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Tom und Josee sorgten im Hause Härtling mal wieder für Unruhe. Die Tage, an denen sie sich im Jahr einig waren, konnte man an den Fingern einer Hand abzählen.

Diesmal ging es um eine Popgruppe. Tom fand sie „cool“, für Josee war sie das „Allerletzte“. „Das ist doch keine Musik, die die machen“, behauptete Josee.

„Und ob das Musik ist“, gab Tom bissig zurück.

„Lärm ist das.“

„Ich nenne das bestens durchgestylten Powersound, aber davon verstehst du nichts.“

„Was gibt’s denn da zu verstehen? Diese musikalischen Antitalente spielen ungefähr so, wie wenn vor unserer Schule die Straße aufgerissen wird.“

„Hört auf zu streiten“, schaltete sich Jana Härtling ein. „Dem einen gefällt dies, dem andern das. Das ist kein Grund, sich gegenseitig anzuschreien. “

„Ich habe nicht geschrien.“ Der vierzehnjährige Tom wollte mal wieder das letzte Wort haben. „Ich hab’ bloß laut geredet, damit Josee mich akustisch versteht.“

„Schluss jetzt.“ Jana sprach ein Machtwort, und Tom zog sich schmollend auf sein Zimmer zurück.

„Immer macht er Randale“, sagte Josee.

„Mit dir“, sagte Dana und klappte ihr Schulheft zu. „Zum Streiten gehören nämlich immer zwei, weißt du?“

Ottilie erschien und fragte, ob jemand eine Tasse Vollmers-Tee mittrinken wolle.

„Sehr gern“, sagten Jana Härtling und ihre achtzehnjährige Tochter gleichzeitig. Die Zehnjährige verließ wortlos das Wohnzimmer, weil ihre ältere Schwester sie beleidigt hatte. Als die Haushälterin dann den präparierten Grünen Hafertee servierte, schlug das Telefon an.

„Dana, für dich“, sagte Ottilie, die den Anruf entgegengenommen hatte. „Lilo Henckels.“

„Hallo, Lilo“, meldete sich Dana. „Hast du dich zu Hause wieder eingewöhnt?“

„Ich habe mit Andy Schneider gesprochen“, erzählte Lilo.

„War er bei dir?“

„Ich habe mit ihm telefoniert“, sagte Lilo. „Wegen dieses Vorfalls, du weißt schon. Ich habe ihm gehörig den Kopf gewaschen. Jetzt ist er ziemlich geknickt.“ Sie machte eine kleine Pause, dann sagte sie: „Mir fällt hier die Decke auf den Kopf. Darf ich dich besuchen?“

„Klar. Wann kommst du?“

„In einer Stunde, wenn’s dir recht ist.“

„In Ordnung. Bis dann.“

Eine Stunde später läutete Lilo Henckels an der Haustür, und Dana ließ ihre neue Freundin ein. Lilo trug einen viel zu engen knallgelben Minirock und eine Bluse, die kaum etwas verbarg.

Von diesem Outfit wird Mutti nicht gerade begeistert sein, dachte Dana, aber sie verlor kein Wort darüber.

Auch Jana Härtling ließ sich nicht anmerken, dass ihr Lilos Aufmachung ein wenig zu viel des „Guten“ war. Sie hieß sie herzlich willkommen. Dana machte Lilo noch mit Ottilie bekannt und zeigte ihr sodann ihr Zimmer.

„Du wohnst wie eine Prinzessin“, stellte Lilo beeindruckt fest und sah sich Danas reichhaltige CD-Sammlung an. „Joe Cocker“, sagte sie. „Den mag ich besonders.“

„Möchtest du die Scheibe hören?“

Lilo nickte. „Schieb sie rein.“ Sobald die Musik erklang, begann sie zu tanzen.

Kein Wunder, dass sie schon in so vielen Betten war, dachte Dana bei Lilos hemmungsloser Darbietung. Damit muss sie die Männer ja verrückt machen.

Lilo drehte die Musik lauter. Es dauerte nicht lange, bis Ben an Danas Tür klopfte. Er machte auf und sah Lilo Henckels in voller Aktion.

Ihm stockte bei Lilos ekstatischen Verrenkungen unwillkürlich der Atem, und seine Augen wurden groß – eine normale männliche Reaktion auf Lilos grelles Erscheinungsbild.

