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Vorwort

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Wir möchten wissen und verstehen, was die Welt zusammenhält. Geliehen ist diese Aussage aus Goethes Lebenswerk »Faust«: Ihn beschäftigte ein Leben lang die Frage: »Was hält die Welt im Innersten zusammen?«1 Genauso wenig wie Goethe interessiert uns eine naturwissenschaftlich fundierte Antwort auf diese Frage, wenn die »Welt« hier einmal als die der Psychiatrie mit allen Beteiligten gemeint ist. »Gute« psychiatrische Pflege möchte erkrankte Menschen auf dem Genesungsweg hin zum selbstbestimmten Handeln unterstützen. Dem entgegen steht jedoch die Herausforderung, dass die Welt dieser Menschen nicht immer einfach zu erklären und zu verstehen ist.

Damit sind wir bereits mitten im Diskurs bezüglich des Verhältnisses zwischen Verstehen und Erklären, welches an folgendem Beispiel aus pflegewissenschaftlicher Perspektive gut veranschaulicht werden kann. Eine rasante Dynamik erfuhr in den letzten Jahren das Konzept »Recovery« in der Sozialpsychiatrie. In seiner Bedeutung aus der Selbsthilfe und der Betroffenen-Bewegung kommend, beschreibt es den Prozess der Genesung, des Wachstums und der Entwicklung sowie des Wiedererlangens von Wohlbefinden und Lebensqualität. Betroffene berichten, dass sie die psychische Erkrankung überwinden konnten und ein zufriedenes Leben führen, auch wenn Symptome weiterhin bestehen. Sie möchten als Experten2 ihres Lebens verstanden werden.

Die klinische Perspektive definiert Recovery als ein Ziel der Behandlung: Symptomreduktion und Remission. Die psychiatrische Pflegeforschung untersucht, wie der Genesungsweg psychisch erkrankter Menschen am besten unterstützt werden kann. Mit ihrer Hilfe können theoretisch-fundierte Voraussetzungen für eine recovery-orientierte Praxis entwickelt werden. Mit der Erforschung der Grundlagen psychosozialen Handelns und der pflegerisch-therapeutischen Angebote bis zur Messung der Lebensqualität erkrankter Menschen ist ein weiter Weg zu beschreiten, der unterschiedliche Wissenszugänge erfordert. In Anbetracht der aktuellen Entwicklungen in der Pflegewissenschaft ist es aus Sicht der Herausgeberinnen nun ein angemessener Zeitpunkt für eine kritische und um verschiedene Perspektiven erweiternde Debatte über zentrale Begriffe, Konzepte und Phänomene im Kontext klinisch-psychiatrischer Pflege. Ein wichtiges Anliegen der Veröffentlichung ist ein Nach- und Weiterdenken auf dem Weg zur Evolution einer pflegewissenschaftlich fundierten psychiatrischen Pflege.

Sabine Weißflog und Julia Lademann

1 Vgl. Johann Wolfgang von Goethe: Faust I, V. 382 f.

2 Zugunsten einer lesefreundlichen Darstellung wird in diesem Text bei personenbezogenen Bezeichnungen in der Regel die männliche Form verwendet. Diese schließt, wo nicht anders angegeben, alle Geschlechtsformen ein (weiblich, männlich, divers).

Verstehen in der Psychiatrischen Pflege

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