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|52|3. „… als ob man von Christus nichts wüsste“? Skizzen zur offenbarungstheologischen Begründung der Personalität Gottes

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Was mit der zuletzt genannten These im Einzelnen gemeint ist, möchte ich in mehreren Schritten ausführen und begründen. Dabei konzentriere ich mich einerseits auf die dogmatische Begründung der infrage stehenden Personalität Gottes. Andererseits reflektiere ich vor dem Hintergrund der hier vorausgesetzten Differenz von Offenbarungs- und Vernunftwahrheit auf das Verhältnis des philosophischen zum theologischen Gottesbegriff.

Erstens! Dass Gott sich selbst durch sein unableitbares Offenbarungshandeln dem Menschen zu erkennen gibt, betrifft nicht allein die Erkenntnis seiner Existenz, sondern begründet zugleich die sein Wesen betreffenden Aussagen. Das methodische Verfahren, Wesensaussagen zu generieren, ist für die Theologie ein anderes als für den philosophischen Theismus, dem die personal konnotierten Eigenschafts- und Wesensbestimmungen im Rekurs auf die menschliche Selbsterfahrung und mithin per analogiam beigelegt werden. Theologisch verhält es sich stattdessen so, dass Aussagen über das Wesen Gottes unter Einschluss der diesem zugehörigen Eigenschaften aus Gottes Offenbarungshandeln zu erkennen sind. In methodischer Hinsicht ist, was die aussagenlogische Generierung des Wesensbegriffs betrifft, eine Einsicht entscheidend, welche der protestantische Theologe Hermann Cremer in der These festhält, dass „in der Offenbarung sich das ganze Wesen Gottes bethätigt und erschließt“. Und weiter heißt es bei ihm: Gottes Verhalten zu uns sei die „vollendete Bethätigung seines Wesens“.13 Zwar gilt nur für den Menschen, nicht jedoch für den freien Gott, der selbst schon erfüllte Liebe und darin vom Menschen nicht abhängig ist, dass er ohne die Selbstmitteilung von Freiheiten füreinander kein reales Selbst hat. Doch die Bedeutung der Geschichte Jesu als Ort der Anwesenheit der Liebe Gottes in ihr ermächtigt zur Aussage, dass sich Gott in Freiheit selbst dazu bestimmt hat, sich in dieser Geschichte wirklich als er selbst zu erschließen. Dass er in diesem Geschehen sein Wesen betätigt hat und es für uns darin offenbar geworden ist, führt schließlich auch zu jener Spitzenaussage johanneischer Theologie, dass Gott die Liebe ist (vgl. 1 Joh 4, 8). Wobei auch zu beachten ist, dass erst aufgrund von Gottes offenbarendem Handeln, durch das er uns sein Wesen erschließt, für uns bestimmbar wird, „was die Liebe ist, die nun ihrerseits legitim mit Gott identifiziert werden kann und muss“.14

Bevor ich auf den Satz „Gott ist Liebe“ näherhin eingehe, ist zweitens die Transformation der hier zugrunde liegenden Denkform eigens zu thematisieren, mit der der |53|Begriff der Wesensoffenbarung als Implikat von Gottes Selbstoffenbarung in der Geschichte Jesu gedacht werden kann. Wenn Karl Barth in scheinbarer Selbstverständlichkeit den Gedanken entfaltet, dass das göttliche Wesen das Sein Gottes in der Tat ist und zwar dergestalt, dass das in der Offenbarung für uns sichtbare Wesen, eben weil es seine Tat ist, ineins sein Sein ist, dann verdeckt Barth aber die philosophisch-theologischen Schwierigkeiten, einen solchen Gedanken überhaupt zu fassen. Diese Schwierigkeiten sind auf die traditionell-metaphysische Fassung des Gottesbegriffs zurückzuführen15, mit der nicht einsichtig gemacht werden konnte, wie der Zusammenhang zwischen Wesen und Handeln Gottes so gedacht werden kann, dass Gott sich in seinem geschichtlichen Handeln frei dazu bestimmt, sein Wesen für uns zu erschließen. Zudem führte der Rückgriff auf den hier vorausgesetzten Wesensbegriff zu dem Problem, die liebende Zuwendung Gottes zu seinen Geschöpfen nicht in der Weise als seine Selbstmitteilung denken zu können, dass er in ihr sein Wesen erschließt und offenbar macht. Hinzu tritt die Schwierigkeit, Gott in seiner ewigen Selbstidentität als im Prozess seiner Heilsökonomie so gegenwärtig zu denken, dass sie wirklich etwas austrägt für die Identität seines ewigen Wesens. Ich belasse es bei diesen wenigen Andeutungen zur Problematik einer dogmatischen Denkform, die auf die These zulaufen, dass das zur Explikation der christlichen Glaubenswahrheit herangezogene Subjektdenken der Moderne offenkundig eine größere Affinität zu ihr aufweist als die metaphysischen Denkweisen früherer Epochen. Es sprechen mithin nicht nur fundamentaltheologische, sondern gerade auch dogmatische Gründe dafür, sich konstruktiv-kritisch auf das Subjekt- und Freiheitsdenken der Neuzeit einzulassen, um die Wahrheit des christlichen Glaubens in einer Weise zu explizieren, die ihrer Eigentümlichkeit entspricht.

