Читать книгу Der Arztroman Lese-Koffer Mai 2021: 16 Arztromane - A. F. Morland - Страница 16

9

Оглавление

Das hübsche rothaarige Mädchen kicherte vor sich hin. Sie konnte es immer noch nicht begreifen, dass Jürgen Winter ausgerechnet sie angerufen und gebeten hatte, ins Krankenhaus zu kommen. Nun hockte sie auf ihrem Sessel, die Beine kokett übereinandergeschlagen, und spielte die große Dame.

„Ich finde das alles so furchtbar aufregend, Jürgen“, zwitscherte sie. „Du musst mir unbedingt erzählen, wie es zu diesem Unfall gekommen ist.“

Jürgen Winter zuckte zusammen, als er das Gehabe des Mädchens beobachtete. Dumme Pute, dachte er. Äußerlich aber lachte er das junge Ding freundlich an.

„Wie soll es schon passiert sein, Ellen?“, wehrte er ab. „Ich bin mal wieder zu schnell gefahren. War nur gut, dass der Oberarzt hier viel von seinem Fach versteht. Sonst …“

Erschreckt schlug das aufgeputzte junge Mädchen die Hände vor den Mund.

„So schlimm ist es gewesen?“, fragte sie. Ihre Neugier war doch stärker. „Nun erzähl doch endlich.“

Aber Jürgen hatte dazu keine Lust. Unwillig verzog er die Stirn.

„Nun hör schon endlich auf“, knurrte er. „Ich hab dich nicht kommen lassen, um dir meine Operation zu erzählen.“

Sie verzog ihr Schmollmündchen.

„Dann kann ich ja gleich wieder gehen“, maulte sie. „Ich hab mich sowieso schon gefragt, warum du ausgerechnet mich angerufen hast.“

Jürgen ließ seinen ganzen Charme spielen. Er beugte sich etwas vor und sah das junge Mädchen verliebt an.

„Ahnst du das denn nicht, Ellen“, fragte er mit zärtlicher Stimme. „Das ist doch völlig klar. Ich hatte einfach Sehnsucht nach dir“

Ellen Klinger schluckte die plumpe Schmeichelei. Ihr kleines Gesichtchen leuchtete auf. An und für sich war sie ein feiner Kerl. Aber die große Welt hatte sie gelockt. Wie viele andere junge Mädchen hatte auch sie sich eingebildet, es genüge, eine gute Figur zu haben, um dann beim Film unterkommen zu können. Bald hatte sie die jungen Playboys der Stadt kennengelernt, und ihr kam es so vor, als ob sie nun endlich die große Welt kennengelernt habe.

„Ist das auch wirklich wahr, Jürgen“, fragte sie. „Ich kann das gar nicht so recht glauben.“

In Jürgen regte sich das schlechte Gewissen. Für einen Moment tat ihm das junge Ding leid. Aber dann überwog der Hass gegen Jochen Schreiber und Angelika. Er hatte das Spiel angefangen, jetzt wollte er es auch zu Ende führen. Und in diesem Spiel war die etwas dumme Ellen eine nicht zu übersehende Figur.

„Natürlich ist das wahr, meine Kleine“, lächelte er falsch. „Wenn ich es dir sage …“

In Ellen Klingers Gesicht leuchtete es auf. Schon bei der ersten Begegnung hatte sie sich in Jürgen verliebt. Aber er hatte sie nie beachtet. Wie oft hatte sie darunter gelitten. Und wie hatte sie sich gefreut, als plötzlich heute der Anruf gekommen war. Sie hatte sich gar nicht schnell genug fein machen können. Sogar ein Taxi hatte sie genommen, um nur schnell genug bei ihm sein zu können. Und nun hatte er ihr selbst gesagt, dass er sie gerne hatte, dass er sie liebte.

Ihr Gesicht hatte sich auf seltsame Weise verschönert. Alles Billige und Nachgemachte war von ihr abgefallen, die Kraft der Liebe hatte seine wahre Schönheit aufblühen lassen.

Jürgen hatte den Wandel voll Verwunderung erlebt Sein Herz krampfte sich zusammen, als er daran dachte, wie schändlich er Ellen enttäuschen würde. Ich bin ja in dies kleine Mädchen verliebt, dachte er verwundert. Ich bin doch tatsächlich in sie verliebt.

Der Gedanke erfüllte ihn mit Freude und Glück. Er vergaß, warum er sie angerufen hatte, nur das Erstaunen und die Erkenntnis waren in ihm.

„Komm zu mir, Ellen“, bat er sanft. „Ich möchte deine Hand halten, sonst nichts.“

Gerade, als das junge Mädchen seinem Wunsch folgen wollte, klopfte es an der Tür.

Jürgen sah hoch.

„Nimm da drüben Platz“, zischte er Ellen zu und wies dabei auf eine Sitzecke im Hintergrund des Zimmers, die im Dunkeln lag.

