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|61|Liturgical Turn – Gottesrede in einer post-digitalen Welt Johannes Hoff, London

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Das moderne „Zeitalter des Weltbildes“ entsprang der kontraintuitiven Unterstellung, dass sich die „wirkliche Welt“ als eine ontologisch wertneutrale Ansammlung objektiver Fakten beschreiben lasse, die sich durch die methodisch kontrollierte Projektion einer „möglichen Welt“ repräsentieren lasse.1 Von daher die moderne Wertschätzung abgeschirmter Reproduktionsräume und virtueller Realitäten – vom cartesianischen Subjekt, über das klinisch abgedichtete Labor bis hin zum digitalen Computerbildschirm. Selbst romantische oder post-moderne Gegenbewegungen gegen den Repräsentationalismus der Moderne blieben ihm ex negativo verhaftet – als wäre die Alternative zur Fiktion wertneutral digitalisierbarer Fakten schlechterdings unbegreiflich. Von bedeutenden Ausnahmen wie Johann Georg Hamann, Friedrich Schlegel, Søren Kierkegaard, Félix Ravaisson und Charles Péguy abgesehen,2 endete die Dekonstruktion der Fiktion methodisch kontrollierten, wiederholbaren Wissens stets in einer Verbeugung vor einer Variante des kantischen Erhabenen:3 dem ereignishaft „Kontingenten“, dem „grenzenlos Unbestimmbaren“, der „absoluten Indifferenz“, dem „absoluten Geheimnis“, dem „ganz Anderen“ usw.

So oszillierte das moderne „Subjekt“ zwischen der Monotonie identisch wiederholbaren Wissens und der Erhabenheit subjektivistischer (und nicht selten fundamentalistischer)4 Skepsis angesichts des Unbegreiflichen; gefangen zwischen den Polen von I und 0, Ja und Nein, bestimmt und unbestimmt, univoker kataphasis und äquivoker apophasis, ohne dem Gewicht unseres vorwissenschaftlichen Alltagsverstandes Kredit zu gewähren. Bewegen wir uns doch seit jeher im unscharfen, analogen Zwischenraum zwischen Univozität und Äquivozität, Bestimmtem und Unbestimmten, evidenzbasierter Bejahung und skeptischer Verneinung.

Unsere gegen kontraintuitive Übertreibungen allergische Gabe, selbst das zu verstehen, was sich nicht begrifflich formalisieren, digitalisieren oder auf kontrollierte Weise wiederholen lässt, wurde bereits von Thomas von Aquin (1225–1274) als wissenschaftlich |62|fundamental ausgewiesen. Vernunftbegabte Tiere sind in der Lage, die Welt zu erkennen, weil sie diese bewohnen. Wir haben uns mit der begrifflich niemals vollständig penetrierbaren, saturierten Präsenz mehr oder weniger schöner, vollkommener und begehrenswerter Dinge immer schon vertraut gemacht. Folglich beginnt alles Erkennen mit der Treue zu dem, was Thomas durch den lakonischen, und doch alles andere als wertneutralen Begriff „Seiendes“ bezeichnete – oder genauer, durch das lateinische Wort Ens, dessen Bedeutung bei Thomas mit dem zusammenfällt, was die englische Sprache als End (Ende/Ziel/Zweck) bezeichnet. 5

So beginnt der Wille zu erkennen z.B. mit dem Sein einer Rose, deren Wesen ich ohne pragmatisches Verwertungsinteresse rein um des Erkennens willen betrachten kann. Die Vertrautheit mit Ens setzt allen solipsistischen Zweifeln ein Ende, weil es uns eine Welt erschließt, in der jedes Seiende seinen Sinn und Zweck aus sich selbst heraus offenbar werden lässt. Im Prinzip war uns dieses „erkenntnistheoretische“ Fundamentalprinzip bereits bekannt als Adam Eva „erkannte“ (Gen 4.1), und es hat niemals eine realistische Alternative zum Alltagsverstand dieses archetypischen Liebespaars gegeben. Um mit dem Wissensschaftssoziologen Bruno Latour zu sprechen: „Wir sind nie modern gewesen“.6

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