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3. Gott und die Offenheit des Hinfälligen: Gen 4

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Es wurde im vorhergehenden Kapitel angedeutet, dass der Sündenfall in der Tatsache besteht, dass der Mensch in der Besetzung der durch den Baum der Erkenntnis bezeichneten Offenheit sich selbst ins Zentrum rückt, von wo aus er allmächtig über sich, Gott und die Welt verfügen will. Absolute Verfügungsgewalt wäre in diesem Sinne das Böse, dem Gott den Tod gegenüberstellt. Der Tod ist nicht zuerst Strafe für das Vergehen des Menschen, sondern dasjenige, was ihn von der absoluten Verfügungsgewalt über sich und andere trennt. Wenn der Mensch daher am Ende der Sündenfallperikope nicht mehr vom Baum des Lebens nehmen darf, dann deshalb, weil er sich das Leben absolut, ohne Lücke und Entzug aneignen wollte.

Interessant ist der Ausspruch der Schlange (Gen 3,5), dass der Mensch nicht sterben wird, wenn er vom Baum der Erkenntnis nimmt. Dies ist nicht einfach als Lüge zu |30|verstehen – auch sonst beschreibt die Schlange sehr präzise und der Wahrheit entsprechend, welche Konsequenzen die Frucht des Baumes der Erkenntnis mit sich bringt –, vielmehr verbirgt sich eine Art geschichtstheologischer Fragestellung hinter dieser Prophezeiung: Wird es dem Menschen gelingen, die Offenheit des Erkenntnisbaumes zu schließen und die eigene Sterblichkeit, die sozusagen das letzte Moment ist, welches den Menschen von Allmacht und vollkommenem Selbstbesitz trennt, zu überwinden? Wird daher der Mensch in der Lage sein, das Sein in eine völlig immanente Entität zu verwandeln, ohne Gott und ohne die Transzendenz der Offenheit, oder wird ein letzter Differenzpunkt bestehen bleiben? Letztlich geht also die Wette dahin, ob der Mensch sich an die Stelle Gottes zu setzen vermag oder nicht.

Alle diesbezüglichen Versuche mussten zuerst danach trachten, die eigene Endlichkeit und Sterblichkeit zu überwinden, und davon handeln die folgenden Erzählungen der Bibel.25 Eva erwirbt von JHWH einen Mann, heißt es in Gen 4,1. Mit dem Erwerb von Kain beginnt das genealogische Denken, in dem der Mensch mittels Nachkommenschaft Unsterblichkeit erlangen will. Der lückenlose Ursache-Wirkungs-Zusammenhang hat, wie K. Heinrich wohl richtig vermutet26, seine Wurzel in dieser Denkform. Der Erstgeborene Kain steht für das Zentrum. Er, nach dem Bild Adams gezeugt (vgl. Gen 5,3), symbolisiert dessen Weiterleben und dessen erfolgreiche Selbstbespiegelung. Gegenüber Kain bildet Abel – gleich dem siebenten Tag und dem Baum der Erkenntnis – die dritte periphere Gestalt. Sein Name erinnert an die Hinfälligkeit des Windhauches, er ist der Vergängliche und genealogisch gesehen der Überflüssige, der eine potenzielle Gefahr für den genealogischen Zusammenhang des Subjekts und seines Bildes darstellt.

Abel genießt als Repräsentant der Peripherie und als Zeichen des Zusatzes nicht nur das Wohlwollen JHWHs, sondern sein Tod leitet noch einmal eine fundamentale Änderung des Menschseins ein. Auf der einen Seite konfrontiert uns die Bibel mit der kainitischen Genealogie, aus der alle Kulturleistungen und Herrschaftssysteme, allen voran die Stadt, erwachsen (Gen 4,17–22). Auf der anderen Seite erfolgt nach Abels Tod eine alternative Lebensform, die sich in „Set“, dem dritten Kind von Adam und Eva, symbolisiert. Dieser „Setzling“ evoziert den Begriff des Ersatzes. Fortan gibt es neben der kainitischen Existenz, die Abbild der Genealogie, Fortschreibung des Eigenen ist, die Existenz als „Ersatz“ für das Schwache, hingeordnet also nicht auf selbstmächtiges Leben und die Kontinuität des Eigenen (wie Kain in Bezug auf Adam), sondern Sein-Für, Repräsentanz einer Abwesenheit, Zeugnis des unverfügbaren Opfers der Geschichte.

Dieses Bild vertieft sich im Folgenden: Set wird ein Sohn geboren, nämlich Enosch (Gen 4,26), dessen Name ebenfalls den Menschen in seiner Hinfälligkeit evoziert27. |31|Von besonderer Bedeutung ist die Erwähnung, dass man damals begann, den Namen JHWHs auszurufen. Der Fall bestand in der Aneignung absoluter, lückenloser, damit aber auch unverletzbarer Existenz. Dagegen steht die Hinfälligkeit der Linie Abel-Set-Enosch, deren Offenheit und Peripherie Verwundbarkeit impliziert. Genau mit dieser verbindet sich der Gottesname, dessen Entsprechung in der Ausgesetztheit für den Anderen, d. h. einem Sein-Für besteht.

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