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VOM GEPEINIGTEN KIND ZUM GRAUSAMEN HERRSCHER

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Eine für Ivans Reformen immer wieder hervortretende Motivation war die Überwindung der in den Jahren vor seinem Regierungsantritt schier unerträglich gewordenen Bojarenherrschaft. Nicht nur die Bevölkerung seines Reiches, auch der junge Zar hatte als Kind unter den Bojaren gelitten. Nach dem Tod seiner Mutter 1538 entbrannte unter den Bojarenfamilien ein blutiger Machtkampf um die Regentschaft. Ivan musste damals die Ermordung einiger Kontrahenten mit ansehen. Niemand nahm sich behütend des verstörten Kindes an, niemand schien sich ernsthaft für Ivan zu interessieren. Stattdessen musste der junge Großfürst an politischen und religiösen Zeremonien teilnehmen, deren Sinn er nicht verstand. Die Bojaren bei Hofe begegneten ihm heuchlerisch, einige auch mit kaum verborgener Verachtung. Entwickelte das Kind doch einmal zu jemandem Zuneigung, vielleicht sogar Vertrauen, so wurde dieser Favorit umgehend von Ivan getrennt, da man eifersüchtig über die Machtverteilung bei Hofe wachte. Diese seelischen Misshandlungen prägten das intelligente und sensible Kind.

Als Heranwachsender entwickelte Ivan sadistische Neigungen, quälte Tiere, bald auch Menschen ungehemmt und ungestraft. Mit dreizehn Jahren befahl der Großfürst seinen Hundewärtern, den Bojaren Andrej Šujskij, seinen Vormund und einen der einflussreichsten Männer Russlands, auf offener Straße zu erschlagen. Dessen nackte Leiche blieb vor dem Kreml liegen. Das Blatt hatte sich nun gewendet, der Getriebene wurde zum Jäger, geprägt von Verachtung und Misstrauen gegenüber der Elite seines Reiches, die sich in späteren Jahren zu einem tief wurzelnden Verfolgungswahn auswuchsen. Niemand stellte sich dem Großfürsten entgegen, niemand wies ihn zurecht. Ganz im Gegenteil, eine Chronik berichtete: »Von da an begannen die Bojaren sich vor dem Herrscher zu fürchten, Furcht zu haben und Gehorsam.«

Auch Makarij hatte keinen Einfluss mehr auf den Tyrannen. Lediglich den historisch begründeten Anspruch auf Selbstherrschaft sowie die religiöse Lehre des Zaren von Gottes Gnaden ließ der Metropolit den jungen Großfürsten verinnerlichen, so dass seine Krönung einer ebenso unbeschränkten wie ungezügelten Machtfülle Tür und Tor öffnete. Bis zu autokratischer Willkür war es von dort nur ein Schritt. Einzig seiner Frau Anastasija schien es durch Liebe und Vertrauen zu gelingen, Ivan IV. zu besänftigen und seinen Jähzorn und seine sadistische Neigung im Zaum zu halten. Als sie aber im August 1560 erkrankte und nur kurze Zeit später starb, brachen auch die letzten den Zaren mäßigenden Dämme. Der misstrauische und von Verfolgungswahn gezeichnete Ivan war fest davon überzeugt, dass seine Frau von Männern aus seinem engstem Umfeld, der izbrannaja rada, vergiftet worden war. Zwar ehelichte Ivan IV. nach Anastasija noch sechs weitere Frauen – wobei die letzten vier von der Kirche nicht mehr anerkannt wurden, da nach kanonischem Recht nur drei Ehen möglich waren –, doch wohl zu keiner dieser Frauen entwickelte er eine tiefe innere Bindung. Die grausame Seite Ivans IV. brach sich von nun an vollends Bahn und sorgte dafür, dass ihm sein Volk den Beinamen Groznyj der Strenge, oder auch der Grausame, gab.

Das Reich der Zaren

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