Читать книгу Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Оноре де'Бальзак, Honoré de Balzac, Balzac - Страница 40

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Es folg­te nun eine brei­te Aus­füh­rung über die­sen Ge­gen­stand, wo­bei der Graf von Grand­ville, sei­ner Rol­le ent­spre­chend, Ge­le­gen­heit fand, die Li­be­ra­len, die Bo­na­par­tis­ten und an­de­re Geg­ner des Kö­nigs­hau­ses zu be­schul­di­gen. Die Er­eig­nis­se der Fol­ge­zeit ha­ben be­wie­sen, daß die­ser Be­am­te mit sei­nen Be­fürch­tun­gen recht be­hal­ten hat.

»Die Flucht ei­nes Pa­ri­ser No­tars, der die von Bi­rot­teau bei ihm hin­ter­leg­ten Wer­te un­ter­schla­gen hat,« fuhr er fort, »hat den Ruin des An­trag­stel­lers ent­schie­den. In die­ser Sa­che hat der Ge­richts­hof ein Ur­teil ge­fällt, aus dem er­sicht­lich ist, in wel­chem Gra­de das Ver­trau­en der Kli­en­ten Ro­gu­ins in un­wür­di­ger Wei­se miß­braucht wor­den ist. Es kam nun ein Ver­gleich zu­stan­de. Zur Ehre des An­trag­stel­lers muß hier­zu be­merkt wer­den, daß sein Ver­hal­ten hier­bei von ei­ner rüh­mens­wer­ten Lau­ter­keit ge­we­sen ist, wie man ihr bei kei­nem der skan­da­lö­sen Kon­kur­se, durch die die Pa­ri­ser Han­dels­welt täg­lich ge­schä­digt wird, be­geg­net ist. Die Gläu­bi­ger Bi­rot­te­aus fan­den auch die ge­rings­te Habe des Un­glück­li­chen zu ih­rer Ver­fü­gung vor: sei­ne Klei­der, mei­ne Her­ren Rich­ter, sei­ne Schmuck­sa­chen, Din­ge des täg­li­chen Ge­brauchs, und zwar nicht nur die sei­ni­gen, son­dern auch die sei­ner Frau, die auch auf alle ihre Rech­te zu­guns­ten der Kon­kurs­mas­se ver­zich­te­te. Da­mit hat sich Bi­rot­teau des An­se­hens, das ihm sein städ­ti­sches Ehren­amt ein­ge­tra­gen hat­te, wür­dig er­wie­sen; er war da­mals Bei­ge­ord­ne­ter des Bür­ger­meis­ters im zwei­ten Be­zirk und hat­te eben das Kreuz der Ehren­le­gi­on er­hal­ten, das ihm eben­so­sehr we­gen sei­ner roya­lis­ti­schen Hin­ge­bung, mit der er im Ven­dé­mi­aire auf den Stu­fen von Saint-Roch ge­kämpft hat­te, die mit sei­nem Blu­te ge­rötet wur­den, wie für sei­ne Tä­tig­keit als Han­dels­rich­ter, in der er we­gen sei­nes kla­ren Ur­teils ge­schätzt und we­gen sei­ner ver­mit­teln­den Hilfs­be­reit­schaft ver­ehrt wur­de, und sei­ner Stel­lung als be­schei­de­ner städ­ti­scher Be­am­ter, der die Ehre, Bür­ger­meis­ter zu wer­den, ab­ge­lehnt und hier­für auf einen Wür­di­ge­ren, den ver­ehr­ten Herrn von Bil­lar­diè­re, einen der edels­ten Ven­déer, hin­ge­wie­sen hat, den er in den schlim­men Ta­gen schät­zen ge­lernt hat­te.«

»Die­se Wen­dung ist schö­ner als mei­ne«, sag­te Cäsar lei­se zu sei­nem On­kel.