Der dritte Aspekt, auf den ich aufmerksam machen möchte, bezieht sich noch einmal auf die johanneische Spitzenaussage „Gott ist Liebe“ (1 Joh 4, 8), die, so Wolfhart Pannenberg, „zu den ganz wenigen Worten der Bibel gehört, die explizit das Wesen Gottes definieren“.16 Es besteht exegetisch weitgehende Einigkeit darüber, dass dieser Satz nicht lediglich eine göttliche Eigenschaft, sondern das Wesen Gottes als Liebe bezeichnet.17 Nun hat dieser Satz „Gott ist Liebe“ in der neueren Theologiegeschichte eine Auslegung erfahren, die keineswegs unproblematisch ist. Auf dieses Problem aufmerksam zu machen, gehört essentiell zu dem mir gestellten Thema, weil es im Gefälle der subjekttheoretischen Denkform zu liegen scheint, mit welcher der christliche Gottesbegriff expliziert werden soll. Karl Barth nämlich ist in seiner Trinitätslehre Hegel darin gefolgt, Gott als absolutes Subjekt zu bezeichnen. Diese philosophische Vorentscheidung wirkt sich in der Gotteslehre, wie Barth sie in seiner Kirchlichen Dogmatik vorgetragen hat, dahingehend aus, dass er den Satz „Gott ist Liebe“ unvermittelt auf |54|Gott als Subjekt bezieht, auf „sein Lieben, d. h. seine Tat als die des Liebenden.“18 Der Grundgedanke Barths, auf den es mir an dieser Stelle allein ankommt, lautet wie folgt: Gott, so heißt es bei Barth, der sich uns in seiner Offenbarung als der Liebende mitteilt, begegne uns „als der Eine sondergleichen“19. Von diesem „Einen“ aber müsse deshalb in personalen Kategorien gesprochen werden, weil es zum Wesen der Liebe gehöre, wissend, wollend und handelnd gemeinschaftsstiftend beim Anderen zu sein. Damit ist Barth zufolge nicht nur der Begriff der Person als eines wissenden, wollenden und handelnden Ichs definiert20, sondern es verhält sich Barth zufolge so, dass Gott, der der personal „Eine“ ist, „Ich“ sei. Dabei gehöre es, immer noch Barth, zum Charakter des Ich-Seins Gottes, dass Gott das eine wissende, wollende und handelnde Ich ist; Gott sei „Einer, der Eine, das redende und handelnde Subjekt, das ursprüngliche und eigentliche Ich“.21

Man spürt förmlich die Defensivhaltung Barths, wenn er seine Ausführungen über Gott als den Liebenden mit dem Ausruf beendet: „Eben dieser eine Gott als der trinitarische ist, sei es denn: der persönliche“.22 Die Gründe, die Barth hier anführt, sind bekannt und haben vor allem mit Einschätzungen zum neuzeitlichen Personbegriff zu tun. Um die Konsequenz zu vermeiden, von Gott ein dreifaches Ich respektive ein dreifaches Subjekt auszusagen, will er auf die Redeweise von drei Personen verzichten und bevorzugt stattdessen die vielzitierte Formel vom „Sein Gottes in den drei Seinsweisen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“23. Bereits aus Zeitgründen kann ich die an dieser Stelle fällige trinitätstheologische Begründungsfigur nicht entfalten und muss mich stattdessen darauf beschränken, eine These von Wolfhart Pannenberg zu zitieren, mit der dieser Barths Trinitätstheologie kritisiert hat. „Zwar ist auch der trinitarische Gott ein einziger, und dieser eine Gott ist nicht unpersönlich. Aber er ist Person nur in Gestalt jeweils einer der trinitarischen Personen, weil jede der Personen der Trinität nicht allein ihr Personsein, sondern auch ihre Gottheit nur durch Vermittlung ihres Verhältnisses zu den beiden anderen hat.“24

