Читать книгу Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Оноре де'Бальзак, Honoré de Balzac, Balzac - Страница 31

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Das Haus A. Po­pi­not, Rue des Cinq-Dia­mants, hat­te in den zwei Mo­na­ten ein an­de­res Aus­se­hen be­kom­men. Der La­den war frisch ge­stri­chen wor­den. Die neu ge­stri­che­nen Re­ga­le vol­ler Fla­schen muß­ten das Auge je­des Kauf­manns er­freu­en, der einen Blick da­für hat, ob das Ge­schäft gut geht. Der Fuß­bo­den des La­dens lag vol­ler Pack­pa­pier. Im La­ger­raum stan­den klei­ne Ton­nen ver­schie­de­ner Öle, de­ren Be­stel­lung der auf­op­fern­de Gau­diss­art Po­pi­not ver­schafft hat­te. Das Bu­reau und die Kas­se be­fan­den sich über dem vor­de­ren und hin­te­ren Teil des La­dens. Eine alte Kö­chin führ­te für die drei Kom­mis und Po­pi­not die Wirt­schaft. Po­pi­not hielt sich in ei­ner Ecke des La­dens in ei­nem mit Glas­fens­tern ab­ge­trenn­ten Kon­tor auf, mit ei­ner Schür­ze aus Ser­ge mit Über­är­meln aus grü­ner Lein­wand, die Fe­der hin­term Ohr, wenn er nicht in einen Hau­fen von Pa­pie­ren ver­gra­ben war, wie jetzt, als Bi­rot­teau er­schi­en, wäh­rend er ge­ra­de sei­ne Post öff­ne­te, die lau­ter Trat­ten und Be­stel­lun­gen ent­hielt. Auf die Wor­te sei­nes al­len Prin­zi­pals: »Na, mein Jun­ge?« er­hob er den Kopf, schloß sein Kon­tor ab und er­schi­en mit ver­gnüg­tem Ge­sicht, des­sen Na­sen­spit­ze ge­rötet war. Der La­den, des­sen Tür of­fen stand, war nicht ge­heizt.

»Ich fürch­te­te schon, Sie wür­den gar nicht mehr zu mir kom­men«, er­wi­der­te Po­pi­not in re­spekt­vol­lem Tone.

Die Kom­mis tra­ten her­zu, um den großen Par­fü­me­rie­mann, den de­ko­rier­ten Bei­ge­ord­ne­ten, den So­zi­us ih­res Chefs, an­zu­stau­nen. Die­se stum­me Ach­tungs­be­zeu­gung schmei­chel­te dem Par­füm­händ­ler. Bi­rot­teau, bei Kel­lers eben noch so klein, emp­fand das Be­dürf­nis, de­ren Be­neh­men nach­zuah­men; er strei­chel­te sein Kinn, wieg­te sich stolz auf den Fü­ßen und mach­te ei­ni­ge nichts­sa­gen­de Re­dens­ar­ten.

»Na, mein Lie­ber, steht ihr auch zei­tig auf?« frag­te er.

»Nein, denn wir kön­nen manch­mal über­haupt nicht schla­fen ge­hen«, sag­te Po­pi­not; »man darf kei­nen Au­gen­blick nach­las­sen, wenn man Er­folg ha­ben will.«

»Nun, was habe ich ge­sagt? Mein Öl be­deu­tet ein Ver­mö­gen.«

»Ge­wiß, Herr Bi­rot­teau, aber es kommt auch auf die Art der Durch­füh­rung an; ich glau­be, ich habe Ihrem Dia­man­ten die rich­ti­ge Fas­sung ge­ge­ben.«

»Aber zur Sa­che«, sag­te der Par­füm­händ­ler; »wie weit sind wir? Wie steht es mit dem Ge­winn?«

»Nach Ver­lauf ei­nes Mo­nats?« rief Po­pi­not aus. »Wo den­ken Sie hin? Mein Freund Gau­diss­art ist erst fünf­und­zwan­zig Tage un­ter­wegs und hat, ohne mich vor­her zu be­nach­rich­ti­gen, Ex­trapost ge­nom­men. Oh, er op­fert sich für die Sa­che auf. Wir sind auch mei­nem On­kel sehr zu Dank ver­pflich­tet! Die Zei­tun­gen«, sag­te er lei­se zu Bi­rot­teau, »kos­ten uns al­lein zwölf­tau­send Fran­ken.«

»Die Zei­tun­gen? …« frag­te der Bei­ge­ord­ne­te.