»Da die Gläu­bi­ger in­fol­ge des loya­len Ver­hal­tens die­ses Kauf­manns, sei­ner Frau und sei­ner Toch­ter, die ihre gan­ze Habe her­ge­ge­ben hat­ten, eine Di­vi­den­de von sech­zig Pro­zent auf ihre For­de­run­gen er­hiel­ten, un­ter­zeich­ne­ten sie den Ver­gleich un­ter Be­to­nung ih­rer Hochach­tung für den Schuld­ner und ver­zich­te­ten auf den Rest ih­rer An­sprü­che. Ich len­ke die Auf­merk­sam­keit des Ge­richts­hofs auf den Text die­ses Ver­gleichs hin.«

Hier ver­las der Ge­ne­ral­staats­an­walt die be­tref­fen­de Stel­le des Ver­gleichs.

»An­ge­sichts ei­ner so wohl­wol­len­den Stel­lung­nah­me, mei­ne Her­ren Rich­ter, wür­den vie­le Kauf­leu­te sich ih­rer Ver­pflich­tun­gen für ent­ho­ben an­ge­se­hen ha­ben und stol­zen Haup­tes wie­der in der Öf­fent­lich­keit er­schie­nen sein. Weit ent­fernt hier­von, be­schloß Bi­rot­teau, ohne sich ent­mu­ti­gen zu las­sen, sich den glor­rei­chen Tag, der heu­te zu sei­nem Ruh­me er­schie­nen ist, zu er­obern. Und da­von hat er sich durch nichts ab­schre­cken las­sen. Von un­serm viel­ge­lieb­ten Mon­ar­chen wur­de ihm eine Stel­lung ge­ge­ben, da­mit der bei Saint Roch Ver­wun­de­te sein Brot hät­te; die­ser aber be­wahr­te sein Ge­halt für sei­ne Gläu­bi­ger auf und ver­brauch­te nichts da­von für sei­nen Un­ter­halt, denn die hin­ge­ben­de Für­sor­ge sei­ner Fa­mi­lie stand ihm zur Sei­te …«

Hier drück­te Bi­rot­teau wei­nend sei­nem On­kel die Hand.

»Auch sei­ne Frau und sei­ne Toch­ter leg­ten den Er­trag ih­rer Ar­beit in die ge­mein­sa­me Spar­büch­se, denn sie teil­ten Bi­rot­te­aus edle Grund­sät­ze. Bei­de ent­sag­ten ih­rer Stel­lung, um eine nied­ri­ge­re an­zu­neh­men. Sol­che Op­fer, mei­ne Her­ren Rich­ter, ver­die­nen laut ge­rühmt zu wer­den, denn sie sind am schwers­ten von al­len zu brin­gen. Fol­gen­de Auf­ga­be hat­te sich Bi­rot­teau ge­stellt.«

Der Ge­ne­ral­staats­an­walt ver­las nun die Kon­kur­sta­bel­le und be­nann­te die noch ge­schul­de­ten Be­trä­ge und die Na­men der Gläu­bi­ger.

»Ein je­der die­ser Schuld­be­trä­ge ist be­zahlt wor­den und zwar mit Zin­sen, mei­ne Her­ren Rich­ter, und nicht etwa ge­gen ein­fa­che Quit­tun­gen, die eine stren­ge Nach­prü­fung er­for­dern, son­dern ge­gen au­then­ti­sche Quit­tun­gen, die der ge­wis­sen­haf­tes­ten rich­ter­li­chen Prü­fung stand­hal­ten, und die amt­lich in der ge­setz­lich vor­ge­schrie­be­nen Form als rich­tig be­fun­den wor­den sind. Sie wer­den Bi­rot­teau nicht sei­ne Ehre, aber die Rech­te, de­ren er sich be­raubt sah, wie­der zu­spre­chen und Sie wer­den da­mit ein ge­rech­tes Ur­teil fäl­len. Ein sol­cher Fall un­ter­liegt so sel­ten Ih­rer Prü­fung, daß wir nicht un­ter­las­sen kön­nen, dem An­trag­stel­ler aus­zu­spre­chen, wie freu­dig wir ein sol­ches Ver­hal­ten be­grü­ßen, das schon durch al­ler­höchs­te Gunst er­mu­tigt wor­den ist.« Dann stell­te er sei­ne for­mel­len An­trä­ge im üb­li­chen Ge­richts­s­til.

