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Erster Kuss, erste Freundin

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Für Mädchen interessierte ich mich erst sehr spät, wie ich auch erst ziemlich spät aufgeklärt wurde. Ich war wohl elf Jahre alt, als ich auf der Geburtstagsfeier meiner Mutter an der gedeckten Festtafel vor Bekannten und Verwandten eine besondere Recherche anstellte. In lautem Ton fragte ich wissbegierig: „Mutti, was bedeutet eigentlich ficken“? Ich hatte das Wort öfter auf einer Schulfreizeit gehört und die Mitschüler hatten immer so komisch gelacht, wusste es aber nicht einzuordnen. Das verschämte Lachen war groß bei den Geburtstagsgästen. Ich wusste in diesem Augenblick, das muss ein wichtiges Wort sein. Mehr erfuhr ich an diesem Tag jedoch nicht.

Mit 15 war mein Mofa mein Schatz. Selbst beim Tanzkurs in der Tanzschule Gollan blieb meine Abschlussballpartnerin Petra Obuchowski ungeküsst. Aber danach begann es allmählich. Der erste Kuss dann beim Flaschendrehen. „Atti“ hieß die junge Dame, deren Zunge ich erstmals mit meiner eigenen verbinden durfte. Ein tolles Mädchen mit einem herrlichen Lächeln und vielen weißen Zähnen. Meine erste richtige Freundin, mit der ich „ging“, hieß Andrea Kwiatkowski. Ja, Obuchowski, Kwiatkowski, das Ruhrgebiet war geprägt durch viele polnischstämmige Bürger. Szepan und Kuzorra, die Erfinder des Schalker Kreisels, hatten ihre Ursprünge ebenfalls im Osten. Die Eltern waren wegen des Bergbaus aus Ostpreußen in den Pott gezogen. Meine Eltern stammten aus Händlerfamilien. Mein Opa väterlicherseits war Kohlenhändler, meine Mutter kam aus einer holländischen Schweinezüchterfamilie. Kohle und Schweine – gute Basis für später.

Meine erste große Liebe war Claudia Schnitt, genannt Schnitti. Sie war bildschön, der Schwarm all meiner Freunde, supersympathisch, ein Traum von Freundin, nahezu perfekt. Die Wochenenden verliefen allerdings nicht so wie bei anderen Pärchen. Der Grund waren meine Jobs bei den Ruhr Nachrichten und der WAZ. Gerade am Samstagabend gab es viele Veranstaltungen und Termine, die die Festangestellten nicht erledigen wollten. Drum schickten sie uns Freie da hin.

So tummelte ich mich bei Taubenzüchtern und im Kolpingverein, während meine Freundin brav mit meiner Mutter irgendwelche Schlagersendungen oder Ohnsorg-Theaterstücke mit Heidi Kabel ansehen musste. Kaum war ich zu Hause, musste ich sie auch schon nach Hause bringen. Wahnsinn, wie lange sie das so mitmachte. Meine Priorisierung hätte damals etwas anders gewichtet sein müssen. Aber das Rad lässt sich nicht mehr zurückdrehen.

Der Journalismus beeinflusste auch meine Entscheidung, Wehrersatzdienst zu leisten. Damals galt die Wehrpflicht. 15 Monate. Aber ich wollte weiterhin für die Zeitungen arbeiten. Da nahm ich einen zusätzlichen Monat gerne in Kauf, den man den Zivis ungerechterweise aufdrückte, um so den Wehrdienst etwas schmackhafter zu machen. Ich marschierte also ins Kreiswehrersatzamt, flunkerte, dass sich die Balken bogen, und sagte das, was man von einem Wehrdienstverweigerer hören wollte. Ich könne aus psychischen Gründen keine Waffe in die Hand nehmen, bla, bla, bla. Am Ende wurde ich als Militärdienstverweigerer (komischerweise hieß es im Umgangsdeutschen „Kriegsdienstverweigerer“) anerkannt.

Ich hatte gute Kontakte zur Katholikenszene, war einst sogar Pfadfinder gewesen, dort aber bald wieder ausgetreten, weil in den Pfadfinderstunden nur blöde Witze erzählt wurden (ich hatte mir eher Zeltlager vorgestellt). Messdiener wollte ich auch werden, konnte aber nicht, weil mir vom Weihrauch regelmäßig schlecht wurde. Jetzt aber bekam ich den Job beim BDKJ im KJA. Was ist das denn? Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend war ein Verband, der mehrere Jugendverbände unter einem Dach im Katholischen Jugendamt zusammenfasste. Ich durfte das drei- oder viermal pro Jahr erscheinende Heftchen für die jugendlichen Katholiken aus Gladbeck erstellen. Also auch dies eine Spur, die zum Journalismus führte.

Zudem arbeitete ich weiter für die Zeitungen. Meine Botengänge morgens dehnte ich gerne aus, indem ich genüsslich einen Kaffee in der Ruhr-Nachrichten-Redaktion trank und Pläuschchen hielt.

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