»Ha­ben Sie sie denn nicht ge­le­sen?«

»Nein.«

»Dann wis­sen Sie also noch nichts«, sag­te Po­pi­not. »Zwan­zig­tau­send Fran­ken für An­schlä­ge, Bil­der und Druck­sa­chen! … Hun­dert­tau­send Fla­schen ver­kauft! … Aber vor­läu­fig heißt es nur: Op­fer brin­gen. Die Fa­bri­ka­ti­on voll­zieht sich im großen Stil. Wenn Sie ein­mal den Fuß in die Fa­brik ge­setzt hät­ten, wür­den Sie einen klei­nen Nuß­knacker mei­ner Er­fin­dung dort ge­se­hen ha­ben, der nicht ein­ros­ten wird. Ich habe in den letz­ten fünf Ta­gen al­lein für Dro­ge­rie­öle zehn­tau­send Fran­ken für mei­ne Rech­nung aus­ge­ge­ben.«

»Was für ein tüch­ti­ger Kopf«, sag­te Bi­rot­teau und fuhr dem klei­nen Po­pi­not mit der Hand in die Haa­re, als ob Po­pi­not ein klei­ner Jun­ge wäre, »ich habe ihn recht­zei­tig er­kannt.« Meh­re­re Leu­te tra­ten jetzt ein. »Also auf Sonn­tag, wir es­sen bei dei­ner Tan­te Ra­gon«, sag­te Bi­rot­teau und über­ließ Po­pi­not sei­nen Ge­schäf­ten, nach­dem er sich über­zeugt hat­te, daß der Bra­ten, den er ge­ro­chen hat­te, noch nicht tran­chiert war. »Merk­wür­dig! Bin­nen vier­und­zwan­zig Stun­den wird solch ein Kom­mis zum rich­ti­gen Kauf­mann«, dach­te Bi­rot­teau, der über Po­pi­nots Glück­se­lig­keit und stol­zes Auf­tre­ten eben­so er­staunt war, wie über du Til­lets Lu­xus. »An­selm hat ein et­was be­lei­dig­tes Ge­sicht ge­macht, als ich ihm in die Haa­re fuhr, ganz als ob er schon Franz Kel­ler wäre.«

Bi­rot­teau hat­te sich nicht über­legt, daß die Kom­mis zu­sa­hen, und daß der Chef des Hau­ses da­heim sei­ne Wür­de zu wah­ren hat. Hier, wie bei du Til­let, hat­te der gute Mann aus Her­zens­gü­te eine Dumm­heit be­gan­gen und hät­te, weil er, bour­geo­is­mä­ßig aus­ge­drückt, sein wah­res Emp­fin­den nicht un­ter­drücken konn­te, je­den an­dern Men­schen als An­selm be­lei­digt.

