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Lu Ai Gong (Fürst Traurig von Lu) fragte Konfuzius: »In Wei gab es einen Hässling names Aidai Ta (Seltsam trauriger Ackergaul). Die Männer in seiner Nachbarschaft dachten nur gut von ihm und ließen ihn nicht im Stich. Die Frauen, die ihn erblickten, bettelten bei Vater und Mutter: ›Lieber als irgendeines anderen Ehefrau bin ich diesen Mannes Konkubine.‹ Mehr als zehn Mal kam dies vor und hörte nicht auf. Niemals hörte man ihn streiten, immer suchte er Einklang, und damit genug. Er war weder ein Edelmann, der die Menschen vorm Tod bewahrt, noch ein Reicher, der Güter angesammelt hat, um den Menschen den Bauch zu füllen. Obwohl seine Hässlichkeit alle unterm Himmel wieder und wieder erschreckte, obwohl er Einklang suchte und nicht stritt und obwohl sein Wissen nicht in die vier Weltgegenden hinausreichte [sondern nur seine unmittelbare Umgebung umfasste], drängten die Frauen und Männer zu ihm. Gewiss ist er ein ganz besonderer Mensch.

Ich rief ihn zu mir her und erblickte ihn: tatsächlich, mit seiner Hässlichkeit erschreckt er alle unterm Himmel. Als er an meinem Hof ein paar Monate weilte, erkannte ich, was für ein Mensch in ihm steckte; und es war kein Jahr vergangen, da hatte ich Vertrauen zu ihm gefasst. Dem Staat fehlte gerade der Premierminister, da trug ich ihm die Staatsgeschäfte an. Er war hin- und hergerissen, was er darauf erwidern solle, wirkte überfordert, und es schien, als lehne er ab. Hielt er mich zum Narren? Schließlich übergab ich ihm die Staatsgeschäfte. Daraufhin verließ er mich und ging seines Weges; ich war so traurig, ihn zu verlieren, als hätte ich niemanden mehr, der meinem Land Freude brachte. Was für ein Mensch ist das?«

Konfuzius sprach: »Als ich einmal nach Chu gesandt wurde, sah ich ein paar Ferkelchen, die saugten an ihrer toten Mutter, doch etwas später waren sie wie verwirrt und liefen von ihr weg. Sie sahen in ihr nicht mehr sich selbst, sie erkannten in ihr nicht mehr die eigene Art. Was sie an ihrer Mutter liebten, war nicht ihr Körper, sie liebten, was ihrem Körper Leben verlieh. Wer im Kampf stirbt, braucht zur Beerdigung keinen mit Ornamenten beschnitzten Sarg; wem die Füße abgehackt wurden, braucht sich um Schuhe nicht mehr zu sorgen – in beiden Fällen fehlt der Grund dafür.

Wenn Konkubinen für den Himmelssohn gesucht werden, sind ihre Fingernägel nicht geschnitten und ihre Ohrläppchen nicht durchstochen; wer eben geheiratet hat, bleibt eine Weile dem Palast fern und kehrt nicht sofort in den Dienst zurück. Wenn man schon so viel damit zu tun hat, den Körper unversehrt zu erhalten, wie viel mehr kostet es erst, den Anstand eines Menschen unversehrt zu erhalten? Nun: Aidai Ta sprach kein Wort, und man vertraute ihm, er bemühte sich nicht und wurde geliebt, die Leute trugen ihm die Staatsgeschäfte an und fürchteten nur, er würden dies ablehnen – sein Charakter blieb unversehrt, auch wenn sich sein Anstand nicht in der körperlichen Form zeigte.«

Fürst Ai fragte: »Was heißt unversehrter Charakter?«

Konfuzius sprach: »Tod und Leben, Besitz und Verlust, Niederlage und Erfolg, Armut und Reichtum, Würde und Gemeinheit, Schande und Ruhm, Hunger und Durst, Kälte und Hitze – das sind Dinge, die sich wandeln, je nach dem Lauf der Dinge; Tag und Nacht folgen aufeinander, und dennoch können die Wissenden an den Ursachen dafür nichts ändern. Daher: Lass sie den Einklang nicht stören, lass sie nicht eintreten in den Wohnsitz des Seele-Geistes. Erfreue dich am Einklang, sei davon erfüllt und verliere die Offenheit nicht; lass nicht ab darin, weder am Tag noch in der Nacht, genieße zusammen mit allen Lebewesen den Frühling, sei ihnen verbunden und lebe den Augenblick im Herz-Geist. Das heißt unversehrter Charakter.«

Der Fürst fragte: »Was heißt Wirkkraft, die sich nicht in der äußeren Form zeigt?«

Konfuzius sprach: »Ausgeglichenheit – darin ist ruhendes Wasser unübertrefflich. Es kann als Maßstab dienen: bietet Schutz im Innern und ist ungestört von außen. Wirkkraft hat, wer den vollendeten Ausgleich herzustellen versteht. Wer seine Wirkkraft nicht in der äußeren Form zeigt, den finden alle unentbehrlich.«

Andern Tags sprach Fürst Ai zu [Konfuzius’ Schüler] Minzi (Meister im Jammern): »Anfangs, als ich mich dem Süden zuwandte und zum Herrscher im Staat ernannt wurde, regelte ich die Angelegenheiten der Leute und sorgte für sie bis zum Tod – ich hielt mich selbst für bewandert in allen Fragen. Nun habe ich die Worte dieses vollkommenen Menschen gehört, und ich fürchte, dass ich irre: Leichtfertig ging ich mit mir selbst um und ruinierte damit den Staat. Ich und Konfuzius, wir sind nicht Herr und Diener, sondern Freunde der Wirkkraft – und damit genug.«

Zhuangzi. Das Buch der daoistischen Weisheit. Gesamttext

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