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Definition Lebenslage

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Unter der Lebenslage versteht die Sozialpolitik »[…] ressourcenabhängige Handlungsspielräume der Person im Lebenszyklus.« (Schulz-Nieswandt 2006, S. 29) In der Annahme, dass die Entwicklung der Persönlichkeit von An- und Herausforderungen im Lebensverlauf geprägt ist, sehen die Akteure der Sozialpolitik ihre Aufgabe, »[…] als [eine] grundrechtlich fundierte Einflussnahme auf die Gestaltung und Verteilung von Lebenslagen.« (Schulz-Nieswandt 2006, S. 13)

Das lebenslagenorientierte Teilhaberecht des Individuums basiert auf der Verteilung des sozialgesetzgeberisch verallgemeinerbaren Wohlstands, ist ökonomisch organisiert und objektivierbar. Die individuellen Fähigkeiten, z. B. der psychisch erkrankten Menschen, die für eine freie Persönlichkeitsentfaltung über den gesamten Lebenslauf notwendig sind, berücksichtigt das lebenslagenorientierte Teilhaberecht nicht – womit wir wieder bei der Berufsgruppe psychiatrische Pflege wären, auf deren mögliche Entidentifizierung bzw. Ent-Subjektivierung/Emanzipation ich hinaus möchte.

Das Handeln der psychiatrischen Pflegefachpersonen ist von kollektiven und institutionellen, rechtlichen und gesellschaftlichen Zuschreibungen abhängig und muss sich an den ressourcenabhängigen Handlungsspielräumen der Klienten orientieren. Ihre Sorge gilt einer »guten« Pflege und sie haben die Befürchtung, den Bedürfnissen der psychisch erkrankten Menschen nicht gerecht werden zu können (Weißflog et al. 2010; Weißflog 2014). Auch wenn ich sie nicht als homogene Gruppe sehen kann, verbindet sie ihr Aufgaben- und Tätigkeitsbereich, der zwischen den verschiedenen Feldern der psychiatrischen Versorgung und in Abhängigkeit des interdisziplinären Teams divergiert.

Grundpflegerische Tätigkeiten sind laut Gesetz (Pflegeberufereformgesetz § 4) den entsprechend ausgebildeten Pflegepersonen vorbehalten (Bundesgesetzblatt 2017). Das Ziel (Pflegeberufereformgesetz § 5) der beruflichen Ausbildung in der Pflege ist die »[…] selbstständige, umfassende und prozessorientierte Pflege [der Pflegeprozess] von Menschen aller Altersstufen […].« (Bundesgesetzblatt 2017, S. 2583)

Pflege »[…] umfasst präventive, kurative, rehabilitative, palliative und sozialpflegerische Maßnahmen zur Erhaltung, Förderung, Wiedererlangung oder Verbesserung der physischen und psychischen Situation der zu pflegenden Menschen, ihre Beratung sowie ihre Begleitung in allen Lebensphasen und die Begleitung Sterbender. Sie erfolgt entsprechend dem allgemein anerkannten Stand pflegewissenschaftlicher, medizinischer und weiterer bezugswissenschaftlicher Erkenntnisse auf Grundlage einer professionellen Ethik. Sie berücksichtigt die konkrete Lebenssituation […]. Sie unterstützt die Selbstständigkeit der zu Pflegenden und achtet deren Recht auf Selbstbestimmung.«

(Bundesgesetzblatt 2017, S. 2583)

Die zur selbstständigen, umfassenden und prozessorientierten Pflege hinzukommende ärztliche Assistenz führte zu einem Doppelmandat und im Arbeitsfeld zu einer Profilunschärfe.

»Je höher der kurative und damit ärztliche Aufwand in der Patientenbetreuung ist, desto höher ist meist auch der weisungsgebundene Anteil der Pflegearbeit (Medikamentengabe, Überwachungs-, Kontroll- und Maschinenarbeit) und desto geringer ist in Relation dazu der autonome Anteil im Sinne direkter Pflege. […] [W]ird ein chronischer Krankheitsverlauf absehbar oder liegt ein Mensch im Sterben […] nimmt die autonome Pflege zu.«

(Hofmann 1999, S. 3293)

In der psychiatrischen Akutbehandlung überwiegt die Mitarbeit an diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen dann, wenn die medikamentöse Therapie im Fokus steht.

Die Pflegeausbildung befähigt zur selbstständigen Ausführung des Pflegeprozesses, der als Vorbehaltsaufgabe einem kybernetischen Regelkreis unterliegt. Nach Verena Fiechter und Martha Meier (1992) muss die Pflege als strukturierter Problemlöseprozess gestaltet werden. Sie definierten den Pflegeprozess als erste für den deutschsprachigen Raum und erweiterten das Pflegeprozessmodell in ein 6-Phasen-Modell (Informationssammlung, Festlegen des Pflegeproblems, Festlegen der Pflegeziele, Planung der Pflegemaßnahmen, Durchführung der Pflege, Beurteilung der Wirkung der Pflege) als eine »[…] systematische patientenorientierte Pflegeplanung im Sinne der Problemlösung […] .« (Fiechter & Meier 1992, S. 17)

Seinen Ursprung hat der Pflegeprozess in der Systemtheorie und Kybernetik. Dem 6-Phasen-Modell schloss sich im Rahmen einer Studie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) an (Ashworth et al. 1987). Je nach Denkschule und pflegetheoretischem Ansatz wurde und wird der Pflegeprozess als normiertes, bedürfnisorientiertes oder standardisiertes Verfahren umgesetzt und gegenstandsbezogen an objektivierbaren Pflegeproblemen geführt (Weißflog 2014). Die Pflegetheoretikerinnen Nancy Roper, Winifried W. Logan und Alison J. Tierney (The Elements of Nursing 1980), basierend auf den Arbeiten von Nancy Roper (1976), sahen den Pflegeprozess als einen Beitrag zur Förderung der individuellen Krankenpflege (Roper et al. 1980). Nach Ansicht der Pflegetheoretikerinnen benötigt der Pflegeprozess einen konzeptionellen Rahmen, da er keine eigenständige Handlungsmethode darstellt (Roper et al. 1993).

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