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Peter Werding betrat einen düsteren Hinterhof. In einer Ecke drehte sich der Wind, und Staub, welkes Laub und ein Fetzen Papier machten sein Tänzchen mit. Aus einem der offenen Fenster erschallte die letzte Scheibe von Claudia Jung, aus einem anderen ein Ohrwurm von Andy Borg. Darunter mischte sich verzweifeltes Babygeschrei und der giftige Streit eines Ehepaars. Er hielt ihr vor, dass sie nicht sparen könne. Sie hielt ihm vor, dass er alles Geld ins Wirtshaus trage. Hört sich an wie eine Ehe, die im Himmel geschlossen wurde und nun in der Hölle gelebt wird, dachte Peter. Schade.

Er blickte sich um. Graue Mauern ragten ringsherum hoch. Über ihm befand sich ein kleines blaues Himmelsquadrat. War er hier richtig? Er rief sich ins Gedächtnis, was Claudias Großeltern gesagt hatten.

„Da gibt es so eine ...“, hatte Ludwig Brauneder erzählt.

„Eine, die mit Männern für Geld ... Sie wissen schon ...“, hatte Barbara Brauneder ergänzt.

„Ohne dass die Behörden davon Kenntnis haben“, hatte ihr Mann gesagt. „Zu der fühlte sich Liane unheimlich stark hingezogen. Das war eine Zeitlang ihre allerbeste Freundin. Von der hat sie sehr viel Schlechtes gelernt.“

„Für Schlechtigkeiten war sie ja immer sofort zu haben“, hatte Barbara Brauneder bitter erklärt. „Ich bin froh, dass ich nicht weiß, was die beiden alles angestellt haben.“

„Wie ist der Name dieser Freundin?“, hatte Peter Werding wissen wollen.

„Sandra Ahrendt“, hatte Ludwig Brauneder geantwortet.

„Und wo wohnt sie?“

„Irgendwo in Bogenhausen.“

Und hier war er nun - in Bogenhausen. Er hatte Sandra Ahrendts Adresse im Telefonbuch gefunden, und er hoffte, sie zu Hause anzutreffen. Rasch durchmaß er den Hinterhof und betrat ein schäbiges Gebäude. Fünf abgetretene Stufen führten zu einer zerkratzten dunkelbraunen Tür hinauf, an der S. Ahrendt stand. Er läutete. Keine Reaktion. Er läutete noch einmal.

„Ja!“ Eine unfreundliche Frauenstimme. Die Tür wurde einen Spaltbreit geöffnet. Peter sah das zerzauste rote Haar und das grell geschminkte Gesicht eines halbnackten Mädchens.

„Was gibt’s?“, fragte sie.

„Sandra Ahrendt?“

„Ja.“

„Kann ich ...“

„Komm in einer halben Stunde wieder“, fiel sie ihm energisch ins Wort, „dann habe ich Zeit für dich, Kleiner. Im Moment bin ich besetzt.“

Sie schlug ihm die Tür vor der Nase zu, und er ging eine halbe Stunde spazieren. Ziellos lief er durch Bogenhausen, während Sandra Ahrendt - wie er annahm - inzwischen ihrem illegalen Gewerbe nachging.

Die Zeit wollte nicht vergehen. Es waren die längsten dreißig Minuten seines Lebens. Als sie endlich um waren, kehrte er zu Sandra Ahrendt zurück. Das Ehepaar hatte aufgehört, sich zu streiten. Das Baby schrie nicht mehr. Und auch die Musik schwieg.

Peter läutete wieder an Sandra Ahrendts Tür. Diesmal war sie freundlicher. Und frisiert. Und angezogen.

„Hallo, schöner Mann“, begrüßte sie ihn gurrend, als hätte sie sich soeben in ihn verliebt. „Komm rein! Was kann ich dir antun?“

Peter schenkte ihr reinen Wein ein. Er sagte ihr, dass er ihre Dienste zwar in Anspruch nehmen wolle, aber nicht so, wie die Männer, die sie empfing, dies normalerweise taten. Sie verstand ihn falsch.

„Oh“, sagte sie. „Du bist ein bisschen ‘aus der Reihe’ veranlagt. Na ja, wenn deine Wunschvorstellungen sich in erträglichen Grenzen halten, mache ich trotzdem mit. Kostet selbstverständlich extra. Ist ja klar.“

Peter schüttelte den Kopf.

„Ich möchte lediglich eine Auskunft von dir.“

„Eine Auskunft? Von mir? He, was glaubst du, was ich bin? Ein Auskunftsbüro?“

„Ich bin gerne bereit, für eine gute Antwort zu bezahlen.“ Ludwig Brauneder hatte Peter Werding ein nach oben hin offenes Spesenkonto eingerichtet. Was immer es kostete, Liane Meeles zu finden und dazu zu bringen, ihrer Schwester etwas von ihrem kostbaren Knochenmark zu spenden - es würde es ihm wert sein.

Sandra nickte. „Das hört sich schon ein bisschen besser an. Was willst du wissen?“

„Du warst mit Liane Meeles befreundet, stimmt’s?“

„Wir waren ein Herz und eine Seele.“

„Ich suche sie.“

„Weshalb? Hat sie etwas ausgefressen? Würde mich nicht wundern. Sie ist ein mieses kleines Luder. Soll ich dir sagen, was sie getan hat?“

„Was?“

„Bestohlen hat sie mich.“ Sandra legte die Hand mit gespreizten Fingern auf ihre Brust. „Mich, ihre beste Freundin. Hat mich beklaut und ist abgehauen.“

„Wohin?“

Sandra schwieg.

„Weißt du, wo ich sie finden kann?“, bohrte Peter.

Sie zierte sich, mit der Antwort herauszurücken.

„Schon möglich, dass ich es weiß.“

„Wo lebt Liane Meeles zur Zeit?“

Sie kniff listig die Augen zusammen.

„War da vorhin von Bezahlung die Rede, oder habe ich mich verhört?“

„Wieviel verlangst du für Lianes Adresse?“

„Wieviel ist sie dir wert?“

Peter zeigte ihr hundert Mark.

„Junge.“ Sie lachte. „Hundert Mark. Ich bitte dich. Was kriegt man in diesen inflationären Zeiten schon für hundert Mark?“

„Wieviel?“, wollte Peter noch einmal wissen, und sie nannte ungeniert ihren Wucherpreis.

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