Читать книгу Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Оноре де'Бальзак, Honoré de Balzac, Balzac - Страница 39

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Po­pi­not schick­te zur Bank, um den Scheck ein­zu­kas­sie­ren, und ging hin­auf, um mit Frau Bi­rot­teau zu re­den; aber er fand sie nicht an der Kas­se, sie war si­cher in ih­rem Zim­mer. An­selm und Kon­stan­ze leb­ten zu­sam­men wie eine Schwie­ger­mut­ter mit ih­rem Schwie­ger­sohn, wenn Schwie­ger­mut­ter und Schwie­ger­sohn zu­ein­an­der pas­sen; er be­gab sich da­her in Frau Kon­stan­zes Zim­mer mit dem na­tür­li­chen Un­ge­stüm ei­nes Lie­ben­den, der der Er­fül­lung sei­ner Wün­sche nahe ist. Aber der jun­ge Kauf­mann war aufs äu­ßers­te er­staunt, als er sei­ne zu­künf­ti­ge Schwie­ger­mut­ter, zu der er mit ei­nem Sprun­ge her­ein­ge­kom­men war, beim Le­sen ei­nes Brie­fes du Til­lets an­traf, denn An­selm hat­te die Hand­schrift des ehe­ma­li­gen ers­ten Kom­mis Bi­rot­te­aus er­kannt. Eine an­ge­zün­de­te Ker­ze, die schwar­zen her­um­flie­gen­den Aschen­res­te ver­brann­ter Brie­fe auf dem Fuß­bo­den lie­ßen Po­pi­not er­zit­tern, der mit sei­nen schar­fen Au­gen, ohne es zu wol­len, am An­fang des Brie­fes, den sei­ne Schwie­ger­mut­ter in der Hand hielt, die Wor­te ge­le­sen hat­te:

»Ich bete Sie an! Sie wis­sen es, En­gel mei­nes Le­bens, und warum …«

»Was für Ein­fluß auf du Til­let be­sit­zen Sie denn, daß Sie ihn zum Ab­schluß ei­nes sol­chen Ge­schäf­tes be­we­gen konn­ten?« sag­te er mit ei­nem ge­zwun­ge­nen La­chen, wie es ein un­ter­drück­ter bö­ser Ver­dacht ver­ur­sacht.

»Spre­chen wir nicht da­von«, sag­te sie in furcht­ba­rer Auf­re­gung.

»Ja,« er­wi­der­te Po­pi­not keck, »spre­chen wir lie­ber von dem Ende Ih­rer Lei­den.« An­selm wieg­te sich auf den Fü­ßen, ging zum Fens­ter und trom­mel­te mit den Fin­gern auf die Schei­ben, wäh­rend er auf den Hof hin­ab­sah. »Nun,« sag­te er zu sich, »wenn sie auch du Til­let ge­liebt ha­ben soll­te, warum soll­te ich nicht wie ein Ehren­mann han­deln?«

»Was ist Ih­nen denn, mein Kind?« frag­te die arme Frau.

»Der Rein­ge­winn an dem Hui­le Cé­pha­li­que be­trägt zwei­hun­dertzwei­und­vier­zig­tau­send Fran­ken, die Hälf­te also hun­dert­ein­und­zwan­zig«, sag­te Po­pi­not kurz. »Zie­he ich von die­ser Sum­me die achtund­vier­zig­tau­send Fran­ken ab, die ich Herrn Bi­rot­teau ge­ge­ben habe, dann blei­ben noch drei­und­sech­zig­tau­send, so daß zu­sam­men mit den sech­zig­tau­send Fran­ken für die Ab­tre­tung des Miet­rechts hun­dert­drei­und­drei­ßig­tau­send Fran­ken uns zur Ver­fü­gung ste­hen.«

Frau Kon­stan­ze hör­te ihm mit so angst­vol­ler Freu­de und so hef­ti­gem Zit­tern zu, daß Po­pi­not ihr Herz schla­gen zu hö­ren mein­te.

»Da ich nun stets Herrn Bi­rot­teau als mei­nen So­zi­us an­ge­se­hen habe,« fuhr er fort, »dür­fen wir also über die­se Sum­me zur Be­frie­di­gung der Gläu­bi­ger ver­fü­gen. Und wenn wir dazu noch die acht­und­zwan­zig­tau­send Fran­ken neh­men, die Sie er­spart ha­ben und die On­kel Pil­ler­ault an­ge­legt hat, so ha­ben wir zu­sam­men hun­dert­ein­und­sech­zig­tau­send Fran­ken. Der On­kel wird uns nicht ab­leh­nen, Quit­tung über sei­ne fünf­und­zwan­zig­tau­send Fran­ken aus­zu­stel­len. Und kei­ne Macht der Erde kann mich hin­dern, mei­nem Schwie­ger­va­ter, als Vor­schuß auf den Ge­winn des nächs­ten Jah­res, den für die vol­le Be­zah­lung der Gläu­bi­ger er­for­der­li­chen Be­trag zu lei­hen … Und … so … wird er … re­ha­bi­li­tiert sein.«

»Re­ha­bi­li­tiert!« rief Frau Kon­stan­ze aus und knie­te auf ih­rem Stuh­le nie­der. Sie ließ den Brief fal­len, fal­te­te die Hän­de und be­te­te. »Lie­ber An­selm,« sag­te sie, nach­dem sie sich be­kreu­zigt hat­te, »mein teu­res Kind!« Sie nahm ihn beim Kop­fe, küß­te ihn auf die Stirn, drück­te ihn an ihr Herz und be­nahm sich wie när­risch. »Cäsa­ri­ne ge­hört dir mit Recht, mein Kind wird sehr glück­lich wer­den! Nun wird sie auch das Ge­schäft ver­las­sen kön­nen, wo sie sich tot ar­bei­tet.«

»Aus Lie­be«, sag­te Po­pi­not.

