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Angelika hatte lange gezögert, ob sie Jochen etwas von dem seltsamen Gebaren Jürgens erzählen sollte. Sie schämte sich etwas. Aber dann hatte sie sich doch dazu durchgerungen.

Heute Abend hatten sie beide dienstfrei. Jochen hatte seinen Wagen aus der Garage geholt, und sie waren in die Umgebung der Stadt gefahren. Ein blass-blauer Himmel spannte sich über das herbstlich kahle Land. Schwer und dunkel lagen die frisch gepflügten Acker im Licht der Sonne, fettig glänzte der fruchtbare Boden.

Von den Wiesen stieg ein kaum wahrnehmbarer Dunst auf. Sie hatten den Wagen in einem Waldweg stehen lassen und schlenderten Arm in Arm durch das stille Land.

Die Felder lagen verlassen da, kein Mensch war zu sehen. Aus einem nahen Gehöft hörten sie das tiefe Brummen einer Dreschmaschine. Weit in der Ferne gellte der Pfiff einer Lokomotive.

„Ist dir kalt, mein Herz?“, erkundigte sich Jochen zärtlich.

„Ein bisschen“, gestand Angelika. Sie lächelte ihren Liebsten an. „Ich bin es nicht mehr gewohnt, im Freien herumzulaufen“, erklärte sie. „Die letzten Wochen bin ich kaum einen Tag an die frische Luft gekommen.“

Besorgt nahm der Arzt das junge Mädchen in seine Arme.

„Ganz schmal bist du geworden“, klagte er. „Es war zu viel für dich. Dein normaler Dienst und dazu die Pflege des jungen Winter …“

Angelika hatte das Gefühl, dass es nun an der Zeit sei, Jochen von dem Zwischenfall mit Jürgen zu berichten. Aber als sie gerade sprechen wollte, fuhr Jochen schon fort: „Apropos, Jürgen Winter“, sagte er. „Das hätte ich fast vergessen dir zu erzählen. Der Chef ist bei mir gewesen und hat mich gebeten, dass ich mich um seinen Sohn kümmere. Ich hab zugesagt.“

Angelika sah ihn fragend an.

„Soll er famulieren?“, erkundigte sie sich.

Jochen schüttelte den Kopf.

„Das hab ich zuerst auch gedacht“, gestand er. „Aber das ist es nicht. Jürgen soll mich in meiner Forschungsarbeit unterstützen. Dabei kann er mehr lernen.“

Angelika konnte es nicht fassen.

„Der Professor hat es also gewusst“, stammelte sie.

„Und ob er es gewusst hat“, musste Jochen eingestehen. „Aber er hat nichts gesagt. Im Gegenteil, er hat mir gratuliert. Ist schon ein feiner Kerl, der Chef.“

Angelika senkte den Kopf. Ihr Herz war schwer. Die langen gemeinsamen Abende mit Jochen waren nun vorbei. Wie hatte sie sich immer darauf gefreut, wie glücklich war sie gewesen, mit dem geliebten Mann zusammenarbeiten zu können. Und jetzt drängte sich ein anderer Mann dazwischen, ein Mann, der sie mit Liebesanträgen bedrängt hatte.

Am liebsten hätte sie Jochen alles gesagt, aber Scham und die Erkenntnis, dass diese Tatsache die Zusammenarbeit der beiden Männer erschweren würde, verschlossen ihr den Mund. Sie schmiegte sich noch enger an Jochen.

In den kahlen Zweigen des Baumes hockte ein Pirol und sang sein einsames Lied. Einen Augenblick lang hatte Angela das Gefühl, als ob es das Todeslied ihrer Liebe sei. Sie schauderte.

Jochen zog sich lachend die Jacke aus und hängte sie ihr um.

„Du bist ein Frierpitterchen“, meinte er übermütig. „Komm, wir laufen ein bisschen, vielleicht wirst du dann warm.“

Und schon raste er los. Fest hielt sie seine Hand umklammert. Wenn ihr Mund auch lachte, ihr Herz blieb schwer.

Der Arztroman Lese-Koffer Mai 2021: 16 Arztromane

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