Der Ge­richts­hof faß­te sei­nen Be­schluß, ohne sich zur Be­ra­tung zu­rück­zu­zie­hen, und der Prä­si­dent er­hob sich, um das Ur­teil zu ver­kün­den. »Der Ge­richts­hof«, sag­te er zum Schlus­se, »hat mich be­auf­tragt, Bi­rot­teau sei­ne Ge­nug­tu­ung dar­über aus­zu­spre­chen, daß er ein sol­ches Ur­teil fäl­len konn­te. Ge­richts­die­ner, die nächs­te Sa­che.«

Bi­rot­teau, den die Re­de­wen­dun­gen des be­rühm­ten Ge­ne­ral­staats­an­walts wie mit ei­nem Ehren­klei­de um­hüllt hat­ten, war vor Freu­de wie zer­bro­chen, als er den fei­er­li­chen Ur­teilss­pruch aus dem Mun­de des ers­ten Prä­si­den­ten des höchs­ten fran­zö­si­schen Ge­richts­ho­fes ver­nahm, der zeig­te, daß auch die un­er­schüt­ter­li­che Recht­spre­chung ein mensch­li­ches Emp­fin­den kann­te. Er ver­moch­te sei­nen Platz an den Schran­ken nicht zu ver­las­sen, er stand wie an­ge­na­gelt da und starr­te be­we­gungs­los die Rich­ter an, als sei­en es En­gel, die ihm die Tore zu der mensch­li­chen Ge­sell­schaft wie­der ge­öff­net hat­ten; der On­kel nahm ihn beim Arm und zog ihn mit sich fort in die Vor­hal­le. Jetzt steck­te sich Cäsar, der der Wei­sung Lud­wigs XVIII. nicht Fol­ge ge­leis­tet hat­te, me­cha­nisch das Band der Ehren­le­gi­on ins Knopf­loch und wur­de so­gleich von sei­nen Freun­den um­ringt und im Tri­umph in den Wa­gen ge­tra­gen.

»Wo­hin wollt ihr mich denn brin­gen, lie­be Freun­de?« sag­te er zu Jo­seph Le­bas, Pil­ler­ault und Ra­gon.

»Nach Hau­se.«

»Nein, es ist drei Uhr, ich will von mei­nen Rech­ten wie­der Ge­brauch ma­chen und zur Bör­se ge­hen.«

»Zur Bör­se«, rief Pil­ler­ault dem Kut­scher zu und gab Le­bas einen deut­li­chen Wink, denn er hat­te bei dem Re­ha­bi­li­tier­ten be­un­ru­hi­gen­de Sym­pto­me wahr­ge­nom­men und fürch­te­te, daß er von Sin­nen kom­men könn­te.

Der ehe­ma­li­ge Par­füm­händ­ler be­trat nun den Bör­sen­saal am Arme sei­nes On­kels und Le­bas’, der bei­den an­ge­se­he­nen Kauf­leu­te. Sei­ne Re­ha­bi­li­tie­rung war schon be­kannt ge­wor­den. Die ers­te Per­son, die die drei Kauf­leu­te, de­nen Ra­gon folg­te, be­merk­te, war du Til­let.

»Ah, mein ver­ehr­ter Prin­zi­pal, ich bin ent­zückt, zu se­hen, daß Sie sich her­aus­ge­zo­gen ha­ben. Und ich habe wohl durch die Be­reit­wil­lig­keit, mit der ich mich von dem klei­nen Po­pi­not habe rup­fen las­sen, zu die­sem er­freu­li­chen Ende Ih­rer Sor­gen bei­ge­tra­gen. Ich freue mich über die­se glück­li­che Lö­sung eben­so, als ob sie mich selbst be­trä­fe.«

»Das kann auch nicht gut an­ders sein,« sag­te Pil­ler­ault, »Ih­nen wäre so et­was nie pas­siert.«

»Wie soll ich das ver­ste­hen, Herr Pil­ler­ault?« frag­te du Til­let.