»Ja«, er­wi­der­te die Mut­ter lä­chelnd.

»Ich will Ih­nen ein klei­nes Ge­heim­nis an­ver­trau­en«, sag­te Po­pi­not, der im­mer noch auf den fa­ta­len Brief hin­schiel­te. »Ich habe Cöles­tin eine Bei­hil­fe ge­währt, um ihm den An­kauf Ihres Ge­schäf­tes zu er­leich­tern, aber ich habe eine Be­din­gung dar­an ge­knüpft. Ihre Woh­nung ist noch in dem Zu­stan­de, in dem Sie sie ver­las­sen ha­ben. Ich hat­te da einen Plan, aber ich ahn­te nicht, daß uns der Zu­fall da­bei so zu Hil­fe kom­men wür­de. Cöles­tin hat sich ver­pflich­tet, Ih­nen Ihre alte Woh­nung, in die er kei­nen Fuß ge­setzt hat und de­ren ge­sam­tes Mo­bi­li­ar Ih­nen ge­hört, un­ter­zu­ver­mie­ten. Mir habe ich den zwei­ten Stock re­ser­viert, um dort mit Cäsa­ri­ne zu woh­nen, die Sie nie­mals ver­las­sen soll. Nach un­se­rer Hoch­zeit wer­de ich hier von acht Uhr mor­gens bis sechs Uhr abends ar­bei­ten. Um Ih­nen wie­der ein Ver­mö­gen zu schaf­fen, wer­de ich Herrn Cäsars An­teil für hun­dert­tau­send Fran­ken er­wer­ben, und Sie wer­den so mit sei­nem Ge­halt ein Ein­kom­men von zehn­tau­send Fran­ken ha­ben. Kön­nen Sie nun nicht zu­frie­den sein?«

»Sa­gen Sie mir nichts mehr, An­selm, oder ich wer­de wahn­sin­nig.«

Der en­gel­rei­ne Aus­druck Frau Kon­stan­zes, ihr kla­res Auge, die Un­schuld, die auf ih­rer schö­nen Stirn thron­te, wi­der­leg­ten so deut­lich die tau­send Ge­dan­ken, die sich im Ge­hirn des Lie­ben­den kreuz­ten, daß er sei­nem schreck­li­chen Ver­dacht ein Ende zu ma­chen be­schloß. Ein Fehl­tritt war mit der Le­bens­füh­rung und den Grund­sät­zen von Pil­ler­aults Nich­te un­ver­ein­bar.

»Teu­re, an­ge­be­te­te Mut­ter,« sag­te An­selm, »ge­gen mei­nen Wil­len wird mei­ne See­le von ei­nem schreck­li­chen Ver­dacht ge­pei­nigt. Wenn Sie mich glück­lich ma­chen wol­len, so wer­den Sie ihn so­fort zer­streu­en.« Da­bei hat­te Po­pi­not die Hand aus­ge­streckt und sich des Brie­fes be­mäch­tigt.

»Ohne es zu wol­len,« fuhr er fort, er­schreckt von dem Ent­set­zen, das sich auf Kon­stan­zes Ge­sicht mal­te, »habe ich die ers­ten Wor­te von du Til­lets Brief ge­le­sen. Die­se Wor­te pas­sen so selt­sam zu dem Ein­druck, un­ter dem die­ser Mann mei­ne tol­le For­de­rung so­fort be­wil­ligt hat, daß je­der zu der Aus­le­gung kom­men wür­de, die mir ein bö­ser Geist ge­gen mei­nen Wil­len ein­flüs­ter­te. Ihr Blick und zwei Wor­te ha­ben ge­nügt …«

»Nicht wei­ter«, sag­te Frau Kon­stan­ze, nahm den Brief und ver­brann­te ihn vor An­selms Au­gen. »Lie­bes Kind, ich bin für ein ge­rin­ges Ver­se­hen grau­sam be­straft wor­den. Aber Sie sol­len al­les wis­sen, An­selm. Ich will nicht, daß der Ver­dacht, den die Mut­ter er­regt hat, der Toch­ter scha­den kön­ne, und ich kann dar­über re­den, ohne er­rö­ten zu müs­sen; ich wür­de auch mei­nem Man­ne sa­gen, was ich Ih­nen ge­ste­hen will. Du Til­let hat mich ver­füh­ren wol­len, ich habe es so­fort mei­nem Man­ne mit­ge­teilt und du Til­let wur­de ent­las­sen. Am Tage, an dem ihn mein Mann ver­ab­schie­den woll­te, hat er uns drei­tau­send Fran­ken ge­stoh­len!«

»Das kann ich mir den­ken«, sag­te Po­pi­not mit ei­ner Be­to­nung, in der sein gan­zer Haß zum Aus­druck kam.

