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Dana Härtling riss entsetzt die Augen auf.

„Vorsicht!“, schrie sie. Das schwarzhaarige Mädchen, dem der Warnruf galt, drehte sich auf der Fahrbahn um und sah sie an, als wollte sie fragen: ‘Meinst du mich?’

In der nächsten Sekunde passierte schon das Unglück, das Dana hatte verhindern wollen. Ihre Kopfhaut spannte sich, und ihr Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen, als der Wagen das Mädchen erfasste, von den Beinen riss und durch die Luft wirbelte.

Dana rannte zu der Verunglückten, die so alt war wie sie. Aus dem Wagen, der das Mädchen angefahren hatte, sprang ein junger Mann.

„O mein Gott … O mein Gott ...“,stammelte er. „Ich – ich hab’ sie nicht gesehen ... Mir ist die Zigarette runtergefallen ... “

Dana beachtete ihn nicht. Sie beugte sich über das Mädchen. „Bist du verletzt?‟

„Ich weiß nicht.‟

„Glaubst du, du kannst aufstehen?‟

„Ich – ich weiß nicht …‟

Ein Nicken war die einzige Antwort.

„Warte“, sagte Dana. „Ich helfe dir.“

Sie legte sich den Arm des Mädchens um die Schultern und richtete sich mit ihr auf. „Geht es?“ fragte sie besorgt. „Wenn nicht ... “

Das Mädchen humpelte mit Dana auf den Gehsteig.

„Ich hab’ dich nicht gesehen“, stöhnte der bleiche Autofahrer. „Tut mir leid. Tut mir echt leid. Ehrlich.“

„Mir ist so komisch“, flüsterte das Mädchen.

„Mein Vater leitet eine Klinik“, erklärte Dana Härtling. Sie sah den Autofahrer an und sagte zu dem Mädchen: „Wir bringen dich da hin.“

„Ich kann mir keinen Klinikaufenthalt leisten“, seufzte das Mädchen. „Und dein Vater hat bestimmt nur Privatpatienten.“

„Mach dir darüber keine Gedanken.“

Der junge, schätzungsweise zweiundzwanzigjährige Mann wollte helfen, wagte aber nicht, das schwarzhaarige Mädchen anzufassen.

„Ich – ich bin versichert “, presste er heiser hervor. Panik glitzerte in seinen dunklen Augen. „Meine Versicherung wird für alles aufkommen. Ich werde mich selbst anzeigen.“

„Das machst du später. Erst fährst du uns zur Paracelsus-Klinik“, sagte Dana Härtling nüchtern. „Falls du dich dazu außerstande siehst, fahre ich. “

„Das wäre vielleicht besser. Ich bin mit den Nerven nämlich total runter.‟

„Wie heißt du?“

„Schneider. Andy Schneider. “

„Okay, Andy, ich bin Dana Härtling.“

Sie bat ihn, ihr mit der Verunglückten zu helfen. So behutsam wie möglich verfrachteten sie sie in den Wagen.

Dann stiegen sie ein. Dana setzte sich ans Steuer. Zum Glück besaß sie seit ihrem achtzehnten Geburtstag einen Führerschein, und an Fahrpraxis mangelte es ihr auch nicht, denn sie und ihr Zwillingsbruder Ben hatten einen gebrauchten Kleinwagen bekommen, und solange der Treibstoff nicht fünf Mark pro Liter kostete, konnte sie es sich leisten, damit auch zu fahren.

Nachdem Dana den Sicherheitsgurt angelegt hatte, fuhr sie los. Da sie das Fahrzeug nicht kannte, fuhr sie trotz gebotener Eile nicht zu schnell.

„Das hat vorhin ziemlich schlimm ausgesehen“, sagte sie nach einer Weile.

„Kann man wohl sagen“, stimmte Andy Schneider ihr zu. Er sah das Mädchen an, neben dem er saß. „Mir blieb das Herz stehen, als ich dich durch die Luft fliegen sah. Wie heißt du überhaupt?“

„Lilo Henckels“, antwortete das Mädchen mit vibrierender Stimme.

Hoffentlich hat sie keine inneren Verletzungen erlitten, dachte Dana, während sie den Wagen immer sicherer durch den allmählich dichter werdenden Nachmittagsverkehr lenkte.

„Ich kann mich an den Unfall nicht erinnern“, sagte Lilo unsicher.

„Du hast einen Schock erlitten“, sagte Dana.

„Mir tut der Kopf weh.“

„Ist dir auch schlecht?“

„Ein bisschen“, sagte Lilo Henckels.

„Könnte eine Gehirnerschütterung sein.“

„Jesus“, stöhnte Andy Schneider verzweifelt, „und ich bin schuld daran. Ich rauche nie wieder im Auto. Nie wieder.“

„Ist es noch weit?“, wollte Lilo wissen.

„Wir sind gleich da“, versicherte Dana, und wenige Minuten später tauchte die Paracelsus-Klinik vor ihnen auf.

In der Notaufnahme übernahm Dr. Jan Jordan die Patientin. Eine große weiße Tür schloss sich, und dann war Dana Härtling mit Andy Schneider allein. Er stöhnte.

„Wie schnell etwas passieren kann. Stell dir vor, Lilo wäre ... sie wäre gestorben. Ich weiß nicht, was ich dann getan hätte.“

Dana musterte sein Gesicht. Er sah gut aus, hatte schwarzes Haar, markante Züge und hübsche kleine Ohrläppchen. „Hattest du schon mal einen Unfall?“, fragte sie ihn.

Er schüttelte heftig den Kopf. „Noch nie. Ich dachte bisher immer, mir könne so etwas nicht passieren, ich wäre ein sehr guter Autofahrer. “ Er senkte seine Stimme. „Und dann fahre ich beinahe ein Mädchen tot. “

Dr. Michael Wolfram, Assistenzarzt wie Dr. Jordan, erschien in der Notaufnahme. Er war überrascht, die Tochter des Klinikchefs, hier zu sehen. Dana erklärte ihm, weshalb sie hier war, und er verschwand ebenfalls hinter der besagten weißen Tür.

Dana sah Andy Schneider an. „Was bist du von Beruf?“

„Ich bin zur Zeit arbeitslos.“

„Und was für einen Beruf hast du gelernt?“

„Verkäufer. Und was machst du?“

„Ich gehe noch zur Schule.“

„Und danach?“, fragte Andy Schneider. „Willst du Ärztin werden?“

„Mal sehen.“ Dana zuckte mit den Schultern. „Ich hab’ mich noch nicht festgelegt.“

Andy nagte an seiner Unterlippe. „Lilo bekommt von meiner Versicherung hoffentlich ein angemessenes Schmerzensgeld. Und die Jeans muss man ihr auch ersetzen. Sie sind zerrissen, hast du’s gesehen?“

Dana Härtling nickte. „Hab’ ich.“

„Ich nehme die ganze Schuld auf mich. Lilo kann nichts dafür, dass ich sie angefahren habe. Sie wollte einfach nur die Straße überqueren – und das verfluchte Schicksal wollte es, dass mir ausgerechnet in diesem Augenblick die Zigarette ... Oh, ich könnte mich erschlagen! Ich gebe das Rauchen auf. Ich schwör’s. Ich rühre nie wieder einen verdammten Glimmstängel an.“

„Kann ich dich kurz allein lassen?“, fragte Dana.

Andy sah sie unsicher an. „Wo willst du hin?“

„Zu meinem Vater.“

Andy setzte sich. „Ich bleibe hier. Ich rühre mich nicht von der Stelle. Ich verlasse diese Klinik erst, wenn ich weiß, wie es Lilo geht.“

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