Читать книгу Schicksal, Tränen und doch das Glück: Arztroman Sammelband 4 Romane - A. F. Morland - Страница 18

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Er hatte gewartet, bis alle Kinder den Raum verlassen hatten, dann war er hereingestürzt. Wie ein Stier. Der junge Lehrer Gruber war gerade dabei, seine Bücher und Hefte einzupacken. Dann hörte er den Lärm und blickte auf, erkannte den Bürgermeister und grüßte kurz. Die Hände in die Hüften gestemmt, blieb der schwere Mann vor ihm stehen.

»Ich muss mit dir reden!«, schnaufte er.

»Bittschön, einen Platz kann ich dir schlecht anbieten. Die kleinen Stühle wirst mit deinem Gewicht erdrücken, Haflinger.«

»Brauchst nicht zu scherzen«, schimpfte der andere. »Mir ist es ernst.«

»Ich weiß, dir ist es immer ernst.«

Haflinger ärgerte sich, dass der junge Mann keine Angst vor ihm hatte, so wie die anderen Leute im Dorf. Er kam nicht aus Scheffau, war aber auch in den Bergen geboren, weiter hinten in den Tuxer Alpen. Er kannte sich mit den Querköpfen aus. Gruber dachte nicht daran, zu kuschen. Er wurde nicht von Haflinger bezahlt, sondern von seiner Schulbehörde.

»Ich hab mir sagen lassen, du gehst rauf und gibst denen da Unterricht.« Die Augen zogen sich zornig zusammen. Jeder hätte jetzt zur Seite geblickt, aber nicht Franz Gruber.

»Ganz recht«, entgegnete der ruhig. »Ich geb den Kindern in ,Haus Sonnenblick‘ Unterricht, am Nachmittag.«

»Du weißt ganz genau, dass wir den da oben boykottieren; und wenn du ihm nachkriechst, dann werden wir es mit dir auch tun, Gruber.«

»Warum?«

»Weil es Unsinn ist!«, schrie der andere. »Wir wollen die Klinik nicht! Das haben wir ihm gleich gesagt. Und wenn er es trotzdem da oben treibt, dann muss er mit den Folgen rechnen. Ich geb dir also einen guten Rat: Wenn du zu uns hältst, dann hast du nichts zu befürchten.«

Das Gesicht des Lehrers wurde kantig.

»Ich werd auch weiterhin hinaufgehen, Bürgermeister. Auf deine Drohungen geb ich nichts. Vielleicht hat man dir nicht gesagt, dass die Schulbehörde es gutheißt.«

»Auf Anfrage?«, höhnte er. »Hast dir von hinten den Rücken stärken lassen? Oh, ich kenn dich! Ich kenn dich! Meinst du, mir könntest du Sand in die Augen streuen? So weit sind wir ja noch nicht, dass wir auf Befehl handeln müssen - nicht, wenn die Behörde befiehlt ...«

»Willst du mir nicht grad was befehlen?«

Tobias Haflinger biss sich auf die Lippen. Verflucht, dachte er bei sich, mit einem Studierten zu streiten, das ist verdammt schwer.

»Ich geb dir also nochmals einen guten Rat: Wenn du weiter zu dem da oben hältst, dann musst du mit den Folgen rechnen, verstanden?«