»An­selm, Ihre Zu­kunft, Ihr Glück ver­lang­ten die­ses Ge­ständ­nis; aber es muß in Ihrem Her­zen be­gra­ben sein, wie es in mei­nem und Cäsars be­gra­ben war. Sie wer­den sich noch an das ›Zan­ken‹ mei­nes Man­nes we­gen des Kas­se­nirr­tums er­in­nern. Um einen Pro­zeß zu ver­mei­den und die­sen Mann nicht un­glück­lich zu ma­chen, hat Bi­rot­teau zwei­fel­los die drei­tau­send Fran­ken wie­der in die Kas­se ge­tan, das Geld für die­sen Kasch­mir­schal, den ich des­halb erst drei Jah­re spä­ter be­kom­men habe. Da­her mein Aus­ruf. Ach, lie­bes Kind, ich will Ih­nen auch noch mein kin­di­sches Be­neh­men er­klä­ren; du Til­let hat­te mir drei Lie­bes­brie­fe ge­schrie­ben, die ihn so tref­fend kenn­zeich­ne­ten,« seufz­te sie und schlug die Au­gen nie­der, »daß ich sie … als eine Sel­ten­heit auf­be­wahrt habe. Ich habe sie nur ein­mal ge­le­sen. Aber im­mer­hin war es un­klug, sie auf­zu­he­ben. Als ich nun du Til­let jetzt wie­der­sah, muß­te ich an sie den­ken; ich ging hin­auf, um sie zu ver­bren­nen, und be­trach­te­te den letz­ten, als Sie her­ein­tra­ten … das ist al­les, mein Lie­ber.«

An­selm knie­te vor ihr nie­der und küß­te ihre Hand mit ei­nem sol­chen Aus­druck von Ver­eh­rung, daß bei­den die Trä­nen in die Au­gen tra­ten. Sie hob ihn auf, brei­te­te ihre Arme aus und drück­te ihn an ihr Herz.

Die­ser Tag soll­te ein Freu­den­tag für Cäsar wer­den. Der Ge­heim­se­kre­tär des Kö­nigs, Herr von Van­den­es­se, such­te ihn im Bu­reau auf, um mit ihm zu re­den. Sie gin­gen zu­sam­men in den klei­nen Hof der Schul­den­til­gungs­kas­se.

»Herr Bi­rot­teau,« sag­te der Vi­com­te von Van­den­es­se, »Ihre Be­mü­hun­gen, Ihre Gläu­bi­ger zu be­zah­len, sind durch einen Zu­fall zur Kennt­nis des Kö­nigs ge­langt. Sei­ne Ma­je­stät, er­freut über eine so sel­te­ne Hand­lungs­wei­se, hat auch er­fah­ren, daß Sie sich nicht für wür­dig hal­ten, Ihr Kreuz der Ehren­le­gi­on zu tra­gen, und hat mich be­auf­tragt, Ih­nen zu be­feh­len, den Or­den wie­der an­zu­le­gen. Au­ßer­dem wünscht Sei­ne Ma­je­stät Ih­nen die Er­fül­lung Ih­rer Ver­pflich­tun­gen zu er­leich­tern und über­mit­telt Ih­nen die­sen Be­trag aus ih­rer Pri­vatscha­tul­le, wo­bei sie be­dau­ert, nicht mehr für Sie tun zu kön­nen. Dies soll aber tie­fes Ge­heim­nis blei­ben; Sei­ne Ma­je­stät fin­det es ei­nes Kö­nigs nicht wür­dig, sei­ne Wohl­ta­ten öf­fent­lich be­kannt zu ma­chen«, sag­te der Ge­heim­se­kre­tär und über­reich­te dem An­ge­stell­ten sechs­tau­send Fran­ken, der wäh­rend die­ser An­spra­che von un­aus­sprech­li­chen Emp­fin­dun­gen be­wegt wur­de.

Bi­rot­teau ver­moch­te nur un­zu­sam­men­hän­gen­de Wor­te zu stam­meln. Van­den­es­se ver­ab­schie­de­te sich, in­dem er ihm lä­chelnd mit der Hand zu­wink­te. Die Grund­sät­ze, nach de­nen der arme Cäsar han­del­te, sind eine so sel­te­ne Sa­che in Pa­ris, daß sei­ne Le­bens­füh­rung un­merk­lich be­wun­dern­de Auf­merk­sam­keit er­reg­te. Jo­seph Le­bas, der Rich­ter Po­pi­not, Ca­mu­sot, der Abbé Loraux, Ra­gon, der Chef des be­deu­ten­den Hau­ses, in dem Cäsa­ri­ne tä­tig war, Lour­dois, Herr von Bil­lar­diè­re, alle hat­ten da­von er­zählt. Die öf­fent­li­che Mei­nung, die schon zu sei­nen Guns­ten um­ge­schla­gen war, er­hob ihn jetzt in den Him­mel.

