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Christine nahm sich eine Tasse Kaffee, stellte die Kanne wieder an ihren Platz und setzte sich mit der Morgenzeitung an den Küchentisch. Die Herren der Schöpfung schliefen noch – nahm Christine an. Jedenfalls war noch keiner aus seinem Zimmer gekommen.

Die junge Frau genoss die Stille des frühen Morgens. Sie schnitt ein Vollkornbrötchen in zwei Hälften und bestrich diese dünn mit Diätmargarine.

Sie hatte zwar keine Gewichtsprobleme, aber vermutlich hätte sie welche gehabt, wenn sie nicht so diszipliniert gelebt, sondern einfach munter drauflos gesündigt hätte.

Die Klospülung rauschte, und dann schlurfte einer ins Bad. Wolf, dachte Christine, und ein kleines Lächeln umspielte ihre vollen Lippen. Er kann am Morgen die Füße noch nicht richtig heben.

Als er in der Küche erschien, war er rasiert und gekämmt. Er trug einen tabakbraunen Morgenrock und sah hinreißend aus. Sein Gruß fiel etwas müde aus.

„Schlecht geschlafen?“, erkundigte sich Christine.

„Weißt du, wie lange ich bei diesem Komponisten war?“ Wolf gähnte hinter der vorgehaltenen Hand. „Bis drei Uhr früh hab’ ich mich mit ihm herumgequält. Kein Reim hat ihm gepasst. Keine Formulierung harmonierte gut genug mit seinen Noten. Das mache ich nicht noch mal.“ Er verzog das Gesicht. „Ich fühle mich, als hätte mich Godzilla verdaut.“

Christine sah ihn verwundert an. „Warum stehst du dann schon so früh auf?“

„Ich wollte dir beim Frühstück Gesellschaft leisten“, antwortete Wolf.

„Wozu?“

„Damit du hier nicht allein herumsitzt.“

Christine winkte ab. „Das macht mir nichts aus. Ich hätte einen Blick in die Zeitung geworfen ...“

„Wenn du lieber Zeitung lesen möchtest, als dich mit mir zu unterhalten ...“

„Das habe ich nicht gesagt.“

„Du kannst getrost lesen.“ Wolf nahm sich eine Tasse Kaffee und goss Milch hinein.

„So unhöflich bin ich nicht“, sagte Christine Wagner und schob die Zeitung beiseite.

Wolf setzte sich. Er plumpste auf den Stuhl neben Christine und ächzte: „Gott, was fühle ich mich leer.“ Er trank einen Schluck Kaffee in der Hoffnung, der würde seine Lebensgeister wecken. „Hat Uli dir von seinem Dilemma erzählt?“

Christine nickte. „Sowie ich mit ihm allein war.“

Wolf seufzte. „Ich hab’ das kommen sehen.“

„Ehrlich?“ Christine sah ihn überrascht an. „Wieso?“

„Sonja hat mir mal ihr Herz ausgeschüttet. Uli wollte sie zu einer perfekten Kopie von dir machen. Das konnte nicht lange gutgehen.“

„Du bist sein Freund, warum hast du ihm das nicht gesagt?“

„Hab’ ich ja!“

„Und was hat er gesagt?“

Wolf zuckte mit den Schultern. „Ich solle mich gefälligst um meinen eigenen Kram kümmern. So richtig böse und giftig hat er mir das ins Gesicht gebellt. Tja, und nun ist Sonja in Berlin und Uli in München – und nichts und niemand kann die beiden jemals wieder zusammenbringen.“

„Ich finde es schade, dass es so gekommen ist“, sagte Christine bedauernd.

„Ich auch.“ Wolf lächelte verschmitzt. „Ich hatte schon gedacht, hier einen Rivalen weniger zu haben. Und wenn sich dann auch noch ein hübsches Mädchen für Wenzel gefunden hätte ...“ Er trank einen großen Schluck Kaffee.

„He!“ Christine drohte ihm schmunzelnd mit dem Finger. „Du bist ja ein ganz durchtriebener Schlawiner!“

Wolf setzte eine sympathische Unschuldsmiene auf. „Ich bemühe mich lediglich um die Wahrung meiner Interessen. Wer darf mir das verwehren? Das ist doch absolut legitim.“

An manchen Tagen hatte Wolf gegenüber Uli und Wenzel die Nase ein ganz klein wenig vom. Heute war so ein Tag. Christine fühlte sich zu Wolf hingezogen, doch sie erlaubte sich nicht, es ihm zu zeigen.

Nachdem Wolfs Kaffeetasse leer war, lehnte er sich zurück und sah Christine lange schweigend an. Es hatte den Anschein, als wollte er sich jede Einzelheit ihres hübschen Gesichts haargenau einprägen.

„Darf ich dich was fragen, Christine?“, fragte er schließlich leise.

„Klar.“ Sie sah ihn offen an. Was immer er wissen wollte, er würde eine Antwort bekommen. Sie hatte keine Geheimnisse vor ihm.

Er setzte zweimal an. Erst beim dritten Mal schaffte er es, zu sagen: „Angenommen, ich würde meinen ganzen Mut zusammennehmen und dir einen Heiratsantrag machen ... “

Sie sah ihn konzentriert an. „Ja?“

„Was würdest du dazu sagen?“, fragte Wolf gespannt.

Christine lächelte. „Ich würde um Bedenkzeit bitten.“

„Wie lange?“, wollte Wolf Rossberg wissen.

Ihr Lächeln verstärkte sich. „Ein paar Jahre.“

Der Arztroman Lese-Koffer Mai 2021: 16 Arztromane

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