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„Na, Dana“, sagte Schwester Annegret, als sie der Tochter ihres Chefs auf dem Flur der Paracelsus-Klinik begegnete. „Schon wieder hier?“

„Wie geht es Lilo Henckels?“, wollte Dana Härtling wissen.

„Sie hat eine gute Nacht hinter sich.“

„Und wie war der Tag bisher für sie?“

„Ich denke, sie macht zufriedenstellende Fortschritte“, sagte die alte Pflegerin.

„Ist jemand bei ihr?“

„Nein“, antwortete Schwester Annegret.

Sie war ein sehr wandlungsfähiger Mensch, konnte unglaublich gütig, aber auch wahnsinnig streng sein. Wie es die Situation gerade erforderte.

Die Anästhesistin Dr. Andrea Kellberg trat aus einem der Räume. „Hallo, Dana.“

„Guten Tag, Frau Dr. Kellberg“, gab die Tochter des Klinikchefs zurück.

„Geht’s gut?“

„Ja. Danke.“

„Fein.“ Andrea Kellberg wandte sich an die Pflegerin. „Schwester Annegret, ich brauche Ihre Hilfe.“

„Okay.“ Annegret sah Dana an. „Tschüs.“

„Tschüs“, gab Dana zurück. Sie winkte der Anästhesistin und betrat dann das Zimmer, in dem Lilo Henckels lag. „Na, du“, sagte sie zu dem schwarzhaarigen Mädchen, das erfreulicherweise schon etwas mehr Farbe hatte als bei der Einlieferung.

„Dana.“

„Wie ist denn so das werte Befinden?“, erkundigte sich Dana Härtling schmunzelnd.

„Ich werde langsam wieder.“

„Das hört man gern.“

Lilo seufzte. „Unkraut vergeht nicht.“

Dana sah sie vorwurfsvoll an. „Warum sagst du so was? Du bist doch kein Unkraut!“

„Doch. Frag meine Eltern. Die werden es dir bestätigen“, sagte Lilo Henckels bitter.

Dana setzte sich neben dem Krankenbett auf einen Stuhl. „Du magst deine Eltern nicht – scheint mir.“

„Sie mögen mich nicht, und ich mag sie nicht“, sagte Lilo ernst.

„Leidest du darunter?“ Dana konnte sich nicht vorstellen, ohne Liebe zu leben.

Lilo schüttelte mit grimmiger Miene den Kopf. „Überhaupt nicht. Ich bin das gewohnt. Die Sache hat auch ’ne gute Seite: Ich brauche mich um meine Alten nicht zu kümmern. Muttertag, Vatertag, Geburtstage, Weihnachten – alles uninteressant.“

Dana glaubte Lilo nicht, aber sie ging nicht näher darauf ein. „Ich hab’ dir was mitgebracht“, sagte sie stattdessen und holte aus ihrer Jeansjacke ein buntes Popmagazin.

„Danke“, sagte Lilo, „aber das wäre nicht nötig gewesen.“

Dana legte das Magazin auf den Nachttisch. „Da steht drin, was gerade hip ist ... Wer in Hollywood mit wem verhandelt ist ... Die Charts von Europa und Übersee ... Was an neuen Filmen auf uns zukommt ... Welche deutschen TV-Serien geplant sind ... Alles über den Krieg zwischen Demi Moore und Bruce Willis ... Was John Travolta nächstes Jahr spielen wird ... Welche Angebote Leonardo di Caprio durch die Lappen gingen ... Und, und, und... Ist recht informativ, das Blättchen. Ich hab’s mir kurz angesehen.“ Dana lachte. „Aber keine Sorge, es ist noch alles drin. Ich habe nichts herausgelesen.“

Lilo sah die Tochter des Klinikchefs dankbar an. „Du bist sehr nett, Dana Härtling.“

„Du auch.“

Lilos Miene verfinsterte sich. „Wenn du mich besser kennen würdest, würdest du das nicht sagen.“

„Wie siehst du dich denn?“, wollte Dana wissen.

„Ich kann manchmal ziemlich unleidlich sein.“

„Wir sind alle nicht immer gleich gut drauf“, meinte Dana.

„Manchmal finde ich mich echt ekelhaft.“

„Das wird sich mit der Zeit ändern.“

„Glaubst du?“ Lilo sah Dana zweifelnd an.

