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„Wer war das, Liebling?“, fragte Martin Kant, einer der größten Automobilimporteure Deutschlands. Mitglied des internationalen Geldadels. Reich geboren und durch eigene Cleverness noch reicher geworden. Er trug einen mitternachtsblauen Maßanzug. Sein Oberlippenbärtchen war sorgfältig gestutzt, das Haar frisch gewaschen. Er sah aus, als wäre er soeben einem Herrenjournal entstiegen - einem Journal für Senioren.

Und deshalb passte er eigentlich nicht zu Jeanette, denn während er mit sechzig Lenzen sein Leben bereits zu einem großen Teil hinter sich hatte, hatte sie ihres - mit herzerfrischenden einundzwanzig Jahren - noch vor sich. Sie drehte sich erschrocken um, fühlte sich ertappt. Sie trug ein Kleid aus weißer Seide, das die Schultern freiließ und ihre attraktiven Rundungen sensationell zur Geltung brachte. An ihren Ohren baumelten große Zigeunerclips aus Platin, und ein Kollier aus demselben Material zierte ihr schönes Dekolleté. Sie hatte sich das alles redlich verdient - auf die einzige Art, die sie perfekt beherrschte. Martin Kant, seit fünf Jahren verwitwet, hatte sie in einem bekannten Nachtklub an der Binnenalster kennengelernt, und sie hatte ihm die Nacht so sehr verschönt, dass er sie unbedingt wiedersehen wollte. Seit kurzem wohnte sie bei ihm und gehörte ihm mit Haut und Haaren. Sie war gewissermaßen seine Leibeigene geworden - ganz freiwillig natürlich. Er hatte sie gekauft, kaufte sie jeden Tag aufs Neue, indem er ihr ständig etwas schenkte. Dafür durfte sie aber auch nur ihm allein gehören. Mit anderen Männern wollte er sie auf keinen Fall teilen. Solange sie sich an die Spielregeln hielt, würde es ihr bei ihm sehr gutgehen.

Wenn sie die Regeln aber verletzte, würde er sie bitten zu gehen. Dann war sie wieder da, wo sie schon lange nicht mehr sein wollte.

Es waren Gäste im Haus. Freunde von Martin, die genauso reich waren wie er, mit ihren schmuckbeladenen, eleganten Ehefrauen, die sich in Jeanettes Gegenwart unbehaglich fühlten, weil diese so unverschämt jung war. Wenn man täglich mit Cremes, Packungen und Lotionen einen ebenso zwecklosen wie deprimierenden Kampf gegen das erbarmungslose Verwelken auszutragen hat, kann man nicht mit einer Schönheit konkurrieren, die eben erst erblüht ist.

„Wie?“, fragte Jeanette nervös, den Telefonhörer noch in der Hand.

„Wer das war?“

Wie aufgescheuchte Ratten huschten die Gedanken durch ihren Kopf. Sie brauchte schnellstens eine glaubhafte Antwort.

„Eine Freundin.“ Sie legte auf. „Ich habe mit einer Freundin telefoniert. Sie möchte sich mit mir treffen. Ich habe zugesagt. Es macht dir doch nichts aus, nein?“

Martin Kant sagte: „Ich wäre dir dankbar, wenn du die Brücken zu deinem bisherigen Leben abbrechen würdest.“

„Das habe ich vor.“ Sie nickte eifrig. „Aber Jo muss ich noch einmal treffen. Sie - sie ist in Schwierigkeiten. Ich kann sie nicht im Stich lassen. Nicht, nach allem, was wir zusammen erlebt haben.“ Sie ging zu ihm und streichelte seine glattrasierte Wange. „Nicht wahr, das verstehst du doch?“ Sie musste seinen Argwohn zerstreuen. Er sah sie so seltsam an. Sie verfluchte sich selbst. Wenn sie Jo Dengelmann doch nur nicht angerufen hätte!

„Welche Art von Schwierigkeiten sind das?“, wollte Martin wissen.

„Ich darf nicht darüber sprechen.“

„Braucht sie Geld?“

„Nein.“ Jeanette schüttelte den Kopf.

„Kannst du auch Probleme kriegen?“

„Nein“, antwortete sie schnell. „Nein, ganz bestimmt nicht. Mir droht keine Gefahr.“

Er nickte nachdenklich. Ob er es schon bereute, eine wie sie in sein Haus geholt zu haben? „Komm“, sagte er und nahm ihre Hand. „Lass uns zu den anderen gehen!“

Sie folgte ihm, gehorsam wie ein gut dressiertes Hündchen.

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