Das Sonn­tags­di­ner bei Ra­g­ons soll­te die letz­te Freu­de des neun­zehn Jah­re hin­durch so glück­li­chen Ehe­paars Bi­rot­teau sein, und zwar eine un­ge­trüb­te Freu­de. Ra­gon be­wohn­te in der Rue du Pe­tit-Bour­bon-Saint-Sul­pi­ce, im zwei­ten Stock ei­nes al­ten Hau­ses von an­stän­di­gem Aus­se­hen, alt­mo­di­sche Zim­mer voll Wand­spie­geln mit tan­zen­den Schä­fe­rin­nen im Reif­rock und hüp­fen­den Läm­mern aus der Zeit des acht­zehn­ten Jahr­hun­derts, des­sen erns­te und wür­di­ge Bour­geoi­sie, mit ih­ren alt­frän­ki­schen Sit­ten, ih­rer Ver­eh­rung für den Adel, ih­rer Hin­ge­bung für Thron und Al­tar, durch die Ra­g­ons vor­treff­lich re­prä­sen­tiert wur­de. Die Mö­bel, die Uhren, das Tisch­zeug, das Ta­fel­ge­schirr, al­les mach­te mit sei­nen durch das Al­ter fremd­ar­tig an­mu­ten­den For­men einen pa­tri­ar­cha­li­schen Ein­druck. Im Sa­lon, der mit al­tem Da­mast aus­ge­schla­gen und mit Vor­hän­gen aus imi­tier­tem Bro­kat ver­se­hen war, stan­den alt­mo­di­sche Sitz­ge­le­gen­hei­ten, klei­ne Se­kre­tä­re und ein präch­ti­ges Bild Po­pi­nots, des Schöf­fen von San­cer­re, des Va­ters der Frau Ra­gon, von La­tour ge­malt. Der gute Mann war vor­treff­lich wie­der­ge­ge­ben und strahl­te wie ein Par­ve­nü, der sich in sei­nem Glan­ze sonnt. Zu Hau­se leg­te sich Frau Ra­gon noch einen klei­nen eng­li­schen Hund bei, einen King Charles, der sich vor­züg­lich auf ei­nem klei­nen har­ten Sofa im Ro­ko­ko­stil aus­nahm, das si­cher­lich nie­mals die Rol­le von Cré­bil­lons Sofa ge­spielt hat­te. Au­ßer ih­ren sons­ti­gen Vor­zü­gen zeich­ne­ten sich die Ra­g­ons noch durch die Pfle­ge al­ter Wei­ne, die ihre vol­le Blu­me er­reicht hat­ten, und durch den Be­sitz et­li­cher Li­kö­re der Frau An­foux aus, wel­che Leu­te, die ge­nü­gend ver­bohrt wa­ren, um die schö­ne Frau Ra­gon (hoff­nungs­los, wie man sag­te) zu lie­ben, ihr von den In­seln mit­ge­bracht hat­ten. Ihre klei­nen Di­ners wur­den da­her sehr ge­schätzt! Eine alte Kö­chin, Jea­net­te, diente dem al­ten Ehe­paar mit blin­der Hin­ge­bung; sie wür­de Früch­te ge­stoh­len ha­ben, da­mit sie ihr Ein­ge­mach­tes nicht zu ver­mis­sen brauch­ten! Statt ihre Er­spar­nis­se auf die Spar­kas­se zu brin­gen, spiel­te sie da­mit vor­sich­tig in der Lot­te­rie, in der Hoff­nung, für ihre Herr­schaft ei­nes Ta­ges das große Los zu ge­win­nen. Wenn die Herr­schaft Sonn­tags Gäs­te hat­te, war sie, trotz ih­rer sech­zig Jah­re, gleich­zei­tig in der Kü­che, um die Ge­rich­te zu über­wa­chen, und bei Tisch, um sie zu ser­vie­ren, und ent­wi­ckel­te da­bei eine Be­hen­dig­keit, daß sie, nach dem all­zu oft wie­der­hol­ten Auss­pruch des gu­ten Ra­gon, Fräu­lein Con­tat in ih­rer Rol­le als Su­san­ne in Fi­ga­ros Hoch­zeit noch ei­ni­ge Punk­te vor­ge­ben konn­te.