„Jeder Mensch hat in jungen Jahren Ecken und Kanten, die er erst abschleifen muss“, sagte Dana Härtling. „Man kann an sich arbeiten.“

„Du redest mit der Reife einer Dreißigjährigen.“

„He!“ Dana lachte. „War das jetzt ein Kompliment oder eine Beleidigung?“

„Ein Kompliment natürlich“, meinte Lilo. „Ich wäre auch gern so klug wie du. Das würde mir beim Schreiben helfen. “

„Ach ja, du möchtest ja eine große Schriftstellerin werden“, erinnerte sich Dana. „Hast du irgendein Vorbild? Margaret Mitchell? Agatha Christie? Rosamunde Pilcher? Danielle Steel?“

„Ich habe kein Vorbild.“

„Hast du schön was veröffentlicht?“

„Bisher habe ich alles mit einem höflichen Formbrief zurückgekriegt“, sagte Lilo ernst. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwierig ist, ein Buch auf den Markt zu bringen.“

„Es ist nicht schwierig, wenn du mit dem richtigen Thema beim richtigen Verleger landest“, sagte Dana. „Ich hab’ mal wo gelesen: Wenn jemand auch nur einigermaßen gut schreiben kann, hat er keine Chance, nicht veröffentlicht zu werden.“

„Den Satz muss ich mir merken. Der macht Mut.“

„Du darfst nur nicht zu früh das Handtuch werfen.“

„Das tu’ ich nicht“, versicherte Lilo. „Schreiben ist für mich nämlich nicht bloß ein Hobby. Es ist ein ungeheuer starker innerer Zwang, dem ich immer wieder nachgeben muss.“

„Was schreibst du eigentlich?“

„Lyrik, Prosa, Essays ...“

„Ich würde gern mal etwas von dir lesen“, sagte Dana.

„Vielleicht ergibt sich die Gelegenheit, wenn ich hier raus darf.“

„Vielleicht kann ich dir sogar weiterhelfen“, sagte Dana.

„Du?“ Lilo sah sie groß an.

Dana schmunzelte. „Schon mal von Clemens Bennet gehört?“

„Meinst du den Plattenproduzenten und Rennstallbesitzer?“

Dana nickte. „Genau den meine ich. Onkel Clemens kennt Gott und die Welt.“

„Onkel Clemens? Du bist mit ihm verwandt?“

„Nicht richtig“, gab Dana zurück, „aber so gut wie.“

„O mein Gott, es ist ja schon beinahe ein Glücksfall, dass Andy mich angefahren hat“, sagte Lilo Henckels.

Es klopfte. Die Tür wurde geöffnet, und Andy Schneider trat mit einem kleinen, farbenfrohen Blumenstrauß ein. „Mehr kann ich mir im Augenblick nicht leisten“, sagte er, auf die Blumen zeigend. „Dafür kommt der Strauß aber von Herzen.“

„Danke“, flüsterte Lilo ergriffen. „Ihr seid alle so lieb zu mir.“

Dana nahm Andy die Blumen ab, füllte eine Kunststoffvase mit Wasser, tat den Strauß hinein und stellte die Vase dann auf das Fensterbrett.

Andy Schneider erkundigte sich indessen bei Lilo, wie es ihr ging, und er sagte: „Ich habe mit meinem Versicherungsagenten telefoniert. Er wird sich darum kümmern, dass du angemessen entschädigt wirst. Wie gefällt es dir eigentlich hier in der Paracelsus-Klinik?“

„Zu Hause hab’ ich’s nicht so schön“, antwortete Lilo. „Und ich werde behandelt wie eine Prinzessin. Schwester Annegret, Dr. Jordan, Dr. Donat, Dr. Wolfram ... sie kümmern sich alle in rührender Weise um mich. Ganz zu schweigen von Danas Vater. Den finde ich überhaupt richtig süß. “ Sie schaute Dana an. „Ich hoffe, du hast nichts dagegen.“

„Warum sollte ich?“, lachte Dana. Sie wusste, dass sehr viele Patientinnen von ihrem Vater begeistert waren und von ihm schwärmten, und hin und wieder kam es sogar vor, dass eine sich ganz heftig in ihn verliebte.

„Ich bleibe hier, so lange ich kann, und lasse mich von allen von früh bis spät verwöhnen“, sagte Lilo.

„Recht hast du“, pflichtete Andy ihr bei. „Geh nur ja nicht zu früh nach Hause. Du musst ganz gesund sein, wenn du heimgehst. Es darf auf keinen Fall etwas von dem Unfall zurückbleiben – da oben ...“ Er zeigte auf Lilos Stirn.

Lilo sah ihn lächelnd an. „Befürchtest du etwa, ich könnte einen bleibenden Schaden abgekriegt haben?“

„Dachschaden ist nicht der richtige Ausdruck, aber ... “ Andy Schneider hob die Schultern. „Na ja, ich möchte halt nicht, dass bei dir von dem Unfall, den ich verschuldet habe, irgend etwas zurückbleibt, weil ich sonst meines Lebens nicht mehr froh werden könnte.“ Er sah Lilo und Dana mit großen Augen an. „Übrige ns... ich habe aufgehört zu rauchen.“

„Bravo!“, sagte Dana.

„Mir fällt beim Autofahren keine brennende Zigarette mehr in den Schoß“, sagte Andy Schneider grimmig.

Der Arztroman Lese-Koffer Mai 2021: 16 Arztromane

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