Читать книгу Schicksal, Tränen und doch das Glück: Arztroman Sammelband 4 Romane - A. F. Morland - Страница 21

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Annelie spürte, dass Stefan ihr aus dem Wege ging, und deshalb machte sie sich unscheinbar. Oft sah er sie lange Zeit nicht. Aufdrängen wollte sie sich nicht, aber sie war ihm für alles so dankbar, da musste sie auch diese Demütigung auf sich nehmen.

Haller, sein Freund, verstand ihn überhaupt nicht mehr. Ja, zum Teufel, dachte er, hat er sie denn nicht leidenschaftlich geliebt? Ist er nicht fast daran zerbrochen, als sie den anderen Mann nahm? Und jetzt, wo sie wieder frei ist, wo sie hier ist, tut er so, als wäre sie Luft! Er war schon drauf und dran, den Freund zur Rede zu stellen, denn er konnte die traurigen Augen der Frau nicht ertragen. Doch Stefan hatte jetzt ein so müdes und zerfurchtes Gesicht, dass er es nicht wagte. Und dann standen sie kurz vor dem Tag, an dem man die Binden abnehmen würde. Dann würde sich herausstellen, ob Wolfgang eine neue Nase hatte oder nicht.

Und dann war da noch jemand, der jetzt sehr viel im Hause war - der Lehrer. Häufig blieb er auch abends, obwohl die Kinder ihn dann gar nicht mehr brauchten. Franz Gruber brauchte nicht lange, um zu erkennen, dass er Christiane liebte. Tiefe, echte Liebe spürte er in sich keimen. Wenn er nur ihren Schritt, ihre Stimme hörte, dann fühlte er, dass sein Herz schneller flog. Franz fühlte auch, dass Christiane ihn sehr gern sah. Ihre Augen wurden dann immer ganz hell, aber sie sprachen nicht über ihre Liebe. Franz dachte: Vielleicht ist es die Scheu oder sie will den Bruder nicht verlassen. Vielleicht will sie darum nicht wahrhaben, dass sie mich gern hat. Ja, und dann wollte er auch nicht vor diesem bestimmten Tag zu ihr sprechen. Alles wartete sozusagen fieberhaft auf den großen Augenblick. Nur das Kind selbst war ganz gelassen und ruhig. Es setzte unendliches Vertrauen in seinen großen Freund.

An diesem Abend fragte der Junge den Arzt: »Wann kommen die Verbände ab, Stefan?«

»Morgen«, sagte er ruhig.

»Wirklich? Werde ich dann wieder ein neues Gesicht haben, Stefan?«

»Nein, so schnell geht das nicht. Wir müssen immer kleine Operationen nacheinander machen. So wie bei der kleinen Ursel. Aber jedes Mal wirst du ein wenig hübscher aussehen. Nur die ersten großen Operationen sind schlimm und dauern so lange - dann geht es schneller. Und wenn die schlimmsten Wunden erst einmal überlappt sind, dann kannst du dich schon wieder sehen lassen.«

»Es werden Hautübertragungen vorgenommen, nicht wahr? «

»Ja. Du hast sehr gut aufgepasst, mein Junge. Aber jetzt musst du schlafen, hörst du?«

»Ich bin so aufgeregt.«

»Ich werde Christiane schicken. Sie wird dir etwas geben. Es ist wichtig, dass du gut schläfst.«

»Ja, Stefan«, lächelte er und sah an das Fenster. Draußen war es jetzt stockdunkel.

»Werden wir im nächsten Jahr in die Berge steigen, Stefan?«

Wie geduldig das Kind doch war!

»Ich will mein Bestes geben«, sagte der Arzt leise. Dann strich er dem Buben über die Stirn und ging hinaus.

Niemand sprach heute viel am Abendbrottisch. Auch Annelie nicht, die jetzt ein Zimmer in der Klinik bezogen hatte. Stefan sah durch alle hindurch. Als er wieder in seinem Zimmer verschwunden war, fragte Joachim: »Was macht er nur dort? Oft sehe ich die halbe Nacht bei ihm das Licht brennen, Christiane. Er sollte schlafen, das hat er bitter nötig.«

»Stefan sieht die Bücher durch«, sagte sie leise.

An diesem Abend gingen alle sehr früh auseinander. Am nächsten Morgen trafen sich alle wieder im Verbandszimmer. Stefan hatte angeordnet, dass der Verband gleich nach dem Frühstück abgenommen werden sollte.