Die Gäs­te wa­ren der Rich­ter Po­pi­not, der On­kel Pil­ler­ault, An­selm, die drei Bi­rot­te­aus, die drei Ma­ti­fats und der Abbé Loraux. Frau Ma­ti­fat, die neu­lich zum Tanz im Tur­ban er­schie­nen war, trug ein blau­es Sam­met­kleid, di­cke baum­wol­le­ne St­rümp­fe, zie­gen­le­der­ne Schu­he, Hand­schu­he von Gems­le­der, mit grü­nem Plüsch ein­ge­faßt, und einen rosa ge­füt­ter­ten Hut mit Bä­ren­pelz gar­niert. Um fünf Uhr wa­ren alle zehn Per­so­nen an­we­send. Die al­ten Ra­g­ons ba­ten ihre Gäs­te im­mer, pünkt­lich zu sein. Wenn man das ehr­wür­di­ge Ehe­paar ein­lud, wur­de um die glei­che Zeit ge­speist; der Ma­gen von Sieb­zig­jäh­ri­gen ge­wöhnt sich nicht mehr an die neu­en in Mode ge­kom­me­nen Spei­se­zei­ten. Cäsa­ri­ne wuß­te, daß Frau Ra­gon sie ne­ben An­selm set­zen wür­de; alle Frau­en, selbst die Betschwes­tern und die dum­men, ver­ste­hen sich im Punk­te der Lie­be. Die Toch­ter des Par­füm­händ­lers hat­te sich da­her eine Toi­let­te ge­wählt, die Po­pi­not den Kopf ver­dre­hen soll­te. Ihre Mut­ter, die ih­rer­seits nicht ohne schmerz­li­ches Be­dau­ern auf den jun­gen Crot­tat ver­zich­tet hat­te, der in ih­rem Kopf die Rol­le ei­nes Erb­prin­zen spiel­te, half ihr, nicht ohne bit­te­re Ge­dan­ken, beim An­klei­den. Mit müt­ter­li­cher Sorg­falt schob sie das keu­sche Fi­chu et­was her­un­ter, um Cäsa­ri­nes Schul­tern ein we­nig mehr se­hen zu las­sen und den An­satz des Hal­ses zu zei­gen, der be­son­ders reiz­voll war. Die grie­chi­sche Tail­le, von links nach rechts in fünf Fal­ten her­über­ge­nom­men, konn­te sich öff­nen und köst­li­che Run­dun­gen ver­ra­ten. Das ei­sen­grau­far­be­ne Kleid mit grü­nem Be­satz ließ ihre Fi­gur so schlank und voll er­schei­nen, wie noch nie. Die Ohr­rin­ge wa­ren von ge­schmie­de­tem Gold. Die hoch­ge­nom­me­ne Fri­sur à la Chi­noi­se ließ die köst­li­che Fri­sche der Haut, die sich von Adern, in de­nen das reins­te Le­ben auf dem mat­ten Weiß pul­sier­te, ab­hob, dem Bli­cke frei. Kurz, Cäsa­ri­ne sah so ent­zückend aus, daß Frau Ma­ti­fat sich nicht ent­hal­ten konn­te, es zu­zu­ge­ste­hen, ohne zu mer­ken, daß Mut­ter und Toch­ter die Not­wen­dig­keit, den klei­nen Po­pi­not zu be­zau­bern, be­grif­fen hat­ten.

We­der Bi­rot­teau, noch sei­ne Frau, noch Frau Ma­ti­fat – nie­mand stör­te das süße Ge­plau­der, das die bei­den ver­lieb­ten Kin­der lei­se in der Fens­ter­ni­sche, in die der kal­te Wind von drau­ßen hin­ein­drang, un­ter­hiel­ten. Die Un­ter­hal­tung der Äl­te­ren wur­de leb­haf­ter, als der Rich­ter Po­pi­not ein Wort über Ro­gu­ins Flucht fal­len ließ und dar­auf hin­wies, daß dies schon der zwei­te No­tar sei, der sich ei­nes sol­chen Ver­bre­chens schul­dig ge­macht habe, wie es frü­her nie­mals vor­ge­kom­men wäre. Bei dem Wor­te Ro­guin hat­te Frau Ra­gon ih­ren Bru­der auf den Fuß ge­tre­ten, und Pil­ler­ault hat­te dem Rich­ter ein Zei­chen ge­macht, daß er schwei­gen sol­le, in­dem bei­de auf Frau Bi­rot­teau hin­deu­te­ten.

»Ich weiß al­les«, sag­te Kon­stan­ze zu ih­ren Freun­den mit sanf­tem, aber kum­mer­vol­len Tone.

