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Ellen Klinger drehte den Brief unschlüssig in der Hand hin und her. Seit Wochen hatte sie nichts mehr von Jürgen gehört. Er hatte sich völlig abgekapselt. Und jetzt plötzlich dieser Brief.

Dann aber riss sie sich zusammen. Hastig schlitzte sie den Umschlag auf. überflog die wenigen Zeilen. Ihr Gesicht leuchtete auf.

„Na“, fragte ihre Freundin spöttisch. „Hat dein Jürgen doch mal wieder von sich hören lassen.“

Ellen war viel zu glücklich, um etwas sagen zu können. Sie nickte eifrig. Den Brief an ihr heftig klopfendes Herz gepresst, lief sie in ihr Zimmer. Sie musste jetzt mit ihrem Glück allein sein, Ihre Freundin sah ihr mit einem spöttischen Auflachen nach.

Immer wieder las Ellen die wenigen Zeilen. Dann schaute sie auf die Uhr. Hastig begann sie sich fertigzumachen.

Jochen Schreiber hatte zwar unwillig gebrummt, als Jürgen sich für den Rest des Tages bei ihm verabschiedete, aber andererseits war es ihm ganz recht. So konnte er in Ruhe seinen Vortrag für den Ärztekongress weiter ausarbeiten.

Nun hockte Jürgen hier am Pier und starrte trübsinnig in das Wasser. Natürlich hatte er heute morgen sofort entdeckt, dass der junge Arzt vollauf damit beschäftigt war, seinen Bericht zu schreiben. Sie hatten sich oft genug darüber unterhalten, ob es an der Zeit sei, sofort mit den Forschungsarbeiten vor die interessierte Öffentlichkeit zu treten. Jürgen war stets dagegen gewesen. Jochen hatte seinen Argumenten stets amüsiert gelauscht, nie aber gesagt, was er nun selbst vorhabe.

Jürgen fühlte sich hintergangen. Noch wusste er nicht genau, wie er sich an Jochen rächen würde, aber dass er sich rächen würde war sicher.

Ellen Klinger kam eilig auf ihn zu. Sie hatte ein hübsches blaues Kostüm an. Ihre Augen leuchteten.

„Ich freue mich, dass es dir so gut geht, Jürgen“, begrüßte sie ihn atemlos. „Aber warum hast du mir nicht gesagt, dass du schon wieder auf bist. Wir hätten uns doch schon längst einmal treffen können.“

Jürgen zog unwillig die Schultern hoch. Sein Arger war noch nicht verrauscht.

„Ich hatte keine Zeit“, knurrte er. „Bin mitten in einer wichtigen Forschungsarbeit.“

Ellen Klinger lachte leise auf,

„Nun erzähl keine Geschichten, Jürgen“. meinte sie übermütig. „Du und Forschungsarbeiten. Das soll wohl ein Witz sein.“

Der junge Mann schaute sie wütend an.

„Ich habe sogar eine wichtige Entdeckung gemacht“, fuhr er Ellen an. „Das kannst du mir ruhig glauben.“

Ellen Klinger sah ihn ängstlich an.

„Nun sei nur doch nicht gleich böse“, bat sie. „Ich hab es doch nicht so gemeint. Immerhin …“

„Ja, ja ich weiß schon“, maulte Jürgen. „Mir traut man nichts Vernünftiges zu.“ Fast verächtlich wandte er sich ab und trottete am Ufer entlang. „Du bist genau wie all die andern auch.“

Ellen lief ihm nach. Sie hängte sich bei ihm ein.

„Bitte, Jürgen“, sagte sie leise. „Ich habe es nicht so gemeint. Natürlich weiß ich, dass du es schaffen kannst, wenn du nur willst.“

Jürgen fühlte sich von ihren Worten seltsam angerührt. Es tat ihm gut, zu spüren, dass es wenigstens einen Menschen gab, der unbedingt an ihn glaubte. Jahrelang hatte er darunter gelitten, der Sohn des großen Professors Winter zu sein. Von ihm hatten alle Professoren auf der Universität mehr verlangt als von den übrigen Studenten. Das Studium, von ihm mit wahrer Begeisterung begonnen, war ihm zur Qual geworden. Der Vater, den er schon als Knabe bewundert hatte, wurde ihm zur Last. Und dann eines Tages war er es leid. Er hatte Studium und Sehnsucht nach dem Arztberuf an den Nagel gehängt und sein wildes Leben als ewiger Student begonnen.

