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Paradigma Christologie

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Die Christologie kann zum einen als Versuchsaufbau für einen theologischen Belastungstest der vorausgehenden Überlegungen dienen, zum anderen verbindet sich damit eine Frage an Dieter Henrich zu einem Zug seiner Überlegungen, der sich von den Fluchtlinien bis zu Denken und Selbstsein durchhält und von dem er selbst sagt, dass sich ihm eigentlich innertheologische Debatten anschließen müssten, auf die er gespannt wäre.36

Der Ausgangspunkt für die anvisierten christologischen Folgegedanken lässt sich zunächst so markieren: Schon in den Fluchtlinien ist klar zum Ausdruck gebracht, dass Religionen als Verdichtungen der Selbstdeutung bewussten Lebens zutiefst rationale Wurzeln haben, dass sie aber gleichwohl eine wirkliche Durchdringung und Synthese der gegenläufigen Ausgriffe der Selbstverständigung des Subjekts nicht zu leisten vermögen und darum die Philosophie in die Erfüllung dieser Aufgabe eintreten muss.37 Das schließt für Henrich nicht die Anerkenntnis aus, dass im religiösen Raum der für ihn schlechthin zentrale Gedanke, nämlich dass das Absolute qua unverfüglicher, verborgener Grund einzig aus dem Vollzug bewussten endlichen Lebens gewiss wird und dieses darum als in jenen einbegriffen zu denken ist, bereits in Anspruch genommen ist. Aber eben nur in Anspruch genommen und noch nicht als Gedanken an ihm selbst gefasst!38 Allem voran im Gottesgedanken des Johannesevangeliums und der ihm unmittelbar zugehörigen Rede von der Liebe und vom „Bleiben in ihr“ findet er diesen Gedanken präformiert.39 Anlässlich seiner Marburger Ehrenpromotion spezifizierte Dieter Henrich, dass dieser Denkfigur der Philosophie als Nachfolgerin der Religion nicht ein lineares Ablöseschema zugrunde liegt. Vielmehr soll mit ihr zum Ausdruck gebracht werden, dass dort, wo sich Religion als Verwaltung von Heilsgütern konkretisiere, sie an |95|Codices und eine alles überragende Mittlergestalt gebunden sei sowie ihren Schatz einer Gemeinde exklusiv zusage, dass

„[…] der freigesetzten Subjektivität im Leben der Menschen der mögliche Zugang zur eigentlichen Wahrheit letztlich, dann aber auch ausdrücklich entzogen werden müsse[]“40

und eben darin sei laut Henrich eine Kluft zwischen Religion und Philosophie etabliert, die mit der Hemmung einer durchgreifenden Selbstverständigung der Ersteren einhergeht. Das gelte aber nicht dort, wo Theologie ihr Geschäft ihrerseits religionstheoretisch ansetze, weil dieser Ansatz das Bewusstsein ihrer eigenen Einsichtsgrenzen ausdrücklich einschließe und jener „Verstehensschranke“41, die aus der gewiss weiter bestehenden Spannung zwischen Autonomie und Autorität resultiere, jene Undurchdringlichkeit nehme, die mit der Buchstabengläubigkeit eines exklusivistischen Religionsverständnisses unvermeidbar einhergehe.42 Sehr persönlich bezeugt Henrich in diesem Zusammenhang auch, wie ihn einst die Einsicht, dass in dem johanneischen Jesus-Logion „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ der Akzent nicht auf „Wahrheit“, sondern auf „Ich“ zu setzen sei, in ein heftiges Erschrecken versetzte43, weil für ihn darin exemplarisch die Spannung aufbrach zwischen einem philosophischen Verstehen von Religion und jenem der Vernunft kritisch entgegengesetzten Verständnis, das sich exemplarisch mit den Namen Luthers, Pascals und Karl Barths verbindet.44 An genau diesem neuralgischen Punkt der Christologie aber scheint mir möglich und geboten, die Debatte mit den eigenen Mitteln Henrichs noch etwas weiter voranzutreiben.

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