»Im gu­ten Sin­ne«, sag­te Le­bas und lä­chel­te über die ver­gel­ten­de Bos­heit Pil­ler­aults, der, ohne et­was Nä­he­res zu wis­sen, die­sen Men­schen für einen Bö­se­wicht hielt.

Jetzt be­merk­te Ma­ti­fat Cäsar. So­gleich um­ring­ten die nam­haf­tes­ten Kauf­leu­te den frü­he­ren Par­füm­händ­ler und die Bör­se brach­te ihm eine Ova­ti­on dar; er emp­fing die schmei­chel­haf­tes­ten Glück­wün­sche und Hän­de­drücke, die viel Neid er­reg­ten und auch bei man­chem Ge­wis­sens­bis­se er­weck­ten, denn von hun­dert An­we­sen­den hat­ten mehr als fünf­zig schon ein­mal li­qui­diert. Gi­gon­net und Gob­seck, die sich in ei­ner Ecke un­ter­hiel­ten, be­trach­te­ten den tu­gend­haf­ten Par­füm­händ­ler mit Au­gen, wie Phy­si­ker den ers­ten elek­tri­schen Zit­ter­aal, der ih­nen ge­bracht wur­de, be­trach­tet ha­ben müs­sen. Die­ser Fisch, der mit Elek­tri­zi­tät wie eine Ley­de­ner Fla­sche ge­la­den ist, wird als die merk­wür­digs­te Er­schei­nung des Tier­reichs an­ge­se­hen. Nach­dem er den Weih­rauch sei­nes Tri­um­phes ge­nü­gend aus­ge­kos­tet hat­te, stieg Cäsar wie­der in den Wa­gen, um in sein Haus zu­rück­zu­keh­ren, wo der Ehe­ver­trag sei­ner ge­lieb­ten Cäsa­ri­ne und des ge­treu­en Po­pi­not un­ter­zeich­net wer­den soll­te. Ein ner­vö­ses La­chen, das ihn be­fal­len hat­te, be­un­ru­hig­te sei­ne drei al­ten Freun­de. Es ist ein Feh­ler der Ju­gend, zu glau­ben, je­der­mann er­freue sich der­sel­ben Kraft wie sie, ein Feh­ler, der aber aus ih­ren Vor­zü­gen ent­springt; statt Men­schen und Din­ge durch eine schar­fe Bril­le zu se­hen, sieht sie sie, un­ter dem Re­flex ih­rer ei­ge­nen Glut, ro­sig ge­färbt, und möch­te ihre über­schäu­men­de Le­bens­lust auch den al­ten Leu­ten mit­tei­len. Wie Cäsar und Kon­stan­ze, so hat­te auch Po­pi­not das präch­ti­ge Bild des von Bi­rot­teau ge­ge­be­nen Bal­les in sei­nem Ge­dächt­nis be­wahrt. Wäh­rend ih­rer drei Prü­fungs­jah­re hat­ten Kon­stan­ze und Cäsar, ohne es sich zu ge­ste­hen, Col­li­nets Or­che­s­ter­mu­sik oft in den Ohren ge­habt, sie hat­ten die glän­zen­de Ge­sell­schaft wie­der vor sich ge­se­hen und das so grau­sam be­straf­te freu­di­ge Ge­fühl emp­fun­den, eben­so wie Adam und Eva zu­wei­len an die ver­bo­te­ne Frucht zu­rück­den­ken muß­ten, die ih­rer gan­zen Nach­kom­men­schaft den Tod und das Le­ben ge­bracht hat, denn die Neu­er­schaf­fung von En­geln scheint ein gött­li­ches Ge­heim­nis zu sein. Aber Po­pi­not konn­te