»Das ist ein Ehren­mann!« Die­ses Wort hat­te Cäsar schon mehr­mals ver­nom­men, wenn er durch die Stra­ßen ging, und es hat­te die­sel­be Emp­fin­dung bei ihm ver­ur­sacht, die ein Au­tor hat, wenn er sa­gen hört: »Das ist er!« Die­ser gute Ruf war ein töd­li­cher Schlag für du Til­let. Als Cäsar die vom Kö­nig ge­sand­ten Kas­sen­schei­ne emp­fing, war sein ers­ter Ge­dan­ke, sei­nen ehe­ma­li­gen Kom­mis da­mit zu be­zah­len. Er be­gab sich nach der Rue de la Chaus­sée d’An­tin und be­geg­ne­te dem Ban­kier, der ge­ra­de heim­kehr­te, auf der Trep­pe.

»Na, ›mein ar­mer‹ Bi­rot­teau?« sag­te die­ser in gön­ner­haf­tem Tone.

»Ar­mer?« rief der Schuld­ner stolz aus. »Ich hal­te mich für reich. Ich wer­de heu­te abend mein Haupt mit dem stol­zen Be­wußt­sein auf die Kis­sen le­gen, daß ich mei­ne Schuld bei Ih­nen be­zahlt habe.«

Die­se von Ehren­haf­tig­keit dik­tier­ten Wor­te wa­ren ein schmerz­haf­ter Stich für du Til­let. Trotz des all­ge­mei­nen An­se­hens, das er ge­noß, konn­te er selbst sich nicht ach­ten; und eine un­über­hör­ba­re in­ne­re Stim­me rief ihm zu: »Die­ser Mann han­delt er­ha­ben!«

»Sie wol­len mich be­zah­len? Was für gute Ge­schäf­te ha­ben Sie denn ge­macht?«

Über­zeugt, daß du Til­let es nicht wei­ter er­zäh­len wür­de, sag­te der ehe­ma­li­ge Par­füm­händ­ler: »Ich wer­de nie­mals wie­der Ge­schäf­te ma­chen, Herr du Til­let. Kei­ne mensch­li­che Macht konn­te vor­her­se­hen, was mir pas­siert ist. Wer kann wis­sen, ob ich nicht das Op­fer ei­nes an­dern Ro­guin wer­den könn­te? Aber mein Ver­hal­ten ist dem Kö­ni­ge be­kannt ge­wor­den, sein gü­ti­ges Herz hat sich her­ab­ge­las­sen, Mit­leid mit mei­nen An­stren­gun­gen zu ha­ben, und er hat mich dazu wei­ter er­mu­tigt, in­dem er mir so­eben eine ziem­lich be­deu­ten­de Sum­me zu­ge­stellt hat, die …«

»Wün­schen Sie eine Quit­tung?« frag­te du Til­let, ihn un­ter­bre­chend; »wie­viel wol­len Sie zah­len …«

»Al­les ohne Ab­zug, auch die Zin­sen, und des­halb will ich Sie bit­ten, mich zwei Schrit­te von hier zu Herrn Crot­tat zu be­glei­ten.«

»Eine no­ta­ri­el­le Quit­tung?«

»Herr du Til­let,« sag­te Cäsar, »es ist mir doch nicht ver­bo­ten, an mei­ne Re­ha­bi­li­tie­rung zu den­ken, und dazu sind au­then­ti­sche Un­ter­la­gen er­for­der­lich! …«

»Also kom­men Sie schnell,« sag­te du Til­let und ging mit Bi­rot­teau hin­aus, »es sind ja nur ein paar Schrit­te. Aber wo neh­men Sie so­viel Geld her?«

»Ich neh­me es nicht,« sag­te Cäsar, »ich er­ar­bei­te es mir im Schwei­ße mei­nes An­ge­sichts.«

»Sie schul­den aber der Fir­ma Cla­paron eine rie­si­ge Sum­me.«

»Ach ja, das ist mein größ­ter Schuld­be­trag. Ich fürch­te, ich wer­de vor Kum­mer dar­über zu­grun­de ge­hen.«

»Sie wer­den das nie­mals be­zah­len kön­nen« sag­te du Til­let hart.

»Er hat recht«, dach­te Bi­rot­teau.

Als der arme Mann heim­kehr­te, ging er aus Ver­se­hen durch die Rue Saint-Ho­noré, denn er mach­te sonst im­mer einen Um­weg, um nicht sei­nen La­den und die Fens­ter sei­ner frü­he­ren Woh­nung se­hen zu müs­sen. Zum ers­ten­mal seit sei­nem Stur­ze er­blick­te er jetzt die­ses Haus wie­der, in dem acht­zehn glück­li­che Jah­re durch die Nöte drei­er Mo­na­te weg­ge­wischt wor­den wa­ren.

»Dort mei­ne Tage be­schlie­ßen zu kön­nen, hat­te ich so si­cher ge­glaubt«, sag­te er sich. Und er be­schleu­nig­te sei­ne Schrit­te, denn er hat­te das neue Schild ge­le­sen:

Cöles­tin Cre­vel,

Cäsar Bi­rot­te­aus Nach­fol­ger.