Wolfgang war mit seinem Bett in das gekachelte Verbandszimmer geschoben worden. Grelles Licht strahlte ihn an. Stefans Hände zitterten ein wenig, sein Gesicht wirkte versteinert.

Draußen war der erste Schnee gefallen. Die Fensterbretter sahen aus, als wären sie überpudert worden.

»Die Schere!«

Man hörte nur das Schneiden, das leise Klicken, als er die Schere auf das Tablett zurücklegte. Sie standen im Halbkreis. Christiane betete unwillkürlich. Annelies Herz war schwer. Haller assistierte dem Freund.

Jetzt, lag die letzte leichte Binde um das halbe Gesicht. Man sah schon das viele Jod, das man darauf gegossen hatte. Die beiden Ärzte sahen sich über das Kind hinweg an. Stefan fühlte eine große Schwäche in den Knien.

»Nimm du den Rest!«, murmelte er.

Haller nahm seinen Platz ein, und wenige Augenblicke später war das ganze Gesicht von den Mullresten befreit. Wolfgang wagte nicht zu atmen.

Totenstille!

Die Operation war nur zu einem kleinen Teil gelungen! Wolfgang hatte noch immer keine Nase! Ein großer, allumfassender Fehlschlag! Sie mussten immer damit rechnen, nach jeder Operation. Jeder Mensch reagiert nun einmal anders. Aber gerade Wolfgang! Ihm hatten all ihre Hoffnungen gegolten!

In Stefans Gehirn zerbarst eine Kugel. Ehe die anderen sich versahen, stürmte er davon. Im Laufen riss er sich den weißen Kittel vom Körper. Wenige Sekunden später hörten sie, wie die schwere Tür ins Schloss fiel.

»Was ist denn?«, stammelte das Kind, als es die stummen Blicke sah. »So sagt doch was!«

Annelie hätte jetzt zum Bruder hingehen müssen, ihm mit behutsamen Worten zu erklären versuchen, dass alle Schmerzen noch einmal erduldet werden mussten, aber in dieser Sekunde zog es sie mehr zu dem unglücklichen Mann. Sie hatte wahnsinnige Angst, er könne sich etwas antun. Es war doch nicht seine Schuld! Er hatte nicht versagt. Sie kannte die Härte dieses Berufes. Mit wie vielen Fehlschlägen sie immer wieder konfrontiert wurden!

Christiane und die anderen fühlten wohl die gleichen Ängste. Sie wollte schon fortlaufen.

Annelie würgte hervor: »Kümmert euch um Wolfgang! Ich gehe ihn suchen.«

Christiane wollte sie aufhalten. Es war doch eigentlich ihre Pflicht. Haller sagte leise: »Lass sie gehen! Es ist besser so.«

Christiane schaute den Arzt an. Irgendwie schien sie plötzlich alles zu verstehen.

Annelie rannte in die Diele. Er hatte bei dieser Kälte nicht einmal die Pelzjacke angezogen. Sie warf sich den Mantel um, nahm die Jacke und rannte nach draußen. Für einen Augenblick blieb sie verstört stehen und dachte: Wo soll ich ihn denn jetzt suchen? Aber dann erkannte sie seine Spuren. Er hatte sich dem Berg zugewandt. Sie brauchte nicht sehr weit zu laufen. Auf einem Baumstumpf hockte der Mann und - weinte!

Zuerst bemerkte er sie gar nicht. Von irgendwoher wurde ihm die Jacke um die Schulter gelegt. Er spürte eine kleine Hand und blickte auf, sah durch einen Tränenschleier das Gesicht.

»Geh!«, stammelte er. »Lass mich allein!«

»Stefan«, flehte sie ihn an. »Nimm es doch nicht so schwer! Du darfst nicht so gebrochen sein, du musst weitermachen, immer weiter. In Wien hast du es doch auch getan.«

»Wien«, sagte er und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Und noch einmal ganz leise: »Wien. Das ist eine Ewigkeit her.« Wieder großes Schweigen. Annelie wagte kaum zu atmen. Er war ein Fremder für sie.

»Bring ihn zu Professor Sondberg!«, sagte er mit spröder Stimme. »Ich werde morgen einen Krankenwagen bestellen und ihn überführen lassen.«

»Nein!«, schrie sie fast. »Das dulde ich nicht. Er soll hierbleiben, bei dir. Ich weiß, du kannst es. Du wirst es schaffen, Stefan. So hab doch wieder Vertrauen zu dir, o, Stefan!«

Langsam wandte er den Kopf zur Seite und lächelte bitter.

