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Zur Begrifflichkeit der Symbole

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Symbole sind bedeutungsvolle Zeichen — Zeichen, die über einen Bedeutungsüberschuss verfügen. Sie repräsentieren eine Ganzheit von etwas Auseinandergerissenem, so wie es der griechische Ursprung des Begriffs „symballein — zusammenfügen“ zum Ausdruck bringt.

Der Bedeutungshorizont des Begriffs ist vielgestaltiger, reichhaltiger und umfassender, als es der allgemeine Sprachgebrauch annimmt. Ein Verkehrszeichen vermittelt seine Bedeutung konkret und eindimensional, selten lösen Verkehrszeichen Emotionen aus, höchstens, wenn jemand ein solches Zeichen als „ungerecht“ empfindet. Da gibt es aber keinen reichhaltigen Bedeutungsüberschuss und es darf ihn im Sinne eines fließenden Verkehrs auch nicht geben.

Sofern die Umwelt als Zeichensystem gelesen wird, geben die Dinge der Umwelt als Zeichen Aufschluss über die semantische, syntaktische und pragmatische Weise, in der sie funktionieren. Unter dem syntaktischen Aspekt zeigen sie sich in der Weise, wie sie zueinanderpassen, unter dem pragmatischen zeigen sie ihre Handhabung und unter dem Blickwinkel ihrer Bedeutung — semantisch/symbolisch — geht es um eben dieses „Mehr“ und „Darüber hinaus“.

Symbole sind Mittler und Vermittler von mehrschichtigen bis hin zu widersprüchlichen Bedeutungen. Sie sind „Versprechen“ auf etwas anderes. Sie sind Dolmetscher, aber ohne das, was sie vermitteln, zu erklären. Sie sind vergleichbar mit Brücken in eigene innere psychische Räume. Im psychoanalytischen und -therapeutischen Gebrauch sind sie allgegenwärtig.


5.000 Symbole erläutert Sven Frotscher, und er konstatiert ein enormes Interesse an diesem Begriff in den verschiedenen Fachdisziplinen. Er stellt eine Übersicht von Definitionen bzw. Klassifikationen zusammen, die belegen, wie sehr sich dieser vieldeutige Begriff in den Fachdisziplinen unterscheidet und sich dadurch der Definition entzieht (Frotscher, 2006). In seiner Übersicht anhand der Fachdisziplinen und ausgewählter Vertreter lässt er Architektur, Bauwesen und Baugeschichte allerdings außer Acht. Dabei verdichtet sich gerade in der Formensprache der Bauwerke und in der Stadtgestalt die Komplexität der Realität zur symbolischen Qualität. Jedes Bauwerk, jedes Objekt kann für jemanden zum Symbol werden, die Kirche wie das Tor, das Haus wie das Bett — der Turm, die Brücke, die Schwelle, der Baum können als Symbole zum Beispiel für den Körper, für einen Übergang, für das Leben dienen.


Bei einem engen Symbolbegriff sind Bild, Zeichen und Bedeutung im Sinne einer Entsprechung „pragmatisch“ eng miteinander verbunden, wie das z.B. bei Flaggen oder Wappen der Fall ist. Auch hier gibt es einen Bedeutungsüberschuss, der aber erläutert und begründet werden kann.

Als Beispiel kann die amerikanische Flagge dienen: Vor den letzten Präsidentschaftswahlen verteilten amerikanische Wissenschaftler Online-Formulare, in denen Menschen ihre Wahlabsichten angeben sollten. Auf einigen Fragebögen war eine kleine amerikanische Flagge abgebildet. Jene Versuchsteilnehmer, die Formulare mit der Flagge erhielten, gaben darauf häufiger an, für die Republikaner stimmen zu wollen. Sie taten das bei der Wahl tatsächlich ... (DER SPIEGEL, 29/2011). Die Betrachtung der amerikanischen Flagge hat womöglich Menschen dazu motiviert, die republikanische Partei zu wählen.


In einer weiten Fassung des Begriffs meint „Symbol“ den bildhaften Ausdruck von etwas anderem, das nicht unmittelbar anschaulich im Bild des Objektes mitschwingt. Es ist eben mehr als das Bild der Handhabung des Gegenstandes und seiner augenfälligen Bedeutung. Der weite Begriff ist vieldeutig, er kann selbst Gegensätzliches im Symbol zusammenführen, und der davon Berührte erfährt es gefühlsmäßig. Der Deutende erschließt den Sinn durch seine eigenen Assoziationen und die Auswahl von Bedeutungen, die ihm zur Verfügung steht, d.h. sein Wissen darüber. Symbolik in dieser Form ist Teil des geistigen Gesamterbes der Menschheit, das universale Vorstellungen im zeitgenössischen Objekt zum Ausdruck bringt.

Die Farbe Rot dient zum Beispiel als Symbol der Macht und kann als Farbe des Blutes Wärme und Geborgenheit, oder aber Gewalt zum Ausdruck bringen. Der Selbstdarstellung eines „Stars“ findet auf einem „roten Teppich“ statt. Eine reale rote Textilie liegt dem Auftritt im wahrsten Sinne des Wortes zugrunde. Das kostbare Rot hat seine Ursache im einst so wertvollen Drüsensekret der Purpurschnecke, das im Mittelalter für Kaiser, Könige und Kirche reserviert war. Liebe, Macht und Blut lassen sich auf einem Teppich assoziieren, der Menschen in Szene setzt, der ihnen einen Auftritt verschafft, durch den sie gesehen werden und „Aufmerksamkeitskapital“ anhäufen können.


Was allgemein als Symbol gilt, kann sich für Individuen oder Gruppen ganz unterschiedlich darstellen. Sofern sich große Gruppen oder Menschenmengen für ein Objekt mit Symbolcharakter begeistern, entwickelt das eine Sogkraft, die immer mehr Menschen in ihren Bann zieht. Der verhüllte Reichstag in Berlin war so ein Symbol. Nicht alle haben es geliebt. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl soll sich sogar geweigert haben, ihn auch nur einmal anzusehen.

Symbolische Dimension des Wohnens in der Stadt

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