Читать книгу Schicksal, Tränen und doch das Glück: Arztroman Sammelband 4 Romane - A. F. Morland - Страница 10
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Оглавление»Der Kaingruber Stefan ist wieder da!« Wie ein Lauffeuer ging die Nachricht durch den kleinen Ort. »Er ist jetzt ein Doktor und will immer daheim bleiben, hat er gesagt.«
»Das ist doch nicht möglich!«, staunten die einen. »Der will doch jetzt nicht etwa Bauer werden? Welch ein Unsinn, wozu dann erst so lange studiert! Nein, nein, da wirst du dich verhört haben. Der ist nur auf Urlaub daheim. Ich kenn den Stefan doch. Oder aber, er will jetzt endlich den schönen Hof verkaufen. Was soll er denn auch damit, da er ja noch nicht mal eine Frau hat, und dann lebt er doch immer in Wien. Jetzt will er sich in Wien ein Haus kaufen, und dazu braucht er das viele Geld.«
Mit Klatsch und Tratsch war man schon immer sehr schnell bei der Hand. Und man hatte schon so manches zerredet und böses Blut geschaffen. So manchem hat das Herz grausam wehgetan. Aber darum kümmerten sich die Dörfler in der Regel nicht. Sie waren froh, dass es mal wieder etwas Neues gab, auf das sie ihre Blicke richten konnten.
Wer das Gerede aufbrachte, Stefan wolle seinen Hof verkaufen, das wusste später natürlich keiner mehr zu sagen. Die einen waren wütend, weil sie weiterhin behaupteten, er bliebe - und man sie als Lügner verschrie. Und die anderen sonnten sich an der Vorfreude.
»Dann muss die Christiane in Stellung gehen. Recht geschieht ihr, warum trägt sie auch den Kopf so stolz. Und dabei ist sie noch nicht mal eine echte Kaingruberin. Das wird ihr wohl arg werden. Jetzt kann sie keinen so stolzen Hof mehr bewirtschaften, die alte Schachtel, die!«
Als die Ehemänner von den Frauen hörten, der Stefan wolle verkaufen, da war jeder gern bereit, Land zu kaufen, zumal man es dem Nachbarn nicht gönnte. Das Land der Kaingrubers war wirklich das beste weit und breit.
»Der schöne Hof! Aber für das Haus, da muss einer arg in die Tasche greifen.«
So schwirrten die Stimmen durcheinander. Stefan war noch keine achtundvierzig Stunden in Scheffau. Nachdem er sich mit der Schwester ausgesprochen hatte - sie war jetzt auch endlich für seinen Plan - war er von der Reise so müde gewesen, dass er sich in seine alte Kammer zurückgezogen hatte. Dort schlief er noch immer.
Christiane war wie an jedem Morgen sehr früh aufgestanden und kümmerte sich um alles, obwohl im Sommer die Kühe alle auf der Alm waren und sie eigentlich hätte später anfangen können. Aber es war nun einmal ihre Art. Wenn andere sich aus den Betten erhoben, dann blitzte bei Christiane schon alles. Als sie jetzt in der Küche stand und das Frühstück für den Verwalter vorbereitete, fühlte sie ein seltsames Zittern in ihrer Brust. Der Bruder war wieder daheim! Nun konnte sie wieder für einen Menschen sorgen, war nicht mehr so allein. Der Bruder brauchte sie! Vielleicht würde alles gutgehen, obwohl sie auch ein seltsames Gefühl bei diesem Gedanken hatte. Sie war intelligent genug, um zu wissen, wieviel Geld das alles kosten würde. Reich konnte man dabei wirklich nicht werden. Aber Stefan hatte recht, man musste diesen Kindern helfen. Und sie würde ihren alten Beruf wieder ausüben können.
Richtig rote Backen bekam sie und ganz glänzende Augen.
Johannes Beule betrat die weitläufige Küche und grüßte freundlich. Dann bemerkte er die Veränderung in ihrem Gesicht und meinte fröhlich: »Ja, jetzt ist wohl alles wieder so wie früher. Da ist der Bruder also zu Besuch, und da hat man bestimmt bis tief in die Nacht hinein geplaudert.«
Der Verwalter kam aus Deutschland, aus Bayern. Er war in Christianes Alter und hatte auch einmal still um sie geworben. Aber die junge Frau hatte ihn gar nicht beachtet. Sie hatte sein Werben wohl bemerkt, aber sie sagte sich: Er will mich doch nur des Hofes wegen. Wie kann ich wissen, ob er es wirklich ehrlich mit mir meint? Aber sie hätte ihn wie die anderen ohnehin nicht genommen.
Johannes wurde von Christiane versorgt. Sie kochte und versorgte auch seine Wäsche. Aber seine Stuben hielt er selbst rein. Man konnte recht gut mit ihm umgehen. Er war ein stiller und besonnener Mensch, und Christiane arbeitete sehr gern mit ihm. Anfangs hatte es in Scheffau böses Blut gegeben. Da waren sie nun allein auf dem Hof: ein junger Mann und ein junges Mädchen. Das gehörte sich doch nicht! O ja, damals hatten sie schon ihre Zungen am Hof gewetzt, in der Hoffnung, dass Christiane kopfscheu werden und fortlaufen würde. Dann wäre der Hof frei. Alle waren sie neidisch auf diesen prachtvollen Hof. Viele hätten ihn gern selbst besessen. Dort oben zu wohnen, mit den Fenstern zum Wilden Kaiser hin - ach ja, da konnte man dann so stolz werden, so hochfahrend.