»Ich sehe nicht mehr rich­tig, war das nicht Cäsa­ri­ne?« rief er aus, da er einen blon­den Kopf am Fens­ter be­merkt hat­te.

Er hat­te in der Tat sei­ne Toch­ter, sei­ne Frau und Po­pi­not er­blickt. Die Lie­ben­den wuß­ten, daß Bi­rot­teau nie­mals an sei­nem al­ten Hau­se vor­bei­ging. Ah­nungs­los, daß das doch ge­sche­hen kön­ne, wa­ren sie her­ge­kom­men, um ei­ni­ge Vor­be­rei­tun­gen für das Fest, das Cäsar zu­ge­dacht war, zu tref­fen. Die­ser merk­wür­di­ge An­blick setz­te Bi­rot­teau der­ma­ßen in Er­stau­nen, daß er wie an­ge­wur­zelt ste­hen blieb.

»Da sieht sich Herr Bi­rot­teau sein frü­he­res Haus an«, sag­te Herr Mo­li­neux zu dem Kauf­mann, der sein Ge­schäft ge­gen­über der Ro­sen­kö­ni­gin hat­te.

»Der arme Mann«, sag­te der frü­he­re Nach­bar des Par­füm­händ­lers; »da­mals hat er einen der groß­ar­tigs­ten Bäl­le ge­ge­ben … Zwei­hun­dert Wa­gen wa­ren da.«

»Ich war auch da, und drei Mo­na­te spä­ter hat er Kon­kurs ge­macht,« sag­te Mo­li­neux, »ich war ei­ner der Syn­di­ci.«

Bi­rot­teau eil­te mit zit­tern­den Bei­nen wei­ter zu sei­nem On­kel Pil­ler­ault.

Pil­ler­ault, der von dem, was sich in der Rue des Cinq-Dia­mants er­eig­net hat­te, be­nach­rich­tigt war, fürch­te­te, daß sein Nef­fe schwer­lich die Auf­re­gung, die ihm eine sol­che Freu­de wie die sei­ner Re­ha­bi­li­tie­rung ver­ur­sa­chen wür­de, aus­hal­ten könn­te, denn er war täg­lich Zeu­ge des See­len­jam­mers die­ses ar­men Men­schen, der im­mer noch an sei­nen un­beug­sa­men An­schau­un­gen über die Kri­da­re fest­hielt, und an des­sen Kräf­ten je­der Tag zehr­te. Für Cäsar war sei­ne kauf­män­ni­sche Ehre wie eine Lei­che, für die es den Tag ih­rer Au­fer­ste­hung ge­ben konn­te. Die­se Hoff­nung ließ sei­nen Kum­mer nie ein­schla­fen. Pil­ler­ault be­schloß, sei­nen Nef­fen auf die gu­ten Nach­rich­ten lang­sam vor­zu­be­rei­ten. Als Bi­rot­teau bei ihm ein­trat, über­leg­te er ge­ra­de, wie er das be­werk­stel­li­gen könn­te. Es er­schi­en ihm da­her die Freu­de, mit der der An­ge­stell­te von dem In­ter­es­se, das ihm der Kö­nig be­zeugt hat­te, er­zähl­te, ein gu­tes Vor­zei­chen, und das Er­stau­nen über den An­blick Cäsa­ri­nes in der Ro­sen­kö­ni­gin ein vor­treff­li­cher An­laß zu sein, die Sa­che zur Spra­che zu brin­gen.

»Weißt du, wes­halb du sie dort ge­se­hen hast, Cäsar? Weil Po­pi­not mit der Hoch­zeit nicht län­ger war­ten will. Du hast nicht das Recht, um dei­ner über­trie­be­nen An­sich­ten über kauf­män­ni­sche Red­lich­keit wil­len die Ju­gend dei­ner Toch­ter hin­schwin­den zu las­sen bei tro­ckenem Brot mit dem Duft ei­nes gu­ten Di­ners in der Nase. Po­pi­not will dir das Geld zur völ­li­gen Be­zah­lung dei­ner Gläu­bi­ger ge­ben.«

»Er will sich also sei­ne Frau kau­fen«, sag­te Bi­rot­teau.

»Ist das etwa nicht eh­ren­haft ge­han­delt, wenn er sei­nen Schwie­ger­va­ter re­ha­bi­li­tiert se­hen will?«

»Au­ßer­dem wür­de das An­laß zu Dif­fe­ren­zen ge­ben. Üb­ri­gens …«

»Üb­ri­gens«, sag­te der On­kel und stell­te sich zor­nig, »hast du wohl das Recht, dich auf­zu­op­fern, aber nicht dei­ne Toch­ter.«

Es ent­spann sich eine leb­haf­te Dis­kus­si­on, die Pil­ler­ault ab­sicht­lich noch hef­ti­ger ge­stal­te­te.

