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|17|3. Ein Ausblick auf die Beiträge

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Von Anfang an findet sich eine Differenz zwischen dem Glaubensakt (↗ 1. „Glauben denken“) und dessen Logifizierung (↗ 2. „Zur philosophischen Durchdringung der Gottrede“) eingetragen. Während in der Antike und im Mittelalter das neuplatonisch-aristotelische Denkmodell dominierte und in der Neuzeit der Ansatz beim menschlichen Bewusstsein en vogue war, lässt sich der philosophische Diskurs der Moderne nicht mehr auf einen einheitlichen Nenner bringen. Der Versuch, den linguistic turn als unierendes Paradigma zu etablieren, ließ sich nicht einmal im Rahmen der Analytischen Philosophie aufrechterhalten. Das Bewusstseinsparadigma der Neuzeit geriet unter zweifachen Beschuss: Auf der einen Seite versuchten postmoderne Autoren im Anschluss an Friedrich Nietzsche und Martin Heidegger den Subjektgedanken zu desavouieren, auf der anderen Seite stellten die frühen Vertreter der Analytischen Philosophie, vor allem im Umfeld des Wiener Kreises, die Sinnlosigkeit des Subjektbegriffes heraus. Die weiterführenden, teils revolutionären Debatten innerhalb der Analytischen Philosophie lassen regelmäßig die Frage aufkommen, worin sich heute die Analytische Philosophie grundsätzlich von einer nicht-analytischen Philosophie unterscheidet: Das Spektrum erstreckt sich dabei, beginnend bei der Protokollsatzdebatte, die zum Ende des maßgeblich von Rudolf Carnap entwickelten Verifikationismus und zum Aufschwung des von Karl Popper vorgetragenen Fallibilismus beitrug, über historische Einbettungsversuche von wissenschaftlichen Theorien, etwa durch Thomas Kuhn und Imre Lakatos, bis hin zur veränderten Aufmerksamkeit für die Sprache, die sich von der logisch-mathematischen Idealsprache auf die Alltagssprache und dessen Sprechakte verschob und heute sogar das Bewusstseinsphänomen neu zu analysieren bereit ist.16 Das heute von einer Person unmöglich mehr überschaubare Feld der Praktischen Philosophie fusionierte vielerorts mit den Sozialwissenschaften: Die Politische Philosophie ging Symbiosen mit der Soziologie, Rechtswissenschaft und der Entwicklungspsychologie ein. Die Ethik, die sich mehr und mehr in Bereichsethiken ausdifferenziert, kooperiert mit ihren unmittelbaren Gesprächspartnern von Biologie, Physik, Neurologie und Medizin. Allein die Frage einer gleichermaßen notwendigen wie methodisch anspruchsvollen naturwissenschaftlichen Problembeschreibung zieht in den bioethischen Debatten der letzten Dekaden (man denke nur beispielsweise an die höchst kontrovers geführten Diskussionen über medizinische Modellierungen am Embryo im Zuge der PID, die Debatten über Organtransplantation oder die Möglichkeit einer Legalisierung von Sterbehilfe) nicht weniger Aufmerksamkeit auf sich als dessen juristische, moralische und ethische Evaluierung.

Mit anderen Worten: Die Philosophie des 21. Jahrhundert gibt es nicht. Wer ist aber dann der Gesprächspartner für eine angemessene, d. h. diskurssensible Gottrede? Der vorliegende Band sammelt Antworten auf diese Frage. Analog zur philosophischen Diskurslage kann die Antwort hierauf nicht mehr im Singular ausfallen wie etwa noch |18|zu Zeiten der „Hellenisierung des Christentums“. Es gibt nicht mehr die Denkform, an der sich Theologen orientieren können. Die unterschiedlichen philosophischen Strömungen und Disziplinen bieten sich gleichermaßen als Gesprächspartner an. So eröffnet jede Strömung mit ihrer spezifischen Methodik die Erschließung einer ganz bestimmten Perspektivierung. Umgekehrt weist auch jede Methodik ihre „blinden Flecken“ in der Ausleuchtung des religiösen Glaubens auf. Vor diesem Hintergrund setzt der Band ein: Ausgehend von bzw. in Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Selbstbewusstseins bzw. des Subjektgedankens erschließen Kurt Appel (Wien), Georg Essen (Bochum), Johannes Hoff (London), Klaus Müller (Münster), Hansjürgen Verweyen (Freiburg), Saskia Wendel (Köln) und Josef Wohlmuth (Bonn) die Gottrede. Die epistemischen Voraussetzungen in der Rede von Gott wählen hingegen Roland Faber (Claremont), Armin Kreiner (München), Friedo Ricken (München), Thomas Schärtl (Regensburg) und Jürgen Werbick (Münster) als Ausgangspunkt. Die gesellschaftliche und interreligiöse Dimension markiert bei Edmund Arens (Luzern), Markus Knapp (Bochum), Perry Schmidt-Leukel (Münster) und Klaus von Stosch (Paderborn) den Abstoßpunkt. Dementsprechend ist der Band in drei Sektionen untergliedert. Innerhalb der einzelnen Sektionen werden die Beiträge in alphabetischer Reihung angeführt. Jeder einzelne Beitrag weist für sich einen eigenen Weg auf, wie sich der religiöse Glauben denken lässt und wie vor diesem Hintergrund Gott zur Sprache kommt.

