Читать книгу Zhuangzi. Das Buch der daoistischen Weisheit. Gesamttext - Zhuangzi - Страница 29
4.1
Оглавление[Schüler] Yan Hui (Antwortender Gesichtsausdruck) suchte Konfuzius auf, um sich zu verabschieden. Konfuzius fragte: »Wohin gehst du?«
Yan Hui antwortete: »Ich gehe nach Wei.«
Konfuzius fragte: »Was wirst du dort tun?«
Yan Hui antwortete: »Ich habe gehört, der Herrscher von Wei sei in den besten Jahren, aber handle eigensinnig, regiere sein Land leichtfertig, erkenne nicht, was falsch läuft, schicke leichtfertig die Menschen in den Tod; unzählige Tote liegen im Land umher wie Halme im Sumpf, die Leute haben nichts, wohin sie sich wenden können. Ich habe früher einmal gehört, was du, Meister, gesagt hast: ›Wird das Land gut regiert, verlasse es; geh in das Land, wo Chaos herrscht; vor der Tür des Arztes stehen viele Kranke.‹ Ich hoffe, dass ich aus dem, was ich von dir gehört habe, eine Richtschnur entwickeln kann, um das Land von seinen zahlreichen Übeln zu heilen.«
Konfuzius rief: »Oh! Wenn du dort hingehst, wirst du vermutlich in Schwierigkeiten geraten. Das Dao soll damit nicht vermischt werden; wird es vermischt, vervielfältigt es sich; vervielfältigt es sich, wird es gestört; wird es gestört, bereitet es Sorge; wenn es Sorge bereitet, kann es dir nicht helfen. Die vollkommenen Menschen im Altertum, sie haben zuerst für sich selbst gesorgt, und erst danach für die anderen. Solange dir nicht klar ist, wie du für dich selbst sorgst, woher nimmst du dann die Freiheit, gegen den Tyrannen vorzugehen?
Weißt du, wie es kommt, dass der Anstand verlorengeht und stattdessen Wissen zur Schau gestellt wird? Der Anstand geht verloren durch Ruhmsucht; Wissen tritt hervor durch Wettstreit. Um berühmt zu werden, schiebt man einander beiseite; Wissen ist eine Waffe im Wettstreit. Diese beiden sind des Unheils Werkzeug, damit gelangst du nicht ans Ziel. Selbst wenn du anständig, fest, vertrauens- und glaubwürdig bist, erreichst du nicht den Atem der Menschen; selbst wenn du berühmt geworden bist, ohne darum zu wetteifern, erreichst du nicht den Herz-Geist der Menschen. Und wenn du es darauf anlegst, vor dem Tyrannen über Menschlichkeit und Rechtschaffenheit als Richtschnur zu sprechen, dann nutzt du seine Niedertracht, um selbst gut dazustehen – dazu sagt das Leben: anderen Menschen übel mitspielen. Wer anderen übel mitspielt, dem wird gewiss umgekehrt auch von den anderen übel mitgespielt – ja, vermutlich wird dir übel mitgespielt werden.
Angenommen, der Fürst von Wei mag die Würdenträger und hasst die Übeltäter, so ist doch fraglich, ob er diesen Unterschied auch bei dir machen wird? Besser ist es, du gibst ihm keinen Rat – Könige und Fürsten nutzen gewiss ihre hohe Stellung, um andere im Streit zu besiegen. Und dein Blick wird verwirrt sein von ihm, und dein Gesicht ausdruckslos ihm gegenüber, dein Mund wird stammeln ihm gegenüber, deine Gesten werden von ihm bestimmt, dein Herz-Geist wird sich mit ihm versöhnen.
