Читать книгу Der Arztroman Lese-Koffer Mai 2021: 16 Arztromane - A. F. Morland - Страница 103

16

Оглавление

Der Normalfall war, dass Uli Gaulitz hinter dem Tresen stand und von den Gästen wie ein Grabstein angeweint wurde, doch diesmal war es umgekehrt.

Diesmal weinte Uli einen Gast an. Einen Stammgast, den er schon seit Langem kannte. Simon Schulmeister war sein Name – Hakennase, stark gelichtetes blondes Haupthaar, Brille mit Metallgestell.

„Es ist hart, unglücklich verliebt zu sein“, klagte Uli dem Stammgast sein Leid.

„Du sprichst von diesem blonden Engel, wie?“ Simon legte die hohe Stirn in Falten. „Christine Wagner heißt sie, ja?“ Er nickte zufrieden, weil ihm der Name eingefallen war.

„Richtig“, bestätigte der hünenhafte Barmann. „Christine heißt sie. “ Er ließ den Namen wie süße Schokolade auf der Zunge zergehen. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie es ist, mit dieser begehrenswerten Frau unter einem Dach zu wohnen, Wand an Wand mit ihr zu leben, sie aber nie berühren zu dürfen.“

„Warum ziehst du nicht aus?“

„Bist du bescheuert?“ Uli Gaulitz sah den Gast befremdet an. „Ich bin in Christine verliebt. Ich überlasse sie doch nicht Wolf oder Wenzel!“

Es war nicht viel los in der Bar. An manchen Abenden reichten die Animiermädchen nicht aus, um allen Gästen Gesellschaft zu leisten.

Heute waren es zu viele. Und am Tresen saß auch nur Simon Schulmeister. Der gelernte Steinmetz arbeitete für eine große Münchner Wurstfabrik als Verkaufsfahrer.

Er verdiente sehr gut. Wenn er etwas sparsamer gelebt hätte, hätte er sich ein Häuschen im Grünen leisten können, doch danach stand ihm nicht der Sinn. Er ließ lieber die Puppen tanzen und schmiss in manchen Nächten so viele Lokalrunden, bis er völlig blank war.

„Du bist also in Christine Wagner verliebt“, sagte Simon Schulmeister.

Uli Gaulitz nickte seufzend. „Und wie.“

„Und was ist mit Sonja Reinhard?“, fragte der Stammgast.

Uli schüttelte den Kopf. „Die gibt es nicht mehr. Die war sowieso nur eine Notlösung.“

„Wieso gibt es sie nicht mehr?“

„Sie ist nach Berlin gegangen.“

Der Stammgast trank von seinem Jim Beam. „Wahrscheinlich hast du ihr so lange von Christine vorgeschwärmt, bis sie es nicht mehr hören konnte.“

„So ungefähr ist es gewesen“, gab Uli zu.

Simon Schulmeister schüttelte grinsend den Kopf. „Bitte sei mir nicht böse, aber du bist ein Idiot, Uli.“

„Ich weiß“, seufzte der Barmann, „und ich wollte, ich könnte mich ändern.“

„Was ist mit Wolf und Wenzel?“, fragte Simon Schulmeister.

„Was soll mit denen sein?“

„Sind die genauso sehr in Christine verliebt wie du?“

„Bedauerlicherweise ja.“

„Und Christine?“, fragte der Stammgast.

„Die liebt uns ebenfalls. Aber keinen mehr als die beiden anderen. “

Schulmeister wiegte den Kopf. „Junge, Junge, der Karren ist ganz schön verfahren. “ Er leerte sein Glas.

„Was würdest du tun, wenn du an meiner Stelle wärst?“, fragte Uli Gaulitz.

„Wenn ein Rückzug nicht in Frage käme?“

„Einen Rückzug ziehen wir nicht einmal im entferntesten in Betracht“, sagte Uli trocken.

„Dann würde ich zum Angriff blasen.“ Simon Schulmeister deutete auf sein leeres Glas. „Mach nochmal die Luft raus, Kumpel. Und trink einen mit.“

„Okay.“ Uli füllte Schulmeisters Glas und schenkte sich auch einen Whisky ein. Sie prosteten einander zu und tranken. Dann fragte der Barmann: „Was meinst du mit, du würdest zum Angriff blasen?“

„Ich würde alles daransetzen, diese Frau zu erobern. “

„Aber – aber es existiert so etwas wie ein Stillhalteabkommen, ein Nichtangriffspakt “, wandte Uli ein.

„Wer hat ihn unterzeichnet?“, fragte Schulmeister. „Wolf, Wenzel und du?‟

„Richtig.“

Der Barbesucher nahm die Brille ab und putzte die Gläser mit seiner Krawatte. „Ich würde mich darüber hinwegsetzen“, erklärte er, während er die Brille wieder aufsetzte.

„Das wäre Wolf und Wenzel gegenüber nicht fair“, sagte Uli Gaulitz.

Doch der andere schlug mit seiner großen Pranke auf den Tresen. „Mensch, der Zweck heiligt die Mittel. Verträge sind dazu da, um gebrochen zu werden. Wenn du Christine haben willst, musst du sie dir schneller holen als die beiden anderen. Denn die könnten ja auf die gleiche Idee kommen. Früher oder später werden sie sich um keine Vereinbarungen mehr kümmern und nur noch danach trachten, früher als die Konkurrenz zu punkten. Und wenn du dann nicht zu den zähneknirschenden Verlierern zählen willst, musst du deine Schäfchen rechtzeitig ins Trockene bringen.“

„Du würdest Wolf und Wenzel also ausbooten, wenn du an meiner Stelle wärst.“

„Ausbooten. Ausstechen – wie immer du es nennen möchtest. Ich würde aufhören, den edlen Ritter zu spielen, und mir den Goldschatz krallen.“

Uli nickte nachdenklich. „Ja“, murmelte er. „Vielleicht sollte ich das wirklich so machen. “

Der Arztroman Lese-Koffer Mai 2021: 16 Arztromane

Подняться наверх