1 Feuerbach, Ludwig, Das Wesen des Christentums, Stuttgart 2008, S. 52f.

2 Vgl. Ayer, Alfred J., Language, Truth and Logic, London 82001, S. 104–126.

3 Vgl. Adorno, Theodor W./Horkheimer, Max, Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Frankfurt am Main 2005, Kap. 1: „Begriff der Aufklärung“.

4 Habermas, Jürgen, Glauben und Wissen. Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, Frankfurt am Main 2001, S. 14.

5 Ebd., S. 14.

6 Vgl. Reder, Michael, Religion in säkularer Gesellschaft. Über die neue Aufmerksamkeit für Religion in der politischen Philosophie (= Praktische Philosophie; Bd. 86), Freiburg im Breisgau 2013, S. 74–127.

7 Habermas, Jürgen, „Exkurs: Transzendenz von innen, Transzendenz ins Diesseits“, nachgedruckt in: Ders., Philosophische Texte, Bd. 5: Kritik der Vernunft, Frankfurt am Main 2009, 417–450, hier: 427. – Hervorhebung vom Verf.

8 Vgl. Kollmann, Bernd, Einführung in die Neutestamentliche Zeitgeschichte, Darmstadt 2006, Kap. 8: „Die nichtjüdisch religiöse Umwelt des Neuen Testaments“.

9 Justin der Märtyer, Apologie, 67,3.7.

10 Markschies, Christoph, Hellenisierung des Christentums. Sinn und Unsinn einer historischen Deutungskategorie, (ThLZ.F 25), Leipzig 2012, S. 121.

11 Ratzinger, Joseph, „Europa – verpflichtendes Erbe für die Christen“, in: Europa. Horizont der Hoffnung, hg. von König, Franz/Rahner, Karl, Graz/Wien/Köln 1983, S. 61–74, hier: S. 68.

12 Benedikt XVI., „Glaube, Vernunft und Universität. Erinnerungen und Reflexionen. Vorlesung des Heiligen Vaters an der Universität Regensburg am 12.09.2006“, in: Apostolische Reise Seiner Heiligkeit nach München, Altötting und Regensburg 9.–14. September 2006. Predigten, Ansprachen und Grußworte (VAS 174), Bonn 2006, S. 72–84, hier: 75f.

13 Vgl. Metz, Johann Baptist, „Anamnetische Vernunft. Anmerkungen eines Theologen zur Krise der Geisteswissenschaft“, in: Zwischenbetrachtungen. Im Prozeß der Aufklärung (FS Jürgen Habermas), hg. von Honneth, Axel, Frankfurt am Main 1988, S. 733–738.

14 Vgl. Metz, Johann Baptist, „Gotteskrise. Versuche zur ‚geistigen Situation der Zeit‘“, in: Diagnosen zur Zeit, hg. von Metz, Johann Baptist u. a., Düsseldorf 1994, S. 76–92, hier: S. 84.

15 Benjamin, Walter, „Geschichtsphilosophische Thesen“, in: Ders., Gesammelte Schriften. Bd. I/2, Frankfurt am Main 1991, S. 690–708, hier: S. 676.

16 Vgl. Bieri, Peter, „Was bleibt von der analytischen Philosophie?“, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 55 (2007), S. 333–344.

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