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Rainer Märthesheimer kam nach Hause. Der Geruch von geschmolzenem Käse wehte ihm aus der Küche entgegen. Seine Frau begrüßte ihn mit einem schnellen Kuss.

„Guten Abend, Schatz“, sagte Ute. „Das Essen ist in fünf Minuten fertig.“

„Was gibt’s denn?“

„Brokkoliauflauf.“

Er begab sich ins Wohnzimmer. Es dauerte nicht lange, bis Ute ihn zu Tisch rief. Sie aßen, und Rainer war dabei sehr schweigsam.

„Hattest du wieder viel zu tun in der Firma?“, erkundigte sich Ute Märthesheimer.

„Heute nicht.“

„Mit irgend jemandem Ärger gehabt?“

„Am Morgen. Ein bisschen. Nicht richtigen Ärger. Thomer kam eine Dreiviertelstunde zu spät. Wird ihm abgezogen.“

Als Ute Märthesheimer den Namen hörte, gab es ihr unwillkürlich einen Stich. Sie konzentrierte sich auf das, was auf ihrem Teller lag.

„Darf ich dich was fragen, Ute?“, sagte Rainer. Er legte das Besteck weg, aß nicht weiter

„Natürlich.“

„Bist du mit mir als Ehemann eigentlich zufrieden?“

Sie nickte und sagte, ohne ihm in die Augen zu sehen: „Du behandelst mich gut, respektierst mich ...“

„Bist du mit mir zufrieden?“, wollte er wissen.

Sie sah ihn kurz an, schaute gleich wieder weg. „Ja. Selbstverständlich, Warum fragst du?“

„Ich bin gesundheitlich nicht mehr so ganz auf der Höhe.‟

„Ich habe gelobt, in guten wie in schlechten Zeiten zu dir zu halten ...“

„Ich habe Probleme mit meiner – mit unserer Tochter. “

„Ich gebe die Hoffnung nicht auf,dass sich das eines Tages wieder einrenken wird.“

„Es gibt bessere Männer als mich“, fuhr Rainer fort.

„Ich möchte keinen andern haben“, versicherte ihm seine Frau.

„Wirklich nicht?“

Sie sah ihn betroffen an. „Rainer. Wie soll ich das verstehen?“

Er sah sie mit zusammengekniffenen Augen prüfend an. „Interessieren andere Männer dich nicht?“

„Nein.“

„Aus welchem Grund gehst du dann allein aus?“

Eine glühende Nadel schien ihr Herz zu durchbohren. Die Worte ihrer Tochter fielen ihr ein. Als sie sich das vorletzte Mal mit Lore getroffen hatte, hatte diese gesagt: „Irgend wann wird Papa dir auf die Schliche kommen. Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.“

Ute Märthesheimer schluckte trocken. „Ich gehe doch nicht allein ...“

„Thomer hat dich gestern gesehen“, sagte Rainer hart. „Vor einer Pizzeria. Beim Stachus. Allein. Wo wohnt deine alte Lehrerin?“

„In Schwabing.“

„Wie kannst du gleichzeitig in Schwabing und beim Stachus sein?“

Ute Märthesheimer schwieg.

„Hast du mir nichts zu sagen?“, fragte ihr Mann rau.

Ute brachte keinen Ton heraus.

„Wie heißt deine Lehrerin gleich nochmal?“, sagte Rainer Märthesheimer. „Walpurga Buschmann-Rathjen, nicht wahr?“

Ute nickte benommen. Der Krug! Der Krug!, dachte sie aufgewühlt. Jetzt zerbricht er!

„Wollen wir sie anrufen?“, fragte Rainer.

Ute antwortete nicht.

„Wollen wir sie fragen, wie es ihr geht?“, fuhr der Mann fort.

Ute erwiderte nichts.

„Ich habe sie angerufen“, platzte es plötzlich aus Rainer heraus. „Möchtest du wissen, wie es ihr geht? Ich kann es dir sagen: Sie ist tot. Ja, tot. Da staunst du, was? Frau Walpurga Buschmann-Rathjen, bei der du gestern angeblich zu Besuch warst, ist vor zwei Wochen gestorben. Ich hab’s von ihrer Tochter.“

Der Krug! Der Krug!, schrie es in Ute Märthesheimer. Jetzt ist er kaputt!

„So!“, stieß Rainer bebend hervor. „Und nun bin ich auf deine Erklärung gespannt.“

Sie wusste nicht, wie sie ihm so schonend wie möglich beibringen sollte, dass sie sich hinter seinem Rücken mit Lore traf.

„Es ist nicht so, wie du denkst, Rainer“, krächzte sie.

Er funkelte sie an. „Keine Spielchen mehr, Ute. Jetzt will ich die Wahrheit wissen.“

„Du bist ein wunderbarer Mann ... “

Er schlug mit der Faust auf den Tisch und sprang auf. „Ach, komm, Ute, hör auf!“, schrie er. „Lass das! Ich sagte: Keine Spielchen mehr! Du betrügst mich, nicht wahr?“

„Nein.“

„Sag die Wahrheit.“

„Es ist die Wahrheit“, beteuerte Ute Märthesheimer. „Bitte, Rainer, du musst mir glauben“, beschwor sie ihren Mann. „Und du darfst dich nicht so aufregen ...“

„Kommt es dir nicht entgegen, wenn ich mich aufrege?“

„Denk an dein Herz ...“

„Wenn es streikt, bist du Witwe. Und frei!“

„Wie kannst du so etwas Grauenvolles sagen?“, schluchzte Ute. „Na schön. Du willst die Wahrheit wissen. Ich sag’ sie dir. Ja, es stimmt. Ich habe dich belogen. Ich habe mich hinter deinem Rücken mit jemandem getroffen, und zwar mit ... Rainer! Rainer! O Gott! O mein Gott!“

Seine Lippen hatten sich blau verfärbt. Sein Gesicht hatte sich schmerzlich verzerrt. Seine Finger hatten sich in seine Brust gekrallt.

Jetzt krümmte er sich und röchelte entsetzlich. Er wankte, wollte sich auf die Stuhllehne stützen, doch der Stuhl, auf dem er vorhin gesessen hatte, fiel mit ihm um, ehe Ute es verhindern konnte.

Fassungslos starrte Ute Märthesheimer auf ihren Mann. Rainer regte sich nicht mehr. War er – tot?

Ich muss was tun!, dachte die verzweifelte Frau aufgewühlt. Ich muss was tun!

Obwohl sie wusste, wie wertvoll jede Sekunde war, war sie unfähig, sich zu bewegen. Als es ihr endlich gelang, ihre Schocklähmung abzuschütteln, stürzte sie zum Telefon und rief hysterisch kreischend einen Krankenwagen.

Der Arztroman Lese-Koffer Mai 2021: 16 Arztromane

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