Bevor Gruber noch etwas antworten konnte, war der Haflinger schon davongestürmt. Franz nahm seine Tasche und verließ das Gebäude. Er war sehr erregt und zornig. Dieser Bürgermeister, dachte er bei sich, man könnte es nicht glauben, wenn man es selbst nicht erlebt hätte. Der ist so dumm wie ein Stier und rennt sich die Hörner ein. Er glaubt tatsächlich, er könnte hier den lieben Gott spielen, und das alles nur, um sich zu rächen. Weil er sich unmöglich benommen hat, damals, mit seinem Geprahle über die Christiane Kaingruber. Oh, er bewunderte dieses Mädchen, sie besaß Rückgrat und Stolz. Die hatte es ihm richtig gegeben. Alle hatten damals heimlich gewünscht, sie möge ihm einen Denkzettel verpassen. Und sie hatte den Schneid gehabt, und jetzt sollte er vielleicht keinen Mut aufbringen? Diese Kinder brauchten ihn. Wie glücklich waren sie, als sie erfuhren, dass sie durch die Krankheit nicht auch noch die Schule versäumten. Zum Beispiel der Wolfgang, der am schlimmsten dran war. Wie lebte der auf, als der Lehrer kam und vor dem fürchterlichen Gesicht nicht erschrak. Zuerst war es sehr schwer für ihn gewesen, und er hatte all seinen Mut zusammennehmen müssen. Aber wenn er dann wieder Christiane sah, wie sie mit den Kindern lachte und scherzte, da sagte er sich: Dann muss ich es auch können. Seit er wusste, wie selbstlos sie war, betete er sie fast an. Und diese Stunden am Nachmittag waren eigentlich die schönsten vom ganzen Tage. Die Kinder in der Schule trieben doch nur meistens Schabernack und waren froh, wenn sie sich vor dem Lernen drücken konnten. Daheim achtete man nicht sehr auf die Schularbeiten. Da war es in der kleinen Kinderklinik ganz anders.

Bevor er nach dem Essen hinaufstieg, traf er unten die Marie. Er liebte sie seit einiger Zeit. Sie wusste das und wurde immer blutrot, wenn sie ihn sah. Noch war sie scheu wie ein Reh, wenn sie mit ihm spazieren ging. Als er sie jetzt traf, hatte sie einen seltsamen Ausdruck in den Augen. Franz bemerkte ihn noch gar nicht.

»In drei Stunden bin ich wieder unten. Hast du dann Zeit für mich, Marie? Wir gehen ein wenig in den Hohlweg, ja?«

Sie schüttelte heftig den Kopf, und wieder schoss ihr das Blut in die Wangen.

Traurig sagte er: »Also, hast du heut keine Zeit für mich - dann morgen?«

»Nein!«, stieß sie hastig hervor. »Nein, ich kann nicht!«

Nun merkte er ihr verändertes Wesen und hielt ihre Hand fest.

»Sag, Marie, da ist doch was. Wieso hast du auf einmal keine Zeit mehr?«

»Der Vater verbietet es mir. Der Bürgermeister war vorhin zu Haus. Und da hat der Vater gesagt, du wärst kein Umgang für mich; und wenn er mich noch einmal mit dir sieht, will er mich schlagen!«

Franz starrte das Mädchen sprachlos an. »Das ist nicht wahr!«, sagte er erschrocken.

»O doch«, flüsterte sie mit wundem Herzen. »Die Mutter schlägt er ja auch, warum soll er ...«

»Marie ...«

Er kniff die Augen zusammen. So also hatte sich der Bürgermeister seine kleine Rache ausgedacht. So also, glaubte er, könne er ihn kirre machen.

»Du bist doch volljährig, Marie. Warum gehst du nicht fort von daheim, in die Stadt, und lernst etwas? Der Vater beutet dich doch nur aus.«

Sie lächelte bitter. »Ich muss schon daheim bleiben, wegen der Mutter. Sonst hat sie es sehr schwer.«

Er sah ihr in die Augen. »Wenn du mich sehr lieb hast, Marie, dann wirst du zu mir halten. Ich geh heute zu deinem Vater. Ich wollte zwar damit warten, aber wenn die Sache so steht, dann soll er wissen, dass es mir ernst ist.«

Sie sagte zuerst nichts darauf, dann meinte sie: »Es ist wohl besser, wenn du nicht kommst. Vielleicht hat der Vater sogar recht?«

Das tat sehr weh. Verletzt ließ er da ihre Hände los. Er hatte geglaubt, sie zu lieben, aber es war doch wohl nur Schwärmerei gewesen. Sie hatte so wunderschöne, blaue Augen und so ein liebes Gesicht. Aber sie war willensschwach, und die Frau eines Lehrers musste sich schon durchsetzen können.

»Wenn das so ist, dann will ich dich nicht länger aufhalten«, sagte er ruhig. »Ja, Marie, dann tut es mir leid.« Sofort stieg er den Berg hinauf. Sie schaute ihm lange nach, dann tropften ein paar Tränen aus ihren Augen. Nun hatte sie keinen Schatz mehr, und sie war ja so stolz auf den Franz gewesen.