Aber beide hatten sich nicht darum gekümmert. Christiane war weiterhin ins Dorf und in die Kirche gegangen. Sie hatte auch nicht die Augen niedergeschlagen. Ruhig und stolz ging sie und hörte auch nicht die geflüsterten, hämischen Worte. Da hatte man denn schließlich aufgehört, und es als Selbstverständlichkeit hingenommen.
Während sie nun dem Verwalter den Kaffee einschenkte, fühlte sie sich verpflichtet, ihm jetzt alles zu sagen. Sie setzte sich zu ihm an den Tisch und erzählte ihm von den Plänen des Bruders. Der junge Mann hörte sich das ruhig an. Einmal hob er den Kopf und sah sie aufmerksam an.
»Und das ist auch Ihr Wunsch?«
Sie nickte. »Ja. Und der Hof gehört dem Stefan. Er kann damit machen, was er will.«
»Wenn Sie es wollen, dann will ich gern bleiben und mich auch weiterhin um alles kümmern. An der Wirtschaft soll es nicht liegen, darauf kann er sich verlassen.«
»Ich danke Ihnen, Johannes. Sie sind ein wundervoller Mensch. Ich wusste ja, dass ich mich auf Sie verlassen kann.«
Er lächelte fein. Sonst konnten sie stundenlang zusammen auf einem Abhang stehen und das Heu wenden, ohne ein Wort miteinander zu reden. Und jetzt hatte sie so viel mit ihm gesprochen. Es ehrte ihn, dass sie ihn ins Vertrauen gezogen hatte.
Schon lange hatte Christiane etwas auf dem Herzen, bis jetzt hatte sie aber nie darüber reden mögen. Aber jetzt war der Bruder da, und alles war merkwürdigerweise leichter.
»Johannes«, begann sie vorsichtig. »Ich wollte es Ihnen schon einmal sagen: Also, das Austraghäusle - es hat ja nur die zwei Stuben und das Bad, das wir nachträglich haben einbauen lassen - es steht ja auf der freien Wiese, und es wäre leicht, dort anzubauen. Ich wollte es Ihnen nur mal gesagt haben. Also, wenn Sie mal mehr Stuben brauchen, dann sind wir gern bereit.« Sie sprach schon in der Mehrzahl. Früher hatte sie nur immer ,ich‘ gesagt, wenn es etwas zu bestimmen gab.
Johannes stellte die Tasse ab und sah das Mädchen erstaunt an.
»Ja mei, warum soll ich denn einen Palast haben? Die zwei Stuben reichen mir vollkommen, und da brauch ich auch dann nicht so viel reinzuhalten, Christiane.«
Ein schwaches Rot färbte ihre Wangen.
»Ich denke, Johannes, Sie wollen nicht immer allein Ihr Leben verbringen. Ich mein ja auch nur - wenn Sie heiraten wollen, für diesen Zweck. Ich wollte Ihnen damit nur sagen, dass Sie sich dann nicht anderweitig eine Wohnung suchen müssen. Wir würden uns dann darum kümmern.«
»Ach so«, sagte er ruhig, »jetzt verstehe ich! Ach, wissen Sie, Christiane, ich weiß noch gar nicht, ob ich heiraten will, wirklich. Mir gefällt es so ganz gut.«
Sie erhob sich hastig. Nun betraten sie ein Gebiet, das sie unbedingt meiden wollte.
»Sie müssen das mit sich selbst abmachen. Ich habe es Ihnen gesagt, damit Sie Bescheid wissen. Alles andere geht mich nichts an.«
Er hatte das Frühstück beendet und musste jetzt wieder an die Arbeit gehen, obwohl er völlig selbständig arbeiten konnte. Man konnte sich wirklich auf ihn verlassen, zudem war er grundehrlich. Er handhabte den Hof, als wäre er der Besitzer. Aus diesem Grunde bekam er auch ein fürstliches Gehalt. Stefan hatte es bewilligt, weil er wusste, wie schwer es war, Menschen zu bekommen, die den Verwalterposten wirklich gut ausfüllten. Die meisten wollten nicht mehr auf dem Lande arbeiten, sondern gingen in die großen Städte. Und wer klug war, der besuchte die höhere Schule und studierte dann. Die Zeiten hatten sich geändert.
»Tja, dann will ich mich jetzt mal wieder auf die Wiese begeben.«
»Ich komme später nach, Johannes. Erst muss ich wissen, was der Bruder will.«
»Natürlich«, sagte er ruhig. Dann wurde sein Lächeln offen, und er sagte herzlich: »Ich wünsche Ihnen Glück, Christiane, sehr viel Glück. Ich hab so das Gefühl, dass es furchtbar viele Schwierigkeiten geben wird.«
»Ich auch«, sagte sie leise.