Ellen sah ihn überrascht an, eilte aber folgsam zu dem Platz.

Erst als Ellen Platz genommen hatte, rief Jürgen: „Herein!“

Jochen Schreiber betrat das Zimmer. Etwas verwundert sah er Jürgen Winter an. Er war es nicht gewohnt, so lange vor einer verschlossenen Tür zu stehen. Dann entdeckte er im Halbdämmer des Zimmers das junge Mädchen. Ein verstehendes Lächeln spielte um seine Lippen.

„Verzeihen Sie, dass ich störe, Jürgen“, sagte er schnell. „Ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich mit Ihrem Vater gesprochen habe. Ich freue mich schon darauf, mit Ihnen zusammenarbeiten zu können.“

Jürgen hatte sich gut in der Gewalt. Aller Hass war wieder in ihm aufgebrochen. Er kam sich hintergangen vor. So töricht der Gedanke auch sein mochte, er war stärker als seine aufkeimende Liebe zu Ellen Klinger.

„Mein Vater hat es mir schon gesagt, Herr Dr. Schreiber“, sagte er etwas steif. Noch hatte er sich nicht wieder ganz von dem Schrecken erholt.

„Sagen Sie ruhig Jochen zu mir“, lachte der Oberarzt. „Immerhin werden wir von jetzt ab ständig zusammen sein. Und außerdem sind wir ja in absehbarer Zeit Kollegen.“

Jürgen fühlte sich durch die Offenheit und Herzlichkeit des Arztes beschämt. Und weil er Scham fühlte, stieg der Hass. Es fiel ihm unsagbar schwer, sich zu beherrschen, aber er schaffte es.

„Ich danke Ihnen, Jochen“, murmelte er. „Ich verspreche Ihnen, dass Sie es nie bereuen werden.“ Du wirst es wirklich nicht bereuen, dachte er grimmig. Nur anders, als du es dir denkst. Wut, Scham. Enttäuschung und Hass kochten in ihm, machten ihn blind. Er war nicht mehr in der Lage, zu erkennen, wohin er sich verrannte. Was immer an guten Regungen in ihm gewesen war, jetzt war es endgültig erstorben. Verschüttet unter der Lava seines Hasses.

Jochen sah lächelnd auf den jungen Mann hernieder. Auch seine Gedanken beschäftigten sich mit dem zukünftigen Partner. Er hat sich sehr zu seinem Vorteil verändert, fuhr es ihm durch den Kopf.

Herzlich reichte er dem Sohn seines Chefs die Hand.

„Sehen Sie zu, dass Sie bald wieder auf den Beinen sind“, meinte er burschikos. „Die Arbeit wartet schon.“ Er verbeugte sich in Richtung Ellen. „Und jetzt möchte ich nicht länger stören. Guten Abend!“

Er winkte Jürgen zu und verließ den Raum.

Ellen Klinger hatte aus dem Hintergrund mit großen Augen zugeschaut. Kaum hatte sich die Tür hinter Jochen Schreiber geschlossen, als sie zu Jürgen eilte. Selig aufseufzend schmiegte sie sich in seine Arme.

Jürgen stöhnte leicht auf. Erschreckt sah das junge Mädchen hoch.

„Hab ich dir weh getan, Jürgen?“, fragte sie besorgt.

Aber Jürgen schüttelte den Kopf. Sein Gesicht war finster.

„Was hast du“, erkundigte sich Ellen erschrocken. „Habe ich etwas falsch gemacht?“

„Nein!“ Jürgen presste die Worte zwischen den Zahnen hervor. Seine Augen glühten. „Dieser Kerl da, er ist mir widerlich!“

Ellen Klinger erschrak vor seinem Gesicht. Hass loderte aus seinen Augen.

„Aber warum denn?“, fragte sie leise. „Er machte doch einen so netten Eindruck.“

„Netten Eindruck!“ Jürgen lachte höhnisch auf. „Weißt du, wer das ist? Das ist der Mann, der mich aus meinem Erbe gedrängt hat.“

Verständnislos schaute das junge Mädchen ihn an. So hatte sie Jürgen noch nicht erlebt. Der junge Mann schien alle Beherrschung verloren zu haben.

„Du brauchst mich gar nicht so entgeistert anzustarren“, fauchte Jürgen. „Es ist die reine Wahrheit.“ Blitzartig war ihm eine Idee gekommen. Jetzt wusste er, wie er Jochen Schreiber vernichten konnte.

Wie von Geisterhand weggefegt, verschwand seine finstere Miene. Er lächelte Ellen an. Zärtlich streichelte er ihre Hand.

„Aber wir wollen nicht mehr davon reden“, sagte er leise. „Wichtig bist nur du!“

Ellen Klinger schmiegte sich an ihn. Sie konnte nicht sein triumphierendes und höhnisches Lächeln sehen.

Der Arztroman Lese-Koffer Mai 2021: 16 Arztromane

Подняться наверх