|55|Der personale Gottesbegriff, wie er im christlichen Glauben beansprucht wird, verlangt folglich nach einer trinitätstheologischen Näherbestimmung. Diese aber ist keineswegs bereits dort geleistet, wo theologisch oder philosophisch der Begriff des einen persönlichen Gottes als innere Differenzierung seiner sich dreifach selbst entfaltenden Subjektivität ausgelegt wird. Ein solches Argumentationsverfahren ist, von theologischen Fragen noch ganz abgesehen, methodisch hochproblematisch. Das Problem, auf das es mir hier ankommt, besteht in der philosophischen Methode der Ableitung der Trinität aus einem vorgegebenen Begriff göttlicher Einheit. Die theologisch intrikate Konsequenz besteht darin, dass die Trinität hier lediglich als nachträgliche differentia specifica einer vortrinitarischen Einheitskonzeption erscheinen muss. Die nicht zufällig mit Anselm von Canterbury einsetzenden Trinitätsansätze dieser Art kranken daran, dass sie „remoto Christo“ konzipiert werden, „als ob man von Christus nichts wüsste“25. Es gehört ja zu den Merkwürdigkeiten der traditionellen dogmatischen Traktatarchitektur, dass die Zweiteilung der Gotteslehre in die Traktate „De Deo uno“ und „De Deo trino“ einerseits zur Folge hatte, dass die Lehre von Gottes Wesen und Eigenschaften im Traktat „De Deo uno“ angesiedelt und philosophisch abgehandelt wurde. Nach offenbarungstheologischen und insbesondere christologischen Begründungsfiguren suchen wir hier vergeblich! Darüber hinaus und andererseits hatte die Trennung beider Lehrstücke zur Folge, dass sich die Aussagen über Wesen und Eigenschaften Gottes begründungslogisch nicht auf den dreieinigen Gott bezogen. Dieses methodische Verfahren ist für die Personalität Gottes insofern nicht folgenlos, weil in seinem Gefälle die Frage, in welcher Weise der Personbegriff dem Gottesbegriff zugeordnet werden muss, auf eine Weise beantwortet wird, die theologisch problematisch ist: Sie soll gewissermaßen allen trinitarischen Differenzierungen vorweg behauptet werden.

Aufgrund dieser theologischen Vorentscheidung wird freilich die Einsicht verdeckt, dass der christliche Gottesbegriff ein trinitarischer ist und zwar als reflexer Ausdruck der geschichtlich erfahrenen Selbstoffenbarung Gottes. In methodischer Hinsicht wird durch das traditionelle Argumentationsverfahren der Dogmatik wiederum verdeckt, dass sich der christliche Gottesbegriff einer Erkenntnis verdankt, die darauf beruht, dass Gott durch sein unableitbar freies Offenbarungshandeln sein Dasein als der dreifaltig Eine für uns erschlossen hat. Sowohl der hier vorausgesetzte Begriff der Einheit wie der der Trinität müssen im Rahmen der Offenbarungstheologie begründet werden. Folglich ist er denn auch der Ort, um die Frage nach der Personalität Gottes theologisch zu beantworten; die Trinitätstheologie ist der Ort, an dem der christliche Begriff der Personalität Gottes zuallererst seine inhaltliche Bestimmung erfährt.

Damit bin ich viertens bei der These angelangt, dass diese zuletzt entfalteten Ausführungen zur methodischen Begründung der christlichen Rede von der Personalität Gottes eine Korrektur des traditionellen philosophischen Begründungsverfahrens erzwingen. Dem philosophischen Gottdenken, das den Gottesbegriff als Abschlussgedanken |56|der Vernunft und zwar näherhin als existentiell relevanten Sinnbegriff kennt, fällt im Rahmen einer philosophiebereiten Theologie die Aufgabe zu, im Gottesbegriff selbst die Minimalbedingungen auszuweisen, die dann ihrerseits aussagenlogisch als Gegenstand der affirmativen, auf Offenbarung beruhenden Zuschreibungen des göttlichen Wesens fungieren.26 Dieses methodische Verfahren zielt, mit anderen Worten, ausdrücklich nicht darauf, das theologische Interesse an einem philosophischen Gottesbegriff preiszugeben. Das philosophische Gottdenken ist für die dogmatische Gotteslehre unverzichtbar, vorausgesetzt nur, sie verortet sich in dem methodischen Terna einer dreifachen Aufgabenstellung dogmatischer Theologie27. Der affirmativen Antwort auf die quaestio facti – der Frage nach der Wirklichkeit der Selbstoffenbarung Gottes in der Geschichte – sachlich vorzuordnen ist die philosophische Frage nach der theoretischen Denkbarkeit des theologischerseits in Anspruch genommenen Gottesbegriffs. Von diesem Möglichkeitsaufweis für die Wahrheit des christlichen Glaubens noch einmal zu unterscheiden ist der ebenfalls in der Instanz der Philosophie zu führende Relevanzaufweis, der zu klären hat, dass der Mensch für Gott ansprechbar und dessen heilshafte Selbstzusage existentiell bedeutsam ist.