»Wie­viel hat er Ih­nen denn un­ter­schla­gen?« frag­te Frau Ma­ti­fat Bi­rot­teau, der voll Scham den Kopf senk­te. »Wenn man dem Ge­klatsch Glau­ben schen­ken woll­te, wä­ren Sie rui­niert.«

»Er hat­te von mir zwei­hun­dert­tau­send Fran­ken in Hän­den. Was die vier­zig an­langt, die er mir vor­geb­lich von ei­nem sei­ner Kli­en­ten hat lei­hen las­sen, den er auch um sein Geld be­tro­gen hat, so schwebt dar­über ein Pro­zeß.«

»Er wird in die­ser Wo­che ent­schie­den wer­den«, sag­te Po­pi­not. »Ich habe an­ge­nom­men, daß es Ih­nen nicht un­an­ge­nehm wäre, wenn ich Ihre Lage dem Herrn Prä­si­den­ten schil­dern wür­de; er hat an­ge­ord­net, daß der Kam­mer Ro­gu­ins Pa­pie­re vor­ge­legt wer­den sol­len, da­mit sie fest­stel­len kann, seit wel­cher Zeit das Geld des Dar­lehns­ge­bers un­ter­schla­gen war, und die von Der­ville bei­ge­brach­ten Be­weis­stücke prü­fen kann, der sel­ber plai­diert hat, um Ih­nen Kos­ten zu er­spa­ren.«

»Wer­den wir ge­win­nen?« sag­te Frau Bi­rot­teau.

»Das weiß ich nicht«, ant­wor­te­te Po­pi­not. »Ob­gleich ich Mit­glied der Kam­mer bin, bei der die Sa­che an­hän­gig ist, wer­de ich, auch wenn man mich hin­zu­zie­hen woll­te, an der Ver­hand­lung nicht teil­neh­men.«

»Aber kann es denn bei ei­nem so ein­fa­chen Pro­zeß noch einen Zwei­fel ge­ben?« sag­te Pil­ler­ault. »Muß nicht in dem no­ta­ri­el­len Ver­tra­ge die Be­le­gung aus­drück­lich er­wähnt wer­den, und müs­sen die No­ta­re nicht be­schei­ni­gen, daß sie sich von der Über­ga­be des Be­tra­ges durch den Dar­lehns­ge­ber an den Dar­lehns­neh­mer über­zeugt ha­ben? Wäre Ro­guin in den Hän­den der Jus­tiz, so wür­de er ja auf die Ga­lee­ren ge­schickt wer­den.«

»Nach mei­ner An­sicht«, er­wi­der­te der Rich­ter, »kann sich der Dar­lehns­ge­ber nur an den Kauf­preis für Ro­gu­ins No­ta­ri­at und an sei­ne Kau­ti­on hal­ten; aber selbst bei noch kla­re­ren Sa­chen ste­hen manch­mal die Stim­men der Rich­ter des höchs­ten Ge­richts­hofs sechs ge­gen sechs.«

»Wie denn, Fräu­lein Cäsa­ri­ne, Ro­guin ist ge­flo­hen?« sag­te Po­pi­not, der end­lich hör­te, wor­über ge­spro­chen wur­de. »Und Herr Cäsar hat mir nichts da­von er­zählt, mir, von dem er doch weiß, daß ich mein Blut für ihn hin­ge­ben wür­de …«

Cäsa­ri­ne ver­stand, daß in dem Wor­te »für ihn« die gan­ze Fa­mi­lie mit ein­be­grif­fen war, denn wenn das un­schul­di­ge Mäd­chen auch über den Ton noch im Zwei­fel sein konn­te, über sei­nen Blick, der sie mit sei­ner Pur­pur­flam­me über­goß, konn­te sie sich nicht täu­schen.

»Das wuß­te ich und das habe ich ihm auch ge­sagt, aber er hat al­les vor mei­ner Mut­ter ge­heim­ge­hal­ten und sich nur mir an­ver­traut.«

»Sie ha­ben in die­ser Lage mit ihm von mir ge­spro­chen,« sag­te Po­pi­not; »Sie ha­ben in mei­nem Her­zen ge­le­sen, aber ha­ben Sie auch al­les dar­in ge­le­sen?«

»Vi­el­leicht.«

»Ich bin sehr glück­lich«, sag­te Po­pi­not. »Wenn Sie alle Furcht von mir neh­men, dann wer­de ich in ei­nem Jah­re so reich sein, daß Ihr Va­ter es nicht mehr übel auf­neh­men wird, wenn ich mit ihm von un­se­rer Hei­rat rede. Ich wer­de mir kei­ne Nacht mehr als fünf Stun­den Schlaf gön­nen.«

»Daß Sie sich da­mit nur nicht scha­den«, sag­te Cäsa­ri­ne mit un­nach­ahm­li­cher Be­to­nung und warf Po­pi­not einen Blick zu, in dem er all ihr Emp­fin­den le­sen konn­te.

