seiner Verdienste, so müde, so ausgelaugt ist er, dass wir nicht wissen, wie wir innehalten können – ist das nicht traurig? Wenn die Leute davon sprechen, sie seien ja noch nicht tot – welchen Nutzen hat das? Sobald der Körper verfällt, folgt der Verfall des Herz-Geistes – ist das nicht ungeheuer traurig? Des Menschen Leben, es schwankt wie ein Grashalm! Bin ich der Einzige, der schwankt wie ein Grashalm, sind die anderen nicht ebensolche Gräser?
Bezeichnenderweise taucht hier nicht die Frage nach Gott auf, sondern der wahre Leiter und Lenker des Kosmos wird direkt mit dem Zeichen für »Herrscher« beschrieben. Die Passage ist bedeutsam, da sie die frühe Ablehnung der chinesischen Philosophie gegenüber personifizierten Gottheiten ausdrückt.