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Lehrjahre bei den Ruhr Nachrichten

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Meine journalistische Laufbahn nahm indes konkretere Züge an. Der Chefredakteur, Klassenkamerad und Freund Thomas Felder arbeitete seit geraumer Zeit als freier Mitarbeiter bei der Gladbecker Lokalredaktion der Ruhr Nachrichten. Die RN spielten eher eine untergeordnete Rolle im Verhältnis zur auflagenstarken WAZ. Aber die redaktionelle Truppe bei den Ruhr Nachrichten war einfach nett.

Auf Vermittlung von Thomas Felder lernte ich die RN-Redakteure kennen. Otto Holzer, lokaler Sportchef, bot mir eine Probereportage an. Er wählte die Partie Wacker Gladbeck gegen Hansa (Gelsenkirchen-) Scholven aus. Kreisliga oder Kreisklasse, wie es damals hieß.

Ich schaute mir die Partie vor Ort an. Alles lief normal. Ich fuhr mit meinem Mofa in die Redaktion und setzte mich an die Schreibmaschine. Computer gab es noch nicht. Erst mal hatte ich eine Sperre, so ungefähr wie bei den Klassenarbeiten. Statt Tastaturgeklimper herrschte erst mal Stille.

Endlich stand der erste Satz. Ein schlechter Einstieg, aber ein Einstieg. Und dann haute ich binnen kürzester Zeit einen Text mit 30 Zeilen à 28 oder 32 Anschlägen raus, in dem sich eine Plattitüde an die nächste reihte. Hätte es ein textbezogenes Phrasenschwein gegeben, es hätte reichlich Futter bekommen.

Stolz wie Oskar überreichte ich das „Werk“ dem Chef. Der ließ es ohne Änderungen abdrucken. Und fand auch ein lobendes Wörtchen für mich. Wohl nicht ernst gemeint, eher ein Motivations-Löbchen. Aber so blieb ich am Ball, bekam einen auf einem Briefumschlag geschriebenen Mitarbeiterausweis. Ich war jetzt freier Redakteur der Ruhr Nachrichten! Die Sportplätze in den Gladbecker Ortsteilen Rentfort, Zweckel und Brauck waren fortan meine journalistischen Tummelplätze. Und die Plattitüden wurden Woche für Woche weniger.

Otto Holzer, ausgezeichnet mit einem großartigen, aber für einen jungen Burschen manchmal auch höchst derben Humor, ließ mich einige Mal auch abblitzen. Übergab ich ihm das Manuskript, zog er es, ohne es anzuschauen, durch die Furche seines Hinterteils und stopfte es in den Papierkorb. Oh Schreck! Es war aber nur Spaß, und er lachte sich über mein entsetztes Gesicht kaputt. Und natürlich holte er den Text wieder raus und veröffentlichte ihn dann.

Otto Holzer war ein Unikum. Wenn der Chefredakteur zwei Räume weiter lautstark rief, um zu fragen, wie viel Platz er denn für die morgige Ausgabe benötige („Otto, watt machse morgen?“), hallte es erst mal standardmäßig zurück: „Nix.“

Mir bereitete die Arbeit gerade sonntags sehr viel Spaß. Die meisten Spiele wurden unter Stress „reintelefoniert“. Das heißt, man hatte bei jedem Verein einen Kontaktmann, der nach Abpfiff das Geschehen schilderte und auf den man angewiesen war. Das Problem: Der Informant befand sich in der Regel im Vereinsheim.

Da war oftmals schon das ein oder andere Bierchen geflossen, sodass es ratsam war, nach dem Spiel zeitnah anzurufen. Wenn man – aus welchen Gründen auch immer – den Informanten erst später erreichte, konnte es passieren, dass man aus einer mehr oder weniger unverständlichen Aneinanderreihung von Vokalen einen Spielbericht formen musste. Es gab auch Spiele, zu denen niemand erreichbar war und man über ein ungesehenes 0:0-Unentschieden 40 Zeilen schreiben musste. Otto Holzer und ich verstanden uns gut. Irgendwann fragte mich die Lokalchefin der WAZ, Heidi Weirauch, ob ich nicht Lust hätte, für ihre Zeitung zu schreiben. Das Angebot schmeichelte mir. Aber ich empfand Loyalität gegenüber dem Ruhr-Nachrichten-Team, das mir auch menschlich ans Herz gewachsen war. Die Lösung des Problems: Ich blieb den Ruhr Nachrichten als Sportredakteur erhalten und schrieb für die WAZ im lokalen Teil über Karnickelzüchter und Taubenfreunde.

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