Wie ein Ertrinkender klammerte er sich an Ellen. Alles brach aus ihm heraus. Seine Enttäuschung über Jochen Schreiber. Nichts verschwieg er ihr.

Das junge Mädchen hörte ihm geduldig zu. Es machte sie stolz, dass Jürgen so viel Vertrauen zu ihr hatte. Beruhigend streichelte sie seine Hand.

„Verstehst du nun“, ereiferte sich Jürgen weiter. „Dieser Jochen Schreiber will mich um das bringen, was ich geschafft habe. Ich habe ihm vertraut, habe meinen Hass vergessen. Habe geglaubt. dass ich sein gleichberechtigter Mitarbeiter bin.“ Höhnisch lachte er auf. Die Bitterkeit schmeckte wie Galle in seinem Mund. „Und was ist daraus entstanden! Ich bin ein besserer Laborgehilfe für ihn. Von Mitarbeit keine Rede mehr.“ Er hatte sich zu Ellen herumgedreht. Seine Augen brannten. „Weißt du, was der saubere Herr gerade macht! Er sitzt an seinem Schreibtisch und stellt den Bericht für den Ärztekongress zusammen.“

Ellen Klinger schrie leise auf.

„Das ist doch nicht möglich“, meinte sie dann. „Das kann er doch nicht tun.“

Jürgen winkte ab.

„Und ob er das kann“, knurrte er. „Er ist der große Arzt, und ich bin nur ein verkrachter Medizinstudent. Da hast du die Antwort.“

Ellen Klinger schaute über das graue Wasser des Flusses. So glücklich sie auf der einen Seite war, dass Jürgen sich ihr anvertraute, sein Kummer belastete ihr Herz.

„Kann denn dein Vater dir nicht helfen“, versuchte sie es noch einmal. „Immerhin ist er ein weltberühmter Mann. Mein Bruder hat immer von ihm geschwärmt.“

Jürgen sah interessiert hoch.

„Dein Bruder“, fragte er. „Wieso kennt dein Bruder meinen Vater?“

Ellen Klinger wurde rot.

„Ich dachte, du hättest es gewusst“, murmelte sie. „Mein Bruder ist auch Arzt. Er lebt jetzt in Berlin.“

Jürgen sah vor sich hin. Plötzlich war ihm eine Idee gekommen, wie er sich an Jochen Schreiber und auch gleichzeitig an Angelika rächen konnte.

„Wie ist das nun mit deinem Vater?“, wiederholte Ellen. „Er muss dir doch helfen können.“

„Kein Gedanke“, wehrte Jochen ab. „Mein Vater hat sich von diesem ehrgeizigen Betrüger einwickeln lassen. Du kannst es mir glauben, ich kann mir nur alleine helfen. Und du natürlich.“

„Ich?“

Ellen Klinger glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Das konnte doch nicht wahr sein. Der sonst so selbstsichere Jürgen Winter bat sie um Hilfe.

„Was immer du von mir verlangst, werde ich tun“, sagte sie ernst. „Vergiss das nie, Jürgen.“

Der junge Mann nahm sie in seine Arme. Fest presste er sie an sich.

„Ich weiß, Ellen“, sagte er heiser. „Ich habe nur noch dich auf der Welt.“ Fast gewaltsam umschlangen seine Arme das junge Mädchen. Wie zwei schutzbedürftige Kinder drängten sie sich aneinander. Als ihre Lippen sich fanden, küssten sie sich voller Verzweiflung.

Der Arztroman Lese-Koffer Mai 2021: 16 Arztromane

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