»So,« rief Pil­ler­ault, »und wenn Po­pi­not dir nichts leiht, son­dern dich als sei­nen So­zi­us an­sieht, wenn er das Geld für dei­ne Gläu­bi­ger als einen Vor­schuß auf dei­nen Ge­winnan­teil be­trach­tet, um dich nicht zu schä­di­gen …«

»So wür­de es aus­se­hen, als ob ich im Ein­ver­ständ­nis mit ihm mei­ne Gläu­bi­ger be­tro­gen hät­te.«

Pil­ler­ault tat jetzt so, als ob er sich durch die­ses Be­den­ken für ge­schla­gen hielt. Er kann­te das mensch­li­che Herz ge­nü­gend, um zu wis­sen, daß der eh­ren­haf­te Mann bei Nacht in be­zug auf die­sen Punkt mit sich selbst kämp­fen, und daß die­ser in­ne­re Streit ihn an den Ge­dan­ken der Re­ha­bi­li­tie­rung ge­wöh­nen wür­de.

»Aber wie­so«, sag­te er, als sie bei Tisch wa­ren, »sind mei­ne Frau und mei­ne Toch­ter in mei­ner al­ten Woh­nung ge­we­sen?«

»An­selm will sie für sich und Cäsa­ri­ne mie­ten. Dei­ne Frau stimmt ihm zu. Sie ha­ben, ohne es dir zu sa­gen, ihr Auf­ge­bot be­stellt, um dei­ne Ein­wil­li­gung zu er­zwin­gen. Po­pi­not be­haup­tet, es wäre sei­ner we­ni­ger wür­dig, wenn er Cäsa­ri­ne erst nach dei­ner Re­ha­bi­li­tie­rung hei­ra­te­te. Die sechs­tau­send Fran­ken vom Kö­ni­ge nimmst du an, aber von dei­ner Fa­mi­lie willst du nichts an­neh­men! Wenn ich dir nun eine Quit­tung ge­ben woll­te, daß ich al­les er­hal­ten habe, wür­dest du das auch ab­leh­nen?«

»Nein,« sag­te Cäsar, »aber das wür­de mich nicht ab­hal­ten, wei­ter zu spa­ren, um Sie, trotz der Quit­tung, zu be­zah­len.«

»Al­les das sind Spitz­fin­dig­kei­ten,« sag­te Pil­ler­ault, »im Punk­te der Ehren­haf­tig­keit den­ke ich doch wohl sel­ber stren­ge ge­nug. Was hast du eben für eine Dumm­heit ge­sagt? Du wür­dest dei­ne Gläu­bi­ger be­trü­gen, wenn du sie voll­stän­dig be­zahl­test?«

Cäsar sah Pil­ler­ault prü­fend an, und Pil­ler­ault war ge­rührt, da er zum ers­ten­mal seit drei Jah­ren ein vol­les Lä­cheln das be­küm­mer­te Ant­litz sei­nes ar­men Nef­fen be­le­ben sah.

»Es ist wahr,« sag­te er, »sie wür­den be­zahlt sein. Aber das heißt doch, mei­ne Toch­ter ver­kau­fen!«

»Und ich will auch er­kauft sein«, rief Cäsa­ri­ne, die mit Po­pi­not her­ein­ge­tre­ten war.

Die bei­den Lie­ben­den hat­ten die letz­ten Wor­te des Ge­sprächs mit an­ge­hört, als sie lei­se, ge­folgt von Frau Bi­rot­teau, durch das Vor­zim­mer der klei­nen Woh­nung des On­kels ge­kom­men wa­ren. Alle drei wa­ren bei den noch zu be­zah­len­den Gläu­bi­gern her­um­ge­fah­ren, um sie auf den Abend zu Alex­an­der Crot­tat zu be­stel­len, wo die Quit­tun­gen vor­be­rei­tet wa­ren. Die kraft­vol­le Lo­gik des ver­lieb­ten Po­pi­not sieg­te über Cäsars Skru­pel, der sich im­mer noch als Schuld­ner be­zeich­ne­te und be­haup­te­te, mit sol­chen neu­en Ge­schich­ten wür­de das Ge­setz um­gan­gen. Und er ließ sei­ne Ge­wis­sens­be­den­ken erst fah­ren, als Po­pi­not aus­rief: »Sie wol­len also Ihre Toch­ter tö­ten?«

»Ich, mei­ne Toch­ter tö­ten?!« sag­te Cäsar per­plex.

»Ich bin doch be­rech­tigt,« sag­te Po­pi­not, »eine Schen­kung un­ter Le­ben­den an Sie in der Höhe des Be­tra­ges zu ma­chen, den Sie nach mei­ner ehr­li­chen Über­zeu­gung bei mir gut ha­ben. Wür­den Sie mir das ab­leh­nen?«

»Nein«, sag­te Cäsar.