an die­ses Fest ohne Ge­wis­sens­bis­se und mit Ent­zücken zu­rück­den­ken; Cäsa­ri­ne hat­te sich da­mals in all ih­rem Glan­ze ihm, dem ar­men Jun­gen, zu­ge­sagt. An die­sem Abend hat­te er die Ge­wiß­heit er­langt, um sei­ner selbst wil­len ge­liebt zu wer­den! Als er da­her die von Grin­dot ein­ge­rich­te­te Woh­nung für Cöles­tin er­wor­ben hat­te mit der Be­din­gung, daß al­les dar­in un­be­rührt blei­ben müs­se, als er auch die ge­rings­te Klei­nig­keit, die Cäsar und Kon­stan­ze ge­hört hat­te, wie ein Hei­lig­tum auf­be­wahr­te, hat­te er im­mer da­von ge­träumt, auch sei­nen Ball zu ge­ben, ein Hoch­zeits­ball­fest. Er hat­te die­ses Fest mit Lie­be vor­be­rei­tet, aber da­bei sei­nen Prin­zi­pal nur in den not­wen­di­gen, nicht in sei­nen un­sin­ni­gen Aus­ga­ben nach­ge­ahmt; die un­sin­ni­gen wa­ren ja be­reits ge­macht wor­den. So soll­te das Di­ner von Che­vet ge­lie­fert wer­den und die Gäs­te un­ge­fähr die­sel­ben sein. Der Abbé Loraux trat an die Stel­le des Groß­kanz­lers der Ehren­le­gi­on, auch der Prä­si­dent des Han­dels­ge­richts, Le­bas, fehl­te nicht. Po­pi­not hat­te auch Herrn Ca­mu­sot ein­ge­la­den, um sich für die Rück­sicht, die er Bi­rot­teau er­wie­sen hat­te, er­kennt­lich zu zei­gen. Die Her­ren von Van­den­es­se und von Fon­taine ka­men an Stel­le Ro­gu­ins und sei­ner Frau. Cäsa­ri­ne und Po­pi­not hat­ten in be­zug auf die Bal­lein­la­dun­gen eine sorg­fäl­ti­ge Aus­wahl ge­trof­fen. Bei­de scheu­ten sich in glei­cher Wei­se vor der Öf­fent­lich­keit bei der Hoch­zeits­fei­er selbst; sie hat­ten sich des­halb die­ses für zart­füh­len­de, rei­ne Her­zen pein­li­che Ge­fühl er­spart und den Ball für den Tag der Un­ter­zeich­nung des Ehe­ver­tra­ges an­ge­setzt. Kon­stan­ze hat­te ihr kirsch­ro­tes Kleid vor­ge­fun­den, in dem sie ein ein­zi­ges Mal in, ach so flüch­ti­gem Glan­ze er­schie­nen war! Cäsa­ri­ne hat­te Po­pi­not die Über­ra­schung be­rei­tet, sich wie­der in der Ball­toi­let­te zu zei­gen, von der er im­mer und im­mer wie­der mit ihr ge­spro­chen hat­te. So soll­te Bi­rot­teau in sei­ner Woh­nung das be­zau­bern­de Schau­spiel wie­der vor sich se­hen, das er nur an ei­nem ein­zi­gen Abend ge­nos­sen hat­te. We­der Kon­stan­ze, noch Cäsa­ri­ne, noch An­selm hat­ten eine Ah­nung da­von, daß die­se Rie­sen­über­ra­schung Cäsar ge­fähr­lich wer­den könn­te, und sie er­war­te­ten ihn um vier Uhr mit ei­ner Freu­de, die sie Kin­de­rei­en trei­ben ließ.