Das heißt, Feuer mit Feuer zu löschen, Wasserfluten mit Wasser einzudämmen – das nennt man ›Mehr von dem, was zu viel ist‹; wer sich von Beginn an unterordnet, hört damit nicht mehr auf. Sprichst du gutherzig zu jemandem, der dir nicht vertraut, so wirst du noch vor dem Tyrannen sterben. Einst tötete [König] Jie [den Beamten] Guan Long Feng, und [König] Zhou tötete [seinen Onkel] Prinz Bigan (Unvergleichlicher Kämpfer); diese beiden waren sich nicht zu schade, sich zum einfachen Volk herabzubeugen und sich um seine Angelegenheiten zu kümmern und zu sorgen; als Untertanen erregten sie damit den Zorn ihrer Obrigkeit, und die Herrscher unterdrückten sie. Dies alles nur des Ruhmes wegen. Einst griff [König] Yao [die Staaten] Cong Zhi und Xu Aao an, [König] Yu griff You Hu an; die Länder wurden rücksichtslos verwüstet, die Bevölkerung niedergemetzelt, sie schickten ihre Soldaten in den Kampf, ohne innezuhalten, ihre Gier kannte kein Ende. Sie alle gierten nach Ruhm und Reichtum – bist du der Einzige, der davon nichts gehört hat? Ruhm- und Raffgierige – selbst die Weisen schaffen es nicht, sie zu besiegen – um wie viel weniger du! Nichtsdestotrotz, du wirst sicher einen Plan haben – komm, erzähl mir davon!«
Yan Hui sprach: »Aufrichtig und bescheiden, mich anstrengen, mir Mühe geben und eins sein mit mir selbst – gelingt es damit?«
Konfuzius rief: »Ach, wie soll das gelingen? Sich selbst als Sonne sehen und Überheblichkeit ausstrahlen, um andere einzuschüchtern – gewöhnlichen Menschen gelingt das nicht; die Mächtigen lassen andere ihre Macht spüren und bestärken damit die Gier in ihrem Herz-Geist. Der berühmte Spruch, der Anstand wachse täglich ein Stück, bewirkt so wenig wie eine große Lektion Anständigkeit. Der Fürst von Wei wird alles beibehalten und nichts ändern; nach außen hin stimmt er zu, aber innerlich lässt er keine Einwände gelten. Wie also soll das gelingen?«
Yan Hui erwiderte: »Dann werde ich innerlich aufrichtig sein und mich nur äußerlich beugen, so wie es die Weisen im Altertum taten. Wer innerlich aufrichtig ist, ist ein Schüler des Himmels. Wer ein Schüler des Himmels ist, weiß, dass der Himmelssohn gleichermaßen wie er selbst ein Sohn des Himmels ist; und warum sollte ich dann mit meinen Worten erreichen, dass die Leute sie gut finden oder nicht gut finden? Das bezeichnen die Menschen als ›unschuldiges Kind‹, und das heißt, ein Schüler des Himmels zu sein. Wer sich nach außen beugt, ist auf der Seite der Menschen. Aufstehen, niederknien, sich verbeugen, Fäuste ballen – das ist bei den Beamten Brauch, alle Menschen tun es. Soll ich wagen, es nicht zu tun? Wer tut, was die anderen tun, dem können die anderen keinen Fehler ankreiden – dies heißt, ein Schüler der Menschen zu sein. Wer sich nach den Weisen des Altertums richtet, ist ein Schüler des Altertums. Wahrlich, auch wenn meine Worte Empfehlungen und Tadel enthalten, sie stammen von den alten Weisen, nicht von mir. Auf diese Weise kann ich aufrichtig sein, ohne getadelt zu werden, das heißt, ein Schüler des Altertums zu sein. Kann es auf diese Weise gelingen?«
Konfuzius rief: »Ach, wie soll das gelingen? Das sind zu viele hohe Erwartungen und zu wenig genaue Kenntnis; wenn du darauf bestehst, begehst du zwar keinen Fehler, aber mehr erreichst du auf diese Weise nicht. Was änderst du damit schon? Noch immer ist nur der Herz-Geist dein Lehrer.«
Yan Hui war Konfuzius’ Lieblingsschüler, Sima Biao datiert sein Todesjahr in das 15. Jahr der Regentschaft von Lu Ai (reg. 494–468 v. u. Z.) (Chai, S. 123).