Als Lilo ihn bemerkte, hörte sie zu tanzen auf. „Hi, Ben“, sagte sie. „Ich bin Lilo. Coole Scheibe, was?“

„Ja“, sagte Ben mit belegter Stimme. „Gefällt mir auch. Aber könnt ihr sie ein bisschen leiser spielen? Ich hab’ nebenan zu strebern und kann mich bei dem Krach nicht konzentrieren.“

„Oh, du Ärmster“, bedauerte Lilo ihn. „Klar können wir leiser spielen. Kein Problem.“

Liebe Güte, wie der glotzt, dachte Dana. He, Ben, komm zu dir! Hat Lilo dich hypnotisiert?

Lilo drehte die Musik leiser. „Ist es so okay?“, erkundigte sie sich.

„Ja“, sagte Ben. „Danke.“

„Hast du noch lange zu lernen?“, wollte Lilo wissen.

„Nun ja ...“, Ben schien zu überlegen, was er alles auf morgen verschieben konnte.

„Leistest du uns nachher Gesellschaft?“, wollte die Besucherin wissen.

„Mal sehen. Kommt darauf an, wie lange du noch hier bist.“

„Wenn Dana mich nicht rausschmeißt, bleibe ich schon noch ein Weilchen.“

Ben schloss die Tür.

„Du solltest ihn nicht vom Lernen abhalten“, ermahnte Dana ihre neue Freundin.

„Tu ich doch gar nicht“, entgegnete Lilo. „Es ist seine Entscheidung, wann er mit dem Büffeln aufhört.“

Dana musterte das Mädchen. „Es macht dir offenbar Spaß, allen Männern den Kopf zu verdrehen.“

„Ja.“ Lilo lachte. „Das ist ein toller Sport.“

Dana wiegte den Kopf. „Wenn man so oft wie du mit dem Feuer spielt, ist die Gefahr sehr groß, dass man sich mal ganz gehörig die Finger verbrennt.“

„Ist mir bisher noch nicht passiert.“

„Dann hattest du Glück.“

„Keine Sorge, ich pass auf meine kleinen Fingerchen schon auf “, sagte Lilo. Sie wechselte das Thema. „Wolltest du nicht was lesen, das ich geschrieben habe?“

Dana nickte. „Ja. Gern.“

„Ich hab’ was dabei.“

Dana musterte Lilo von Kopf bis Fuß. „Wo?“

„Hier.“ Lilo holte mit zwei Fingern ein mehrmals gefaltetes Papier aus ihrem BH und gab es Dana, die das Blatt entfaltete und den darauf stehenden Text neugierig zu lesen begann. Es waren nur fünfundzwanzig mit der Schreibmaschine verfasste Zeilen, aber in ihnen steckte eine unglaubliche Poesie. Jedes Wort war treffend gewählt, konnte gegen kein besseres ausgetauscht werden, fügte sich harmonisch in das Ganze.

Dana langte bei der letzten Zeile an und ließ das Blatt dann langsam sinken.

„Gefällt es dir?“, fragte Lilo.

„Ich bin sprachlos“, gestand die Arzttochter.

„Habe ich Talent?“

„Mehr, als ich dir – ehrlich gesagt – zugetraut hätte.“

Lilo Henckels grinste. „Ja, ja, ich bin ein verkanntes Genie.“

„Ich verstehe nicht, wieso du von den Verlagen bisher alles zurückgekriegt hast.“

„Ich versteh’s auch nicht, aber es ist so.“

„Jetzt werde ich die Sache mal in die Hand nehmen“, sagte Dana tatendurstig. „Ich werde dich managen.“

„Und wie viel nimmst du dafür?“

„Überhaupt nichts. Ich setze mich aus reiner Freundschaft für dich ein und weil ich an dich glaube.“ Dana wedelte mit dem zerknitterten Papier. „Ich werde das Onkel Clemens zeigen.“

„Nein.“

„Was heißt nein?“ Dana ließ das nicht gelten. „Wenn er das gelesen hat, wird er dafür sorgen, dass sich ein Verleger bei dir meldet, der bereit ist, dich – eine noch völlig unbekannte Autorin – ganz groß rauszubringen.“

Dana steckte das Papier ein und war zuversichtlich, Lilo Henckels den Start in eine vielbeachtete Schriftstellerzukunft ermöglichen zu können.

Der Arztroman Lese-Koffer Mai 2021: 16 Arztromane

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