Was nun die theoretische Aufgabe betrifft, den Möglichkeitsaufweis für die Wahrheit der christlichen Gottesrede zu führen, so dürfte sie mit der Einführung des Begriffs Gottes als Idee vollkommener Freiheit, deren Klärung ich im ersten Teil meines Beitrages ja bereits vorgenommen habe, wenigstens so weit geleistet worden sein, wie es im Rahmen meiner Ausführungen möglich ist. Nicht nur die theoretische Möglichkeit einer von Gott und Welt unterschiedenen göttlichen Wirklichkeit ist so eröffnet, sondern ebenso die Denkbarkeit der Freiheit des möglichen Gottes. Desgleichen kann einsichtig gemacht werden, dass Offenbarung und freie Mitteilung primäre Prädikate des Gottesbegriffs sind. Schließlich gilt, dass der Gottesgedanke der freien Vernunft den Gottesbegriff nicht restringiert auf die Vorstellung von Gott als einer individuellen Einzelpersönlichkeit, die aufgrund ihrer monadischen Selbstverschlossenheit keine realen personalen Unterschiede in sich selbst kennen würde. Auch hier gilt freilich, dass die Idee Gottes als vollkommene Freiheit als Inbegriff von Minimalbedingungen für die christliche Rede von Gott eingeführt wird, der den Vorzug genießt, als „bestimmungsfähige und -bedürftige Grundbestimmung“ in theologische Aussagen einzugehen, die |57|materialiter die Beschreibung der Wirklichkeit Gottes, die sich durch sein geschichtliches Handeln bekundet, konstituieren28. Anders formuliert: Der philosophisch erstellte Minimalbegriff, der wesentlich den Gedanken einer welttranszendenten Freiheit des möglicherweise existierenden Gottes festhält, geht „in durchaus konstitutive[r] Weise in alle theologischen Aussagen ein […]“. Es ist eben der als Freiheit gedachte Gott, der nach einer persontheoretischen Näherbestimmung des Gottesbegriffs verlangt. Als freiheitstheoretisch eingeführter Sinnbegriff wird Gott als freie Subjektivität, das heißt als durch sich und in sich selbst bestimmte Persönlichkeit gedacht. Und doch geht die Theologie ihrerseits über diesen Minimalbegriff hinaus, eben weil sie aufgrund ihrer eigenen, im Offenbarungsbegriff festgehaltenen Quellen „noch mehr und noch anderes sagt, als was sich Menschen letztlich auch selbst sagen könnten“29.

Dass freilich der besagte Minimalbegriff weiterbestimmt wird und zwar so, dass sein gedachter Gehalt als wirklich affirmiert gelten kann, geschieht nicht mehr kraft der Vernunft, „sondern aufgrund kontingenter Erfahrung, in deren unableitbarer Gegebenheit ihr spezifisches [sc. durch Offenbarung ermöglichtes; G.E.] Wissen fundiert ist und die Freiheit des handelnden Gottes sich spiegelt“.30 Folglich verdankt sich die christliche Rede von Gottes Personalität einem Wissen, das aus Gottes freier, durch Selbstbestimmung verfügter Zuwendung stammt. Als affirmativ-positive Rede vollzieht sie sich als auf geschichtlichen Erfahrungen beruhenden Wesens- und Eigenschaftszuschreibungen. Es ist mithin die im Glauben erfahrene Geschichtsmächtigkeit Gottes, die den Begriff der Persönlichkeit Gottes verlangt. Dabei gilt es zu beachten, dass das Geschichtshandeln Gottes, in dem er – in der Gestalt Jesu wie im Heiligen Geist – sein Sein und sein Wesen für uns offenbar gemacht hat, die Aussage verlangt, dass seine Personalität darin besteht, die wechselseitig sich freilassende Liebe der drei Personen Vater, Sohn und Geist zu sein. Diese Aussage aber ist das Resultat einer dogmatischen Ausarbeitung der Lehre von der Personalität Gottes, die in der Trinitätstheologie geschieht.

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