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Beispiel „Der religiöse Gegenstand, Kreuz und Schleier“

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Zum Kreuzessymbol gibt es viele Assoziationen. Im christlichen Abendland stehen die Kreuzigung Christi und damit sein Kreuz immer noch an vorderster Stelle. Dann gibt es da aber auch die Sängerin Madonna, die sich am Kreuz gravitätisch über die Bühne gleiten lässt und damit ein Bild der Selbsterhöhung erzeugt, das sie als „Kreuzesopfer“ über alle anderen erhebt und Jesus gleichstellt. Der Künstler Martin Kippenberger hat einen Frosch ans Kreuz genagelt und der Aktionskünstler Hermann Nitsch hat Schweine gekreuzigt.

Josef Beuys hat die Kreuzesform immer wieder als Sinnbild seiner Überzeugung genutzt, dass von der Kreuzform Heilkraft ausgehe. In vielen Wohnungen zeugt der Gegenstand „Kreuz an der Wand“ auch heute noch von der christlichen Gesinnung der Bewohner. Im „Geviert“ des Wohnens ist das Kreuz im orthogonal ausgerichteten Raum indirekt enthalten. Formen wie das Kreuz, Viereck, Dreieck und Kreis sind von der Psychotherapeutin Ingrid Riedel in ihrer Symbolik, existenziellen Kraft und Bedeutsamkeit ausführlich beschrieben. Es macht Sinn, sich dem Koordinatensystem der Kreuzesform aktiv zuzuwenden und nachzuvollziehen, ob und was diese für das eigene Leben für eine Bedeutung hat.

Das Kopftuch bzw. der Schleier ist in Europa das derzeit vielleicht umstrittenste Symbol. Unabhängig von religiösen Hintergründen ist ein Schleier immer ein Symbol der Absonderung. Etwas hinter einem Schleier Liegendes wird verborgen. Wer seinen Kopf verbirgt, der signalisiert zunächst, dass er bzw. sie nicht mit freiem Kopf in die Öffentlichkeit geht. Der Hut als Kopfbedeckung hat da eine ganz andere Aussage.

Der unterschiedliche Umgang mit Schleiern, oder auch mit Vorhängen vor den Fenstern, zeigt die unterschiedliche Sensibilität im Hinblick auf den Schutz vor fremden Blicken. Diese Sensibilität kann alle möglichen Zustände umfassen. Absonderung durch freiwillige Apartheid kann immer noch Zuwendung und Kommunikation ermöglichen, wenn ihre Grenzen durchlässig sind. Jemand, der seine Vorhänge überhaupt nicht mehr öffnet, hat aller Wahrscheinlichkeit nach erhebliche psychische Probleme.

Als Beispiel für den engen Symbolbegriff auf realer Ebene meinte ein Geschäftsführer eines Immobilienunternehmens einmal, dass er an den Vorhängen von Wohnungen ablesen könne, ob eine Wohnung zum Verkauf anstünde ...

In einer offenen kann auch eine weitgehend geschlossene Gesellschaft ihre Symbole demonstrieren und sich erfahren, sofern sie nicht so völlig geschlossen ist, dass sie sich selbst ausgeschlossen hat. Die Balance von Autonomie und Integration ist es, die das Zusammenleben möglich macht und die sich auch in den Symbolen ausdrückt. Der Umgang mit Symbolen im öffentlichen Raum und die Frage, welche Regeln und Regelungen nötig sind, um Autonomie und Interdependenz sicherzustellen, ist eines der großen Themen unserer Zeit. Für die jeweilige Anhängerschaft ist die Kraft, die von diesen Symbolen ausgeht, unbestritten. Nur wird je nach Herkunft, kulturellem Hintergrund und aktuellem Bewusstsein auch eine sehr unterschiedliche Tiefe in der Erfahrung und eine unterschiedliche Deutung eines Symbols vorgenommen. Verständigung darüber könnte Grenzen verändern.

Symbolische Dimension des Wohnens in der Stadt

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