Nach der un­aus­sprech­li­chen Er­re­gung, die ihm die Rück­kehr zur Bör­se ver­ur­sacht hat­te, soll­te die­ser Held der kauf­män­ni­schen Red­lich­keit noch die Über­ra­schung er­tra­gen, die ihn in der Rue Saint-Ho­noré er­war­te­te. Als er sein al­tes Haus be­trat und am Fuße der Trep­pe, die un­be­rührt ge­blie­ben war, sei­ne Frau in ih­rem kirsch­ro­ten Sam­met­klei­de, Cäsa­ri­ne, den Gra­fen von Fon­taine, den Vi­com­te von Van­den­es­se, den Baron von La Bil­lar­diè­re, den be­rühm­ten Vau­que­lin er­blick­te, da brei­te­te sich ein leich­ter Schlei­er über sei­ne Au­gen, und der On­kel Pil­ler­ault, der ihm den Arm reich­te, fühl­te, wie er er­zit­ter­te.

»Das ist zu viel,« sag­te der Phi­lo­soph zu dem ver­lieb­ten An­selm, »er wird so­viel Wein, wie du ihm ein­schenkst, nicht ver­tra­gen kön­nen.«

Die Freu­de war eine so all­ge­mei­ne, daß alle die Er­re­gung Cäsars und sein Schwei­gen der na­tür­li­chen Freu­de­trun­ken­heit zu­schrie­ben, die aber nicht sel­ten töd­lich wer­den kann. Als er sich in sei­nem al­ten Heim wie­der­fand, als er den Sa­lon, die Gäs­te, die fest­lich in Ball­toi­let­te er­schie­ne­nen Da­men wie­der­sah, da rausch­te plötz­lich das he­ro­i­sche Schluß­mo­tiv der großen Beetho­ven­schen Sym­pho­nie ihm durch Kopf und Herz. Die himm­li­sche Mu­sik er­tön­te mit ih­rem strah­len­den Glan­ze, ju­bel­te in al­len Über­gän­gen und ließ ihre Trom­pe­ten­klän­ge in al­len Win­dun­gen die­ses über­mü­de­ten Ge­hirns wi­der­hal­len, für das sie das große Fina­le be­deu­ten soll­te.

Über­wäl­tigt von die­sem in­ne­ren Mu­si­krau­schen, faß­te er den Arm sei­ner Frau und sag­te lei­se mit von ei­nem zu­rück­ge­hal­te­nen Blutstrom er­stick­ter Stim­me: »Mir ist nicht wohl!«

Die er­schreck­te Kon­stan­ze führ­te ih­ren Mann in ihr Zim­mer, bis zu dem er müh­sam ge­lang­te; hier sank er in einen Ses­sel und sag­te:

»Herrn Hau­dry, Herrn Loraux!«

Der Abbé Loraux er­schi­en, ge­folgt von den Gäs­ten und den Da­men in Ball­toi­let­te, die alle ste­hen blie­ben und eine ent­setz­te Grup­pe bil­de­ten. An­ge­sichts die­ser Fest­ge­sell­schaft drück­te Cäsar sei­nem Beicht­va­ter die Hand und neig­te das Haupt auf die Brust sei­ner vor ihm kni­en­den Frau. Ein Ge­fäß war ihm in der Brust ge­sprun­gen und eine Aor­ta­geschwulst er­stick­te sein letz­tes At­men.

»Hier stirbt ein Ge­rech­ter«, sag­te der Abbé Loraux in erns­tem Tone und wies auf Cäsar mit je­ner gött­li­chen Ge­bär­de hin, wie sie Rem­brandt auf sei­nem Ge­mäl­de »Die Au­fer­we­ckung des La­za­rus durch Chris­tus« wie­der­zu­ge­ben ver­mocht hat. Je­sus heißt hier die Erde, ihre Beu­te zu­rück­ge­ben, der from­me Pries­ter zeig­te dem Him­mel einen Mär­ty­rer der kauf­män­ni­schen Red­lich­keit, da­mit er ihn mit der ewi­gen Pal­me krö­ne.

Honoré de Balzac – Gesammelte Werke

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