Als er oben ankam, stieß er mit Stefan zusammen. Dieser bemerkte sofort das zornige Gesicht des Lehrers. Er hatte sich auf dem Weg nicht abreagieren können.

»Was ist Ihnen denn über die Leber gelaufen?«, fragte er freundlich.

Franz lächelte gequält. Dann vertraute er sich dem jungen Arzt an und erzählte von dem Zusammenstoß mit dem Bürgermeister und wie dieser alles hintertrieb. Stefan machte ein sehr ernstes Gesicht und sagte nach einer Weile: »Ich hab nicht gewusst, dass Sie meinetwegen Ärger haben. Selbstverständlich entbinde ich Sie dann vom Unterricht, Herr Gruber. So weit darf die Sache nun nicht gehen. Dieser Streit geht nur mich und Haflinger etwas an.«

Franz sagte: »Ich komm auch weiterhin, wirklich. Da brauchen Sie keine Angst zu haben. Ich hab Ihnen das alles nur erzählt, damit Sie Bescheid wissen. Und mit dem Bürgermeister werd ich schon fertig. Ist alles halb so schlimm. Wir müssen weitermachen, Doktor Kaingruber.«

»Und das Mädchen?«, fragte dieser leise.

»Ich hab mich halt getäuscht. Und vielleicht war es ganz gut so. Auf diese Weise sind mir rechtzeitig die Augen geöffnet worden. Im Grunde hat er mir also noch einen Gefallen getan, der Tobias.«

Stefan lächelte ihn herzlich an.

»Sie sind ein Mann. Ja, Sie kann man gebrauchen, Sie sind prachtvoll.«

Niemand hatte Christiane im oberen Laubengang bemerkt. Sie hatte alles gehört und empfand tiefe Dankbarkeit dem jungen Lehrer gegenüber.

»Dann will ich mal zu meinen kleinen Patienten gehen. Wie geht es Wolfgang?«

Stefan sagte leise: »Versuchen Sie, ihn aufzuheitern. Morgen ist seine erste große Operation. Ich versuche, ihm eine neue Nase zu geben.«

Gruber lächelte, dann nahm er seine Büchertasche und verschwand im Haus. Stefan hingegen schritt weiter aus, auf die Berge zu. Im Augenblick war nichts zu tun, und Haller war ja auch da. Er musste jetzt allein sein, über so vieles nachdenken. Das Denken - er bestand nur noch aus Denken, Sorgen und Grübeleien.

Er stieg nicht sehr hoch, denn er hatte ja keine Ausrüstung bei sich. Aber hoch genug, dass man ihn von der Klinik aus nicht mehr sehen konnte. Über ihm in der Wand kullerten kleine Steine herunter, und er wusste, dass Gämsen dort vorbeihuschten. Gewöhnlich wäre er jetzt aufgestanden und hätte sie mit den Augen gesucht. Aber er war mit sich selbst beschäftigt. Hier oben in der Einsamkeit konnte er seine Maske der Zuversicht fallen lassen. Jetzt wirkte sein Gesicht müde und eingefallen. Die Sorgen fraßen ihn fast auf. Vor den anderen zeigte er es nicht. Sie sollten nicht wissen, wie schwer alles war. Nur Christiane ahnte vielleicht etwas. Sie war so selbstlos und arbeitete von früh bis spät. Seit die Kinder da waren, hatte sie sich vollkommen verändert. War sie vorher vielleicht herb gewesen, so war ihr Wesen jetzt weich und mütterlich. Sie opferte sich für die Kinder auf. Nichts war ihr zu viel. Und das Schönste war, die Kinder liebten sie auch sehr. In ihren Augen konnte sie lesen, wie sehr sie an ihr hingen. Wenn sie eine kleine Hand hielt, dann tat der Verbandswechsel nicht weh, dann konnte er auch ruhig Spritzen geben. Wenn sie da war, schienen die Kinder keine Schmerzen zu haben. Sie ging vollkommen in ihrer Arbeit auf.

