Читать книгу Zhuangzi. Das Buch der daoistischen Weisheit. Gesamttext - Zhuangzi - Страница 27
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養生主 (yǎng shēng zhǔ)
Grundsätze der Sorge fürs Leben
Kernthema dieses Kapitels ist die Wiedererlangung der Spontaneität, indem überflüssiges Wissen abgestreift und Vertrauen in die intuitiven Einsichten zurückerlangt wird, wenn es gelingt, das Leben entsprechend der Natur einzurichten. Guo Xiang beschrieb das Verhältnis von Wissenserwerb und Natürlichkeit folgendermaßen: »By knowledge we mean the activity that attempts what is beyond one’s natural ability; that which does not so is not called knowledge. One should act within the proper sphere of one’s natural ability, attempt nothing that is beyond. If one by nature is a strong man, he can carry a very heavy burden without feeling the weight. If one by nature is a skillful man, he can manage all sorts of affairs without feeling busy.« (Guo Xiang / Feng Youlan, S. 126)
3.1
Unser Leben ist begrenzt, aber Wissen ist grenzenlos. Mit Begrenztem Grenzenloses zu verfolgen, ist gefährlich und erschöpfend; wer sich darin erschöpft, Wissen zu sammeln, der schwebt in Gefahr, sich völlig zu erschöpfen.
Wer Gutes tut, lechzt nicht nach Ruhm; wer Übles tut, lechzt nicht nach Strafe. Wer sich an das Mittlere als Leitfaden hält, der kann seinen Körper erhalten, ein erfülltes Leben führen, sich um die Familie kümmern, seine Jahre auskosten.
3.2
Koch Ding (Herr Mündig) schlachtete ein Rind für den Edelmann Wen Hui (Kultivierte Güte). Wo immer er Hand anlegte, die Schulter dagegenstemmte, den Fuß aufsetzte, das Knie drückte, splitterte es, krachte es – zick, zack –, sein Messer spielte eine Melodie; es gab kein Geräusch, das nicht vollkommene Musik war. Alles passte zum »Tanz des Maulbeerbaumwaldes« und zum »Jing-Shou-Lied«.
Der Edle Wen Hui rief aus: »Ah! Wunderbar! Welch überragendes Geschick!«
Koch Ding legte das Messer beiseite und antwortete: »Meine Wenigkeit zieht es vor, das Dao zu nutzen, das ist mehr als nur Geschick. Als ich einst anfing, Rinder zu schlachten, sah ich nichts als das Rind. Drei Jahre später versuchte ich das Rind als Ganzes zu sehen. Jetzt nun schaue ich mit dem Geist und nicht mit den Augen; Wahrnehmung und Wissen setzen aus, der Geist aber schreitet weiter voran. Entlang der natürlichen Maserung schlage ich ein großes Loch, folge den großen Öffnungen, halte mich an das, was im Tier selbst ursprünglich schon da ist. Sehnen und Äderchen, wo das Fleisch fest angewachsen ist, halten mich nicht auf, schon gar nicht die großen Knochen. Ein guter Koch wechselt jedes Jahr das Messer, denn er schneidet; der gewöhnliche Koch wechselt jeden Monat das Messer, denn er hackt. Nun, mein Messer hält schon neunzehn Jahre, ich habe Tausende Rinder damit geschlachtet, und des Messers Schneide ist wie frisch geschliffen. Jedes Gelenk hat einen Zwischenraum, und die Schneide meines Messers ist dünn genug, um in ihn einzudringen, da ist wirklich mehr Platz als genug, damit die Schneide umherspazieren kann – daher ist des Messers Schneide nach neunzehn Jahren noch wie frisch geschliffen. Nun denn, jedes Mal, wenn ich an einen Punkt komme, wo ich sehe, dass es schwierig wird, bin ich voller Furcht und vorsichtig, schaue, wo ich aussetze, und führe mein Werk ganz langsam fort. Ich bewege das Messer nur ganz wenig, zack, schon ist das Fleisch geschnitten und fällt wie ein Erdklumpen zu Boden. Das Messer in der Hand, stehe ich da, betrachte mein Werk von allen vier Seiten, bin vollkommen zufrieden und stolz darauf, was ich geschafft habe, reinige das Messer und packe es weg.«
Der Edle Wen Hui sprach: »Ausgezeichnet! Ich habe Koch Ding’s Worte gehört und erfahren, wie man fürs Leben sorgt.«
3.3
Gong Wenxuan (Schrifthüter Kutsche) erblickte den Kommandeur der Rechten Armee und fragte erschrocken: »Was ist mit diesem Mann? Wie kommt es, dass er nur ein Bein hat? Ist es von Natur her so oder haben ihm Menschen das angetan?«
Er antwortete: »Es ist von Natur her so, nicht durch Menschen zugefügt. Die Natur schenkt das Leben und verteilt die Eigenarten; wie der Mensch aussieht, liegt in seiner Hand. Daher weiß ich, dass es die Natur war, nicht der Mensch.«
3.4
Ein Sumpffasan muss zehn Schritte gehen, um einen Happen zu picken, hundert Schritte, um einmal zu trinken, aber er will nicht im Käfig gehalten werden. Selbst wenn man ihn wie einen Gott oder einen König behandeln würde, fände er es nicht gut.
3.5
Als Lao Dan (Altes Langohr) starb, kam Qin Yi (Zerbrechlicher Qin), ihm die letzte Ehre zu erweisen, stieß drei Klagerufe aus und verließ das Haus.
Ein Schüler fragte ihn: »Warst du nicht des Meisters Freund?«
Er antwortete: »Ja, das war ich.«
»Wie kannst du ihm dann so die letzte Ehre erweisen?«
Er antwortete: »Ja, das kann ich. Anfangs betrachtete ich ihn als Menschen, aber jetzt nicht mehr. Eben ging ich hinein, um zu trauern, da hatten sich schon die alten Leute versammelt und weinten, als weinten sie um ihre Kinder, und es weinten die jungen Leute, als weinten sie um ihre Mütter. Wer hier hinzutritt, muss sich unaufgefordert dem Klagen anschließen, muss sich unaufgefordert dem Weinen anschließen. Das ist eine unnatürliche, falsche Gefühlsäußerung, ein Vergessen, was man empfangen hat; die Alten nannten das Flucht vorm natürlichen Schmerz. Der Meister kam, als seine Zeit heran war; der Meister ging, wie es dem Lauf der Dinge entspricht. Wer seine Zeit zufrieden annimmt und den Lauf der Dinge akzeptiert, in den können Trauer und Freude nicht eindringen. Dies nannten die Alten Befreiung aus dem Gefesseltsein an Gott.«
Lao Dan wird mit Laozi in Verbindung gebracht (vgl. »Historische Aufzeichnungen« von Sima Qian aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts v. u. Z.) – tatsächlich taucht der Ehrenname Laozi bereits bei Xunzi (Kapitel 17.17), also in der späten Zeit der Streitenden Reiche, auf. Oder gehört Lao Dan lediglich zu den rhetorischen Figuren, die Zhuangzi vielfach in seinen erfundenen Dialogen auftreten lässt?
3.6
Worauf wir zeigen können, ist begrenzt, es lässt sich betrachten als Brennholz – das Feuer glimmt weiter, wir wissen nicht, wann es aufhört.