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DER ZARISCHE TERROR – OPRIČNINA

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Bereits kurz nach Anastasijas Tod verbannte Ivan IV. den Protopopen Syl‘vestr und Aleksej Adašev, beide verdiente Mitglieder der izbrannaja rada. In der Folgezeit wandte er sich mehr und mehr auch von den anderen Mitgliedern des »auserwählten Rates« ab. Selbst Metropolit Makarij verlor seinen Einfluss. Als er schließlich 1563 starb, verlangte der Zar auch seitens der Kirche vollen Gehorsam und reduzierte den russischen Episkopat wieder auf jene dienende Rolle, die er vor Makarij gehabt hatte. Den Durchbruch für seine neue Politik schaffte Ivan IV. mit einem spektakulären Akt: Unmittelbar vor dem orthodoxen Nikolaustag, dem Fest des in Russland am höchsten verehrten Heiligen, verließ er am 3. Dezember 1564 ohne jegliche Erklärung oder Ankündigung samt den Schätzen und Gnadenikonen die Hauptstadt seines Reiches und zog mit seiner Familie in die Festung Aleksandrovskaja sloboda. Erst kurz vor Weihnachten erfuhren die Moskauer von ihrem Zaren den Grund seines Auszuges: Weil man ihn daran hinderte, seine Feinde und die Verräter zu bestrafen, habe er sein Amt niedergelegt und sich zurückgezogen. Die Kaufmannschaft und das einfache Volk ließ er zugleich wissen, dass der zarische Zorn nicht ihnen galt, sondern allein dem Klerus und dem Hochadel. Die Reaktion des Volkes folgte umgehend. Eine Delegation eilte hinaus nach Aleksandrovskaja sloboda und versprach alle Bedingungen des Zaren anzunehmen, ja selbst alle Feinde des Zaren zu vernichten, wollte er nur auf seinen Thron zurückkehren.


»Wer sich der Regierungsgewalt widersetzt, widersetzt sich Gott«. Ivan, hier in der Darstellung Sergej Eisensteins, sah sich als Zar von Gottes Gnaden.

So trennte Ivan IV. für sich ein Sonderterritorium mit eigener Verwaltung und eigenem Heer aus dem Reichsgebiet heraus. Dieses Heer bekam den Namen opričnina. Sie wurde sein Machtinstrument zur Vernichtung des alten Hochadels seines Anhangs. Die opričnina bot alles, was der Zar dafür brauchte. Sie bestand aus neuen Personen, mit denen sich Ivan IV. von nun an umgab. Nicht Herkunft oder Rang waren seine Auswahlkriterien, sondern das glaubwürdige Versprechen blinden Gehorsams. Die Masse der gut 1500 Männer zählenden opričnina stelle der niedere Dienstadel, aber auch ausländische Abenteurer zählten dazu. Anfangs war die opričnina eine dem Zaren persönlich und direkt zur Verfügung stehende Spezialtruppe, welche die vornehmliche Aufgabe hatte, die angeblichen Verräter zu liquidieren und den gesamten Hochadel in Angst und Schrecken zu versetzen. Da alle Verbrechen, die bei der Erfüllung dieser Aufgabe verübt wurden, straffrei blieben, war opričnina sehr bald gleichbedeutend mit hemmungslosem, blutigem Terror.

Innerhalb der opričnina gab es eine besondere Kerntruppe, deren Angehörige schwarze Kutten trugen und als Kennzeichen Besen und Hundekopf am Köcher führten. Sie bildeten eine Art Männerbund mit Merkmalen eines religiösen Ordens. Sie hatten sich von Ivan IV. persönlich aufgestellten pseudo-klösterlichen Regeln und von ihm selbst geleiteten Ritualen zu unterwerfen, die im steten Wechsel mit Strafexpeditionen, Folterzügen und Gelagen stattfanden. Metropolit Makarij hatte Ivan IV. in der alten russischen Gedankenwelt erziehen lassen und ihm dabei auch die besondere Rolle der monastischen Lebensweise und die Berufung zum »gottgekrönten Zaren« nahegebracht. Nun pervertierten diese Vorstellungen bei Ivan zur Besessenheit des Strafens. Er schickte seine schwarze Spezialtruppe aus zu Raub, Schändung und Zerstörung von Kirchen, Klöstern, Palästen, zur Folterung von Mönchen, Adligen und einfachen Bauern.

Im Winter 1570 fielen die opričniki über Novgorod her, der Zar witterte Verrat unter den Obersten der Stadt. Beweise gab es dafür nicht. Hunderte von Menschen ließ Ivan IV. innerhalb weniger Wochen foltern, ertränken, abschlachten. Auch vor Frauen und Kindern wurde nicht Halt gemacht. Nachdem die Elite Novgorods vernichtet war, wandte sich der Zar den Klöstern zu. Unter seiner Aufsicht wurden sie von seinen Schergen ausgeplündert. Wer nicht zahlte, wurde mit Knüppeln geschlagen, manche wurden zu Tode geprügelt. Wochenlang dauerte das Grauen. Dann plötzlich, am 13. Februar 1570, rief der Zar einige Abgesandte der Stadt zu sich in sein Lager und erklärte ihnen würdevoll, dass er ihnen vergebe. Sie sollten sich nicht grämen und nach Hause zurückkehren. Gleichzeitig zog er seine opričniki ab. Zwei- bis dreitausend Tote – Männer, Frauen und Kinder – ließen sie im verwüsteten Novgorod zurück. Keinem von ihnen hatte der Zar kirchlichen Beistand im Tode erlaubt. Die Stadt erholte sich von dieser Heimsuchung nie wieder.

Der Zar aber setzte seinen Feldzug gegen all die in seinem kranken Geist wimmelnden Verschwörer fort. Im Juli 1570 erreichte seine Schreckensherrschaft ihren Höhepunkt. Auf dem Roten Platz von Moskau ließ er voller »sadistischer Raffinesse« in einer Serie von Folterungen und grausamen Hinrichtungen seine fähigsten und zweifellos völlig ergebenen Anhänger töten. Gemeinsam mit seinem Sohn wohnte er dem blutigen Spektakel bei.

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