»Also dann ge­hen wir heu­te abend zu Alex­an­der Crot­tat, und da­mit das auch gleich er­le­digt wird, wer­den wir gleich­zei­tig un­sern Ehe­kon­trakt dort auf­set­zen las­sen.«

Der An­trag auf Re­ha­bi­li­ta­ti­on und alle dazu er­for­der­li­chen Un­ter­la­gen wur­den von Der­ville dem Ge­ne­ral­staats­an­walt beim Ober­ge­richt un­ter­brei­tet. Wäh­rend des Mo­nats, den die er­for­der­li­chen For­ma­li­tä­ten und das Auf­ge­bot Cäsa­ri­nes und An­selms in An­spruch nah­men, be­fand sich Bi­rot­teau in fie­ber­haf­ter Er­re­gung. Er leb­te in ewi­ger Un­ru­he, er fürch­te­te, den Tag nicht mehr er­le­ben zu kön­nen, an dem das Ur­teil ge­spro­chen wer­den wür­de. Er be­klag­te sich über Herz­klop­fen, ohne daß ein Grund da­für vor­lä­ge, und über dump­fe Schmer­zen in die­sem Or­gan, das von den schmerz­li­chen Auf­re­gun­gen und jetzt von die­ser über­schweng­li­chen Freu­de ab­ge­nutzt und über­an­strengt war. Re­ha­bi­li­ta­ti­ons­ur­tei­le sind bei dem Ober­ge­richt von Pa­ris eine so sel­te­ne Sa­che, daß alle zehn Jah­re kaum eins ge­fällt wird. Für die­je­ni­gen, die die Ge­sell­schafts­ord­nung ernst neh­men, hat das Ge­richts­ver­fah­ren eine ge­wis­se Grö­ße und Be­deu­tung. Die In­sti­tu­tio­nen hän­gen völ­lig von dem Ge­fühl ab, das die Men­schen in be­zug auf sie be­seelt, und von der Be­deu­tung, die sie ih­nen bei­le­gen. Wenn das Volk da­her, wenn schon kei­ne Re­li­gi­on, aber auch kei­nen Glau­ben mehr hat, wenn bei der Er­zie­hung von An­fang an je­des er­hal­ten­de Band ge­löst wird, in­dem man das Kind dar­an ge­wöhnt, al­les rück­sichts­los zu zer­fa­sern, dann be­fin­det sich eine Na­ti­on im Zu­stan­de der Auf­lö­sung, denn sie hängt nur noch durch die ge­mei­ne Fes­sel der ma­te­ri­el­len In­ter­es­sen zu­sam­men und durch die Vor­schrif­ten des Göt­zen­diens­tes, den der wohl­ver­stan­de­ne Ego­is­mus ge­schaf­fen hat. Er­füllt von re­li­gi­ösen An­schau­un­gen, nahm Bi­rot­teau die Jus­tiz als das, was sie in den Au­gen al­ler Men­schen sein soll­te, als die Ver­kör­pe­rung der Ge­sell­schaft selbst, als den er­ha­be­nen Aus­druck des an­er­kann­ten Ge­set­zes, un­ab­hän­gig von der Form, in der sie auf­tritt; je äl­ter, ge­brech­li­cher und weiß­haa­ri­ger der Be­am­te ist, de­sto fei­er­li­cher ist die Aus­übung sei­nes er­ha­be­nen Am­tes, das ein so tief­ge­hen­des Stu­di­um der Men­schen und der Din­ge ver­langt, das das Herz schwei­gen heißt und es ver­här­tet ge­gen jede Berück­sich­ti­gung ir­gend­wel­cher pri­va­ter In­ter­es­sen. Sie wer­den sel­ten, die Men­schen, die nicht ohne Er­re­gung die Trep­pe zum Ober­ge­richts­hof im al­ten Jus­tiz­pa­last hin­auf­stei­gen, aber der ehe­ma­li­ge Kauf­mann war ei­ner von die­sen Men­schen. We­ni­ge ha­ben die ma­je­stä­ti­sche Fei­er­lich­keit die­ser Trep­pe be­ach­tet, die so wir­kungs­voll an­ge­legt ist; sie liegt oben in dem äu­ße­ren Pe­ri­styl, der den Hof ziert, und ihre Tür be­fin­det sich mit­ten in ei­ner Ga­le­rie, die von der rie­si­gen Vor­hal­le bis zur Sain­te-Cha­pel­le führt, den bei­den Mo­nu­men­tal­bau­ten, die al­les ne­ben sich un­be­deu­tend er­schei­nen las­sen. Die Kir­che des hei­li­gen Lud­wig ist eine der im­po­san­tes­ten Bau­lich­kei­ten von Pa­ris, und ihr Zu­gang am Ende die­ser Ga­le­rie hat ge­wis­ser­ma­ßen et­was Düs­te­res und Ro­man­ti­sches. Die große Vor­hal­le da­ge­gen liegt in vol­lem Lich­te da, und es ist schwer, hier nicht an Frank­reichs Ge­schich­te zu den­ken, die mit die­ser Hal­le so eng ver­bun­den ist. Die Trep­pe an sich macht einen gran­dio­sen Ein­druck, weil sie von den bei­den Bau­ten, so ge­wal­tig sie sind, doch nicht er­drückt wird. Auch wird die See­le wohl be­wegt an­ge­sichts des Plat­zes, auf den man durch das Git­ter des Palas­tes blickt, und wo einst die Ur­tei­le voll­zo­gen wur­den. Die Trep­pe mün­det auf einen rie­si­gen Raum, die Vor­hal­le des Saa­l­es, in dem die Sit­zun­gen des obers­ten Ge­richts­hofs ab­ge­hal­ten wer­den. Man kann sich also den­ken, wie er­regt der Kri­dar, auf den die­se Um­ge­bung schon an sich einen ge­wal­ti­gen Ein­druck mach­te, war, als er, um­ge­ben von sei­nen Freun­den, sich zu der Sit­zung hin­auf be­gab; es wa­ren Le­bas, zur Zeit der Prä­si­dent des Han­dels­ge­richts, Ca­mu­sot, sein Kon­kurs­ver­wal­ter, Ra­gon, sein frü­he­rer Prin­zi­pal, und der Abbé Loraux, sein Beicht­va­ter. Eine Be­mer­kung des from­men Pries­ters über die­se welt­li­che Pracht mach­te sie in den Au­gen Cäsars noch ein­drucks­vol­ler. Pil­ler­ault hat­te sich, als prak­ti­scher Phi­lo­soph, vor­ge­nom­men, die Freu­de sei­nes Nef­fen jetzt noch hö­her zu stei­gern, da­mit nach­her die Über­ra­schun­gen des ge­plan­ten Fes­tes nicht zu ge­fähr­lich auf ihn ein­wirk­ten. Des­halb er­schie­nen, als der ehe­ma­li­ge Kauf­mann sich eben an­ge­klei­det hat­te, sei­ne wah­ren Freun­de bei ihm und be­stan­den auf der Ehre, ihn bis zu den Schran­ken des Ge­richts­hofs zu be­glei­ten. Die­ses Ehren­ge­leit be­rei­te­te dem bra­ven Man­ne eine sol­che Be­frie­di­gung, daß er in die er­for­der­li­che be­geis­ter­te Stim­mung ver­setzt wur­de, um dem im­po­san­ten Schau­spiel der Ge­richts­sit­zung ge­wach­sen zu sein. Bi­rot­teau fand auch noch an­de­re Freun­de zu­ge­gen, als er den fei­er­li­chen Sit­zungs­saal be­trat, in dem ein Dut­zend Räte am Ge­richt­s­tisch sa­ßen.

