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Ich muss irgend etwas Neues, Schickes haben, wenn ich bei MR1 anfange, sagte sich Christine Wagner und begab sich auf die Suche nach etwas Passendem.

In einer kleinen Boutique in der Sendlinger Straße wurde sie fündig. Sie erstand ein olivfarbenes Wildlederkostüm mit schmalen, geprägten Schlangenmusterstreifen.

Zu Hause zog sie es an und drehte sich wohlgefällig vor dem großen Spiegel in der Diele. Zum Glück war sie allein in der Wohnung, sonst hätte sie auf diese kleine private Modeschau verzichten müssen, weil Wolf, Uli und Wenzel sogleich grinsend und unisono über Putzsucht und Eitelkeit des weiblichen Geschlechts referiert und sich stundenlang über ihre gefallsüchtige Mitbewohnerin lustig gemacht hätten.

Männer …!, dachte Christine amüsiert. Manchmal sind sie eine echte Plage. Vor allem die drei Prachtexemplare, mit denen ich unter einem Dach wohne.

Das Klirren von Schlüsseln war plötzlich zu hören. Eines der „Prachtexemplare“ kam nach Hause. Welches? Als vor der Tür jemand den River-Kwai-Marsch pfiff, wusste Christine Bescheid.

Wenzel pfiff den Marsch fast jeden Tag. Während er den Schlüssel ins Yale-Schloss schob, verschwand Christine blitzschnell in ihrem Zimmer.

„Hallo!“, rief Wenzel. „Ist jemand zu Hause?“

„Ja“, antwortete Christine.

„Wer?“, scherzte Wenzel.

„Dreimal darfst du raten“, gab Christine zurück.

„Trinkst du eine Tasse Tee mit Rum mit?“

„Aber nur mit wenig Rum.“

„Kommst du ins Wohnzimmer?“

„In zwei Minuten“, sagte Christine und zog sich um.

In Leggins und einer langen, weiten Bluse, die alles verbarg, was sie für einen Mann anziehend machte, erschien sie kurz darauf im Wohnzimmer.

Der Tee stand bereits auf dem Tisch. Das intensive Aroma des Rums füllte den Raum bis in den letzten Winkel. Wenzel tastete nach seinem Pferdeschwanz, als Christine eintrat.

Sie setzte sich zu ihm, und er lächelte sie an. „Endlich mal allein. Immer sind Wolf und Uli um uns.“

„Was hast du gegen sie?“

„Nichts. Sie sind mir lieb und wert, aber es gibt Momente, die ich lieber nur mit dir genieße.“

Christine versuchte den Tee zu trinken, aber er war noch zu heiß. Sie hätte sich beinahe die Zunge verbrannt und stellte die Tasse wieder hin.

„Weißt du eigentlich, dass Pferdeschwänze out sind?“, fragte sie, um ein unverfängliches Thema anzuschneiden.

Wenzel nickte. „Alle laufen jetzt fast völlig kahlgeschoren und blond gefärbt herum.“

„Und wann du?“

„Soll ich mir die Haare abschneiden lassen?“, fragte Wenzel ernst. „Möchtest du das? Für dich würde ich es tun.“

Christine schüttelte den Kopf. „Ich möchte nicht, dass du für mich Opfer bringst.“

„Es wäre für mich kein Opfer, dir einen Gefallen zu tun.“

Christine seufzte innerlich. So etwas wie ein unverfängliches Thema gibt es einfach nicht in dieser Wohnung, dachte sie.

„Wie lange kennen wir uns eigentlich schon?“, fragte Wenzel in diesem Augenblick.

„Eine kleine Ewigkeit.“

„Ich habe einen Schuhkarton mit alten Fotografien. Auf einigen bist auch du drauf. Möchtest du sie sehen?“ Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erhob er sich, eilte in sein Zimmer und kam mit dem Karton wieder. „Ich habe mir die Bilder kürzlich angesehen. Eine Menge schöner Erinnerungen wurden dabei wach“, sagte er und nahm den Deckel vom Schuhkarton. „Denkst du noch manchmal an Markus Magin?“

„Nur noch ganz selten“, antwortete Christine ehrlich. Markus Magin war ein höchst unangenehmer Zeitgenosse gewesen.

Wenzel grinste. „Er war hinter dir her wie der Teufel hinter der armen Seele.“

Christine Wagner verdrehte die Augen. „Gott, war war der lästig.“

Wenzel legte ein Foto von Markus vor sie hin. Er musste auf der Aufnahme ungefähr sechzehn Jahre alt gewesen sein. Ein eitler Bursche mit einem widerlich selbstgefälligen Grinsen.

„Irgendwann verlor er dann aber ganz plötzlich das Interesse an dir“, erinnerte sich Wenzel.

Die junge Frau nickte. „Ich kann mir das bis heute nicht erklären. Ich befürchtete schon, er würde mich überhaupt nie in Ruhe lassen.“

„Ich habe ihn gebeten, dich nicht mehr zu belästigen.“

Christine sah ihn überrascht an. „Du hast ihn gebeten? Und das hat genügt?“

Wenzel wiegte den Kopf. „Na ja, ein bisschen musste ich schon mit den Fäusten nachhelfen. Aber danach getraute er sich nicht mehr, dir das Leben schwerzumachen.“

„Und ich hab’ all die Jahre nichts davon gewusst.“

Wenzel schmunzelte. „Ich habe schon damals immer ein ganz klein wenig auf dich aufgepasst. “

„Und du tust es auch heute noch. “

„Ich möchte, dass es dir gutgeht.“

„Du bist wirklich ein Schatz, Wenzel.“ Christine streichelte zärtlich seine Wange.

„Wenn es Wolf und Uli nicht gäbe ...“

„Pst.“ Sie legte ihm sanft den Finger auf den Mund.

Er schaute ihr tief in die Augen und sagte dunkel: „Ich liebe dich, Christine.“

„Ich weiß“, gab sie leise zurück. „Ich liebe dich auch.“

„Aber leider nicht genug“, seufzte Wenzel traurig.

Der Arztroman Lese-Koffer Mai 2021: 16 Arztromane

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