»Du verstehst mich nicht«, flüsterte er. »Ich bin am Ende, Annelie - vollkommen am Ende. Und dieser Misserfolg hat mir den letzten Lebenswillen genommen. Ich kann einfach nicht mehr, ich kann nicht mehr!«

»Stefan, wir halten doch alle zu dir. Wolfgang, er liebt dich doch. Er ist so tapfer, du bist sein großer Freund, sein Vorbild. Du darfst ihn jetzt nicht im Stich lassen.«

»Ich muss«, sagte er müde.

»Warum?«

»Weil ich die Klinik schließen muss, Annelie. Ich habe mich übernommen. Ich wollte so vieles erreichen, aber die Schwierigkeiten sind größer. Ich habe das ganze Geld verbraucht. Ich kann nicht mehr weitermachen. Haller hat schon lange kein Gehalt mehr bekommen, der Hof ist über und über verschuldet. In Wien hatte ich eine ganz andere Rechnung aufgemacht. Ich hatte gehofft, zu Anfang eine Praxis für das Dorf nebenher betreiben zu können. Ich hatte ja Zeit. Es wäre Geld hereingekommen. Aber du kennst ja jetzt die ganze Geschichte. Sie sind nicht gekommen. Sie haben es geschafft. Nächste Woche muss ich viele Rechnungen bezahlen, und ich habe kein Geld mehr. Ich muss die Klinik schließen, die Kinder zurückschicken, und dann muss ich irgendwo wieder anfangen und so die Schulden abtragen, Annelie! So sieht die ganze Wahrheit aus. Aber ich hatte gehofft, gebetet, Wolfgang möge schon wieder so weit hergestellt sein, dass es für ihn nicht so schlimm wäre. Dieser Schlag war einfach zu viel. Ich bin am Ende.«

Annelie hatte mit totenblassem Gesicht zugehört. Dann hob sie ihr Gesicht und sagte mit leiser Stimme: »Wieviel Geld brauchst du denn, Stefan?«

Er lächelte müde. »So viel, dass mir keiner mehr etwas geben wird, denn ich kann keine Sicherheiten mehr bieten. Ich glaube, die Summe beläuft sich auf hunderttausend Mark. Davon sind die fälligen Hypotheken zu bezahlen, die Abzahlungen für die Geräte, und dann brauche ich ja auch noch Geld, um die Kinder weiter behandeln zu können. Hunderttausend Mark, und ich wäre für so lange gerettet, bis die neue Ernte da ist. Aber ich bekomme kein Geld mehr. Ich habe es schon bei allen Kassen in der Umgebung versucht. Und verkaufen kann ich auch nichts, denn alles ist belastet. Der Teufel mag wissen, wie ich meinen Verwalter bezahlen soll.«

»Hab doch Vertrauen!«, sagte sie leise und berührte kurz seine Hand. »Nur noch diese eine Woche - vielleicht ändert sich doch noch etwas, Stefan. Bitte, schick die Kinder noch nicht fort. Es wäre schrecklich für sie. O, Stefan, ich flehe dich an!«

Er lächelte müde. »Eine Woche, spielt das noch eine Rolle? Annelie, eine Woche?«

»Ja«, sagte sie tapfer. »Du bist so gut, du hast so Großes hier geschaffen. Du darfst einfach nicht aufgeben. Und du wirst sehen, es wird alles gut werden. Alles, Stefan. Du brauchst nicht mehr so müde zu sein und so viel Angst zu haben. Es wird gut, ich verspreche es dir.«

Seine alte Liebe brach sich wieder Bahn. Er sah sie an und lächelte.

»O Annelie«, sagte er weich. »O du meine Liebste. Jetzt, wo wir wieder beisammen sind wie damals, auch jetzt können wir nicht zueinander finden. Ich liebe dich noch immer, vielleicht sogar noch leidenschaftlicher, aber ich kann dich nicht bitten, zu bleiben. Ich will nicht, dass du in diesen Strudel gerätst. Es ist schon schlimm, dass ich Christiane alles fortgenommen habe. Sie wird es am Schwersten treffen, wenn unser Anwesen unter den Hammer kommt. Und die da unten im Dorf, die werden triumphieren und sagen: »Wir haben recht behalten. Dieser Narr, nun hat er alles verloren. Geschieht ihm recht.«

»Lass mich bei dir bleiben!«, sagte sie leise. »Nur so wie jetzt, mehr verlange ich gar nicht.«

Er zog sie in seine Arme, und beide weinten ein wenig. Aber sie schämten sich nicht der Tränen. Stumm saßen sie eine ganze Weile, und jeder schenkte dem anderen dadurch wieder ein wenig Kraft.