»Lie­be Frau,« sag­te Cäsar, als sie von Tisch auf­stan­den, »ich glau­be, die jun­gen Leu­te lie­ben sich.«

»Um so bes­ser,« sag­te Kon­stan­ze ernst, »dann wird mei­ne Toch­ter die Frau ei­nes klu­gen und ener­gi­schen Man­nes wer­den. Be­ga­bung ist die bes­te Mit­gift, die ein Bräu­ti­gam mit­bringt.«

Sie ver­ließ den Sa­lon schnell und ging in Frau Ra­g­ons Zim­mer. Cäsar hat­te wäh­rend des Es­sens ei­ni­ge Re­dens­ar­ten los­ge­las­sen, über die Pil­ler­ault und der Rich­ter lä­cheln muß­ten, eine sol­che Un­wis­sen­heit ver­rie­ten sie; und die un­glück­li­che Frau emp­fand deut­lich, wie ge­ring die Fä­hig­keit ih­res ar­men Man­nes war, ge­gen das Un­glück an­zu­kämp­fen. Kon­stan­ze konn­te die Trä­nen kaum zu­rück­hal­ten, in­stink­tiv hat­te sie Ver­dacht ge­gen du Til­let, denn alle Müt­ter ken­nen das Ti­meo Dana­os et dona fe­ren­tes, auch ohne la­tei­nisch zu ver­ste­hen. Sie wein­te sich in ih­rer Toch­ter und Frau Ra­g­ons Ar­men aus, ohne den Grund ih­res Kum­mers zu ver­ra­ten.

»Es sind die Ner­ven«, sag­te sie.

Den Rest des Abends ver­brach­ten die Al­ten mit Kar­ten­spiel und die Jun­gen mit je­nen rei­zen­den klei­nen Ge­sell­schaftss­pie­len, die un­schul­di­ge ge­nannt wer­den, weil sich hin­ter un­schul­di­gen Spä­ßen die Lie­bes­an­ge­le­gen­hei­ten der Bour­geoi­sie-Krei­se ver­ste­cken. Die Ma­ti­fats be­tei­lig­ten sich an den Ge­sell­schaftss­pie­len.

»Cäsar,« sag­te Kon­stan­ze, als sie nach Hau­se fuh­ren, »geh schon am ach­ten zu dem Baron von Nu­cin­gen, da­mit du schon vor­her si­cher weißt, daß du den Wech­sel am fünf­zehn­ten ein­lö­sen kannst. Soll­te ir­gend­ein Zwi­schen­fall ein­tre­ten, wie willst du dann von ei­nem Tag zum an­dern Geld auf­trei­ben?«

»Ich gehe hin, mei­ne Lie­be«, ant­wor­te­te Cäsar und drück­te sei­ner Frau und sei­ner Toch­ter die Hand, in­dem er hin­zu­füg­te: »Ach, ihr ar­men Läm­mer, was für ein trau­ri­ges Neu­jahr habe ich euch be­rei­tet!«

In der Dun­kel­heit des Wa­gens fühl­ten die bei­den Frau­en, die das Ge­sicht des ar­men Par­füm­händ­lers nicht un­ter­schei­den konn­ten, wie hei­ße Trä­nen auf ihre Hän­de fie­len.

»Gib die Hoff­nung nicht auf, Lie­ber«, sag­te Kon­stan­ze.

»Al­les wird gut wer­den, Papa, Herr An­selm Po­pi­not hat zu mir ge­sagt, daß er ger­ne sein Blut für dich ver­gie­ßen wür­de.«

»Für mich«, er­wi­der­te Cäsar, »und auch noch für an­de­re Mit­glie­der der Fa­mi­lie, nicht wahr?« füg­te er in hei­te­rem Tone hin­zu.

Cäsa­ri­ne gab ih­rem Va­ter mit ei­nem Hän­de­druck zu ver­ste­hen, daß An­selm ihr Ver­lob­ter war.

Honoré de Balzac – Gesammelte Werke

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