Müde strich Stefan sich über die Augen. Um Christianes willen hoffte, wünschte er sich sehnlichst, dass alles weitergehen möge, dass sie nicht wieder bald schließen mussten. Aber im Augenblick sah die Sache wirklich bös aus. Verschuldet bis zum Gehtnichtmehr, und die Ausgaben stiegen und stiegen. Wenn sie auch noch so sehr sparten und knauserten - an sich, nicht an den Kindern und der Klinik - es reichte bald nicht mehr.

Er hatte damals eine Rechnung aufgestellt, nach der genau die Hälfte der Kinder Privatpatienten hätten sein sollen; denn die zahlten viel mehr. Durch diese Mehreinnahme wäre es ihm möglich gewesen, auch anderen, weniger begüterten Kindern zu helfen. Aber im Augenblick sah die Sache so aus, dass er achtzehn Kinder in der Klinik hatte, zwanzig konnte er aufnehmen. Aber alle achtzehn Kinder waren Kassenpatienten! Die Krankenkassen bezahlten einen bestimmten Satz und kümmerten sich nicht darum, ob eine Klinik schon lange bestand oder gerade erst aufgebaut worden war und sich noch nicht selbst trug.

Professor Sondberg hatte ihm die kleinen Patienten geschickt. Anfangs hatte er schon geglaubt, der Professor halte die dicken Brocken für sich zurück. Aber damit tat er dem guten Mann unrecht. Eines Tages war er selbst gekommen, um zu sehen, was sein Schüler da aufgebaut hatte. Er war voll des Lobes gewesen und hatte gesagt: »Sie haben richtig gehandelt, Stefan. Hier müssen sie viel früher gesunden, in dieser reinen Natur. Jetzt können sie sich frei bewegen. Eines Tages wird sich herumsprechen, welch ein berühmter Arzt hier lebt, und dann werden auch die anderen kommen, die mit dem dicken Geldsäckel. Im Augenblick wollen sie nichts davon wissen, Stefan, leider. Ich hätte dir gern ein paar goldene Eier zu Anfang ins Nest gelegt. Aber wenn ich den Vorschlag mache, die Kinder hierher zu verlegen, dann wollen sie nichts davon wissen. Wenn du erst einmal bekannt bist, dann wird alles viel einfacher sein. Ja, dann wird man sich womöglich um dich reißen, Stefan.«

Später, dachte er jetzt müde - später, wenn es dann nicht schon zu spät ist.

Die Ernte war dieses Jahr auch nicht so gut. Und dann mussten ja erst die vielen Zinsen bezahlt werden. Viel blieb dann wirklich nicht mehr übrig. Haller nahm schon gar nicht mehr sein Gehalt an. Christiane lebte auch so - nur die Köchin und die Putzfrau aus Söll werden monatlich bezahlt. Wie gern möchte ich dem Lehrer etwas für seine Mühe geben, aber ich glaub, der merkt auch, wie es hier um mich steht, dachte Stefan. Herrgott, lass doch endlich ein kleines Wunder geschehen! Diese Kinder brauchen jetzt so nötig ein kleines Wunder. Soll ich sie denn in die Stadt zurückschicken? Dann glauben sie, ich hätte sie verraten.

Aber wenn nicht bald etwas geschieht, dann werde ich es tun müssen. Und ich muss mich dann irgendwo als Arzt niederlassen und Geld verdienen, um die vielen Schulden abtragen zu können. Und Christiane hat dann auch kein Zuhause mehr. So vieles hängt von diesem kleinen Wunder ab.

Die Bergspitzen waren in rotes Licht getaucht. Bald würde es dunkel sein. Der junge Arzt stieg müde hinunter und hatte keinen Trost gefunden. Sein erster Weg ging zu dem Buben. Ihm gehörte sein ganzes Herz, und er wünschte inbrünstig, er würde ihm wirklich helfen können. Manchmal war er so mutlos.

Wolfgang saß am Tisch und arbeitete. Als er eintrat, sah er sich um. Hier brauchten sie ihre Gesichter nicht zu verstecken. Wenn sie nach draußen gingen, trug er immer eine Art weiße Stoffmaske. Es konnte ja sein, dass Neugierige um die kleine Klinik schlichen.