»Wir müssen jetzt wieder heimgehen, sonst machen sich die anderen noch Sorgen und gehen uns suchen«, sagte Annelie.

Christiane stand am Fenster, als sie zurückkamen. Als er vor ihr stand, sagte sie nur: »Wolfgang hat das Vertrauen zu dir nicht verloren. Er hat gesagt: Stefan soll gleich morgen noch einmal einen Versuch machen.«

Annelie hatte ihm wieder die Kraft gegeben, die er so lange entbehrt hatte. Jetzt strafften sich seine Schultern, und er sagte: »Ja, morgen früh will ich es noch einmal versuchen. Bereitet alles vor!« Als er ging, sagte Christiane zu Annelie: »Ich danke dir, ich danke dir!«

Die junge Frau lächelte weich, dann ging auch sie. An diesem Tage musste sie viele Briefe schreiben. Sie brachte sie persönlich zum Postamt. Obwohl sie eine Fremde war, wurde sie ebenso schief angesehen und kurz behandelt, denn sie arbeitete ja in der Klinik. Sie fühlte Zorn in sich hochsteigen. Doch sie biss die Zähne zusammen und lächelte tapfer.

Am nächsten Morgen wurde Wolfgang noch einmal operiert. Sie waren völlig konzentriert, die beiden Ärzte gaben wirklich ihr Bestes. Bis zur Erschöpfung arbeiteten sie sich wieder.

Annelie stand dabei und half, so gut sie konnte. Aber Christiane war OP -Schwester und den beiden eine große Hilfe.

»Lieber Gott«, betete Annelie, »lass alles gut werden! Ich flehe dich an, erhöre mich! Diese Menschen sind so selbstlos, so wundervoll. Sie tun das doch nicht, um reich zu werden, sondern um die Kinder wieder glücklich zu machen. Oh, mein Gott, wenn du ein wenig Erbarmen hast, so hilf ...«

Die Operation war vorüber. Annelie wachte die erste Nacht bei ihrem Bruder. Am Morgen löste Christiane sie ab. So ging es drei Tage. Am Samstag brachte ihr der Postbote einen dicken Brief. Am Montag war der Stichtag. Nur sie und Stefan wussten von dem Unheil, das über ihren Köpfen hing. Sie hatte ihn angefleht, diese eine Woche noch auszuharren, auf ein Wunder zu hoffen. Als sie sich am Samstagmorgen in die Augen sahen, erkannte sie, dass all sein Mut wieder verschwunden war. Sie lächelte ihn herzlich an. Aber er verstand dieses frohe Lächeln nicht. Müde ging er in das kleine Büro. Jetzt war er vollkommen am Ende. Er würde jetzt dem Professor mitteilen, dass die Kinder zurückkehren müssen, und ihn fragen, ob er sie alle aufnehmen könne. Vielleicht konnten er und Haller wieder die alten Stellen bekommen?

Als er sich an den Schreibtisch setzte, sah er mitten auf der Platte einen Scheck liegen. Einen Scheck über die Summe von 100 000,- DM. Wie gelähmt nahm er das Blatt in die Hand und starrte auf die Zahl. War das ein Traum? War das Wirklichkeit? Diese Summe? Diese Summe, die er so dringend benötigte, lag jetzt vor ihm. Und wie es schien, konnte er sofort über sie verfügen!

Und dann erkannte er die Unterschrift! Er stürzte zur Tür und schrie: »Annelie!«

Sie war nicht weit, hatte sozusagen schon auf ihn gewartet.

»Ja!«

Er zog sie ins Zimmer. Keuchend hielt er ihr den Scheck entgegen.

»Was soll das heißen?«

»Habe ich dir nicht gesagt, du sollst Vertrauen haben, Stefan?«

»Annelie, woher hast du das Geld?«

»Es ist mein Geld, und ich kann damit machen was ich will«, sagte sie lächelnd.

»Dein Geld?«, stammelte er.

»Ja«, sagte sie ruhig. »Ich habe meinen Anwalt beauftragt, Geschäft und Wohnung zu verkaufen. Der jetzige Pächter hat mit Freuden zugegriffen. Die Hälfte von dem Gewinn, also die hunderttausend Mark, die für Wolfgang bestimmt sind, habe ich festlegen lassen, damit er später in Ruhe lernen kann. Meine Hälfte aber leihe ich dir, Stefan. Ich weiß, bei dir ist das Geld in guten Händen.«

»Das Geschäft ... deines Bruders?«, stammelte er.