Nach dem Auf­ruf der Sa­che be­grün­de­te Bi­rot­te­aus An­walt mit we­ni­gen Wor­ten sei­nen An­trag. Jetzt er­hob sich der Ge­ne­ral­staats­an­walt, dem der ers­te Prä­si­dent das Wort er­teilt hat­te, um sei­ne Aus­füh­run­gen zu ma­chen. Im Na­men der Staats­an­walt­schaft stell­te er, als Ver­tre­ter der Staats­au­to­ri­tät, selbst den An­trag, Bi­rot­teau sei­ne kauf­män­ni­sche Ehre, die er nur ver­pfän­det hat­te, wie­der zu­zu­spre­chen; das war die ein­zig zu­läs­si­ge For­mel, denn als Ver­ur­teil­ter hät­te er nur be­gna­digt wer­den kön­nen. Wer ein Herz hat, kann sich vor­stel­len, von wel­chen Ge­füh­len Bi­rot­teau be­wegt wur­de, als er Herrn von Grand­ville sei­ne Rede hal­ten hör­te, die kurz fol­gen­des be­sag­te:

»Mei­ne Her­ren Rich­ter,« sag­te der be­rühm­te Be­am­te, »am 16. Ja­nu­ar 1820 wur­de Bi­rot­teau durch Spruch des Sei­ne-Han­dels­ge­richts für in Kon­kurs ge­ra­ten er­klärt. Sein Fal­lis­se­ment ist we­der durch wag­hal­si­ge Ge­schäf­te, noch durch falsche Spe­ku­la­tio­nen, noch durch ir­gend­ei­nen an­dern Grund, der sei­ne Ehre be­fle­cken könn­te, ver­ur­sacht wor­den. Wir emp­fin­den das Be­dürf­nis, öf­fent­lich zu ver­kün­den: sein Un­glück ist ver­an­laßt wor­den durch eine je­ner Übel­ta­ten, die zum schmerz­lichs­ten Be­dau­ern der Jus­tiz und der Stadt Pa­ris im­mer wie­der vor­kom­men. Es ist un­serm Jahr­hun­dert, in dem noch lan­ge die üble Hefe der sitt­li­chen und geis­ti­gen An­schau­un­gen der Re­vo­lu­ti­ons­zeit nach­gä­ren wird, vor­be­hal­ten ge­blie­ben, mit an­zu­se­hen, wie das Pa­ri­ser No­ta­ri­at sich von den glor­rei­chen Tra­di­tio­nen frü­he­rer Jahr­hun­der­te los­löst und in we­ni­gen Jah­ren eben­so vie­le Kon­kur­se auf­weist, wie sich sonst in zwei­hun­dert Jah­ren un­ter der al­ten Mon­ar­chie er­eig­net ha­ben. Die Gier nach schnell er­wor­be­nem Reich­tum hat auch die öf­fent­li­chen Funk­tio­näre er­grif­fen, die­se Hü­ter des all­ge­mei­nen Wohl­stan­des, die­se mit­tel­ba­ren Be­am­ten!«

Honoré de Balzac – Gesammelte Werke

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