Der Junge sagte: »Wenn ich fleißig bin, werde ich vielleicht nichts versäumen. Herr Gruber hat mir versprochen, er will jetzt sich noch mehr Bücher beschaffen, und dann wollen wir auch Latein lernen, und alles andere. Ach, Stefan, wenn ich dann wieder ein Gesicht habe, kann ich auf die höhere Schule gehen. Ich werd Annelie darum bitten.«

Wenn dieser Name fiel, zuckte sein Herz immer noch wild auf.

»Warum willst denn die höhere Schule besuchen, Wolfgang? Du wirst doch eines Tages das Geschäft deines Vaters übernehmen.«

Er nickte zögernd, dann meinte er leise: »Ja, damals, hab ich das auch immer gesagt - aber jetzt, jetzt möchte ich Arzt werden - wie du, Stefan. Und eines Tages, wenn ich dann fertig bin, dann brauchst vielleicht einen Assistenten - und dann kannst du mich ja nehmen!«

Bewegt berührte der Arzt den Blondkopf und lächelte ihn an.

»Ich möchte so werden wie du, Stefan«, sagte der Junge mit dem zerrissenen Gesicht. »Wenn du mich gesund machst, dann möcht ich aus Dankbarkeit dafür andere Kinder später gesund machen.«

Wenn man so einen Schicksalsschlag schon in der Jugend durchgemacht hat, dann ist man kein Kind mehr, dann wird man es auch nie mehr sein. Darum verwunderte es ihn nicht, dass der Bub jetzt so sprach.

Etwas anderes bewegte ihn furchtbar. Um dieses Buben willen, damit der einmal das Geschäft seiner Väter weiterführen könnte, hatten sie ihre Liebe opfern müssen - er und Annelie! Und jetzt wollte der gar nicht dieses Geschäft, sondern er wollte Arzt werden! War das nicht Ironie des Schicksals?

Solange Wolfgang hier war, hatte seine Schwester ihn noch nicht besucht, wohl, weil sie ein Zusammentreffen vermeiden wollte. Auch war die Reise ziemlich weit. Sie schrieb ihm aber jede Woche drei Briefe und schickte ihm viele Päckchen. Durch Wolfgang erfuhr er, dass ihr Mann einen Unfall mit dem Auto gehabt hatte und in der Klinik liege. Deshalb konnte sie auch nicht den Bruder besuchen. Und sie wusste ja, dass er in seinen Händen gut aufgehoben war. Er musste sehr viel an sie denken, immerzu eigentlich. Er sah sie ganz deutlich vor sich. Nun musste sie auch noch das Geschäft weiterführen. Sie war doch so zart und schmal. Vielleicht sollte er ihr schreiben, welche Hoffnungen in ihrem Bruder wohnten? Aber dann tat er es doch nicht.

Er gab seiner Stimme einen frohen Klang.

»Morgen also, Wolfgang, morgen fangen wir an!«

»Ja«, sagte der ruhig und seine Augen lächelten. Die Lippen konnten es nicht, denn sie waren nicht mehr vorhanden. Das ganze Gesicht war jetzt von dicken, wulstigen Narben bedeckt. Stefan ging noch einmal durch die kleine Station. Die jüngeren Kinder schliefen alle schon.

Unten im Wohnzimmer hatte Christiane den Tisch gedeckt. Johannes war schon da, man hatte nur noch auf ihn gewartet. Heute nahmen sie das Essen sehr schweigsam ein. Alle spürten, dass Stefan nicht gestört sein wollte. Kaum hatte er den letzten Bissen geschluckt, da erhob er sich auch schon wieder und ging in sein Zimmer.

Christiane sagte leise: »Jetzt sitzt er wieder die halbe Nacht und grübelt.«

»Können wir denn gar nicht helfen?«, fragten die beiden Männer.

»Ihr tut ja schon so viel«, sagte sie weich. »Wenn wir euch nicht hätten.«

»Morgen fangen wir bei Wolfgang an«, sagte Dr. Haller leise.

Schicksal, Tränen und doch das Glück: Arztroman Sammelband 4 Romane

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