»Er möchte Arzt werden, Stefan. Ich habe lange mit Wolfgang gesprochen. Er ist damit einverstanden gewesen. So jung er auch noch ist, aber er weiß genau, was er will. Und jetzt bitte ich dich: Nimm das Geld! Dann kannst du weitermachen.«

»Das kann ich nicht annehmen, Annelie. Ich kann dir keinerlei Sicherheit bieten, das weißt du. Auch mit diesem Geld kann ich Mitte nächsten Jahres vielleicht am Ende sein. Wenn die Ernte wieder nicht so gut wird, wenn ich wieder nur Kassenpatienten habe ...«

»Lieber Stefan«, sagte sie mit bestimmter Stimme, »dann ist Wolfgang dein erster privater Patient. Und ihn gesund zu machen, du, mein Gott, das sind doch Zinsen genug! Stefan, du weißt doch, wieviel Gesundheit wert ist. Und zum anderen kannst du mir ja Aktien ausstellen. Dann bin ich Teilhaberin, und du kannst mich nie mehr rausschmeißen.«

Seine Hände zitterten, als er ihr Gesicht nahm und es zu sich heranzog.

»Annelie«, stammelte er, »du hast mein Leben gerettet! Ich kann also weitermachen?«

»Ja!«

»Ich schwöre dir, ich werde dir alles auf Heller und Pfennig zurückzahlen. Du musst mir nur Zeit lassen.«

»Ich lasse dir dafür das ganze Leben lang Zeit«, sagte sie lächelnd.

»Annelie, Annelie, Liebste ... In dem Augenblick - wenn mir das Messer nicht mehr so arg an der Kehle steht - in dem Augenblick, das schwör ich dir, komme ich zu dir; und dann werde ich dich ein zweites Mal fragen – Annelie, weißt du schon was?«

Sie lächelte ihn spitzbübisch an.

»Es wird das erste Mal sein. Damals hast du mich ja nimmer gefragt.«

Da lachte er auf. Und er lachte und lachte, und mit diesem Lachen rutschte der schwere Stein von seinem Herzen. Die anderen im Haus hörten sein befreites herzhaftes Lachen.

Haller knurrte: »Zum Teufel, ich möchte mal wissen, was der da zu lachen hat, während wir uns hier abschuften.«

»Komm«, sagte Stefan. »Jetzt sagen wir es den anderen.«

Er nahm ihre Hand, und sie fühlten sich so jung.

Christiane und Joachim Haller saßen beisammen und beugten sich über einige Akten. Stefan boxte den Freund in die Seite und sagte lachend: »Hör mal, alter Gauner, mach kein so sauertöpfisches Gesicht! Ich zahl dir die Hälfte deines fälligen Gehaltes - was sagst du dazu?«

Haller starrte ihn entgeistert an, und seine Schwester glaubte schon, er hätte jetzt endgültig vor lauter Sorgen und Grübeleien den Verstand verloren.

»Hast du im Lotto gewonnen?«

»So ungefähr. Hier neben mir steht die zauberhafte Fee, die uns vor dem Ruin gerettet hat.«

Jetzt erst erfuhren sie, wie nah sie daran gewesen waren, dies alles aufgeben zu müssen. Haller zerquetschte beinahe Annelies Hand.

»Das haben Sie gutgemacht. Ich werde Ihnen mein ganzes Leben dafür dankbar sein. Und sollte dieser Kerl da es nicht sein, so sagen Sie mir sofort Bescheid, und ich werde ihn auf der Stelle fordern.«

Wie fröhlich und lustig ging es jetzt in diesem Hause zu! Christiane rief: »Das muss unbedingt gefeiert werden! Auch die Kinder sollen daran teilnehmen. Ich werde jetzt in die Küche gehen und eine wundervolle Torte backen. Was heißt eine, mindestens drei!«

»Da komm ich gleich mit«, sagte Annelie lachend.

Die beiden Männer blieben zurück. Die kleine Station war versorgt.

Stefan sagte: »Hast du Lust, ein wenig mit in die Berge zu kommen? Bis die Kuchen fertig sind, können wir ruhig ein wenig kraxeln und uns Hunger holen.«

Haller drückte ihm fest die Hand.

»Stefan, ich wünschte, der gute Engel bliebe jetzt immer an deiner Seite.«

Der lächelte weich. »Das hoffe ich auch.«

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