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Es begann sehr bald in der WG zu gären. Wenzel Reyers Freund hatte alle Anlagen, die einer Frau bei einem Mann gefielen, und selbstverständlich sprach auch Christine Wagner darauf an. Er sah nicht nur phantastisch aus, sondern war zudem charmant, liebenswürdig, höflich und wusste Komplimente zu machen, die nicht alltäglich waren und ihm vom Herzen zu kommen schienen.

Wenn ihm eine Frau gefällt, betäubt er ihre Abwehrkräfte mit einem süßen Gift, nach dem sie süchtig wird, dachte Christine, und sie fragte sich beunruhigt: Wie kann ich mich vor ihm schützen? Möchte ich das überhaupt – mich vor ihm schützen?

Wolf und Uli waren auf der Hut. Die Luft in der Sechs-Zimmer-Wohnung war spannungsgeladen. Es knisterte rund um die Uhr, und es war Wolf und Uli anzusehen, dass sie es schon sehr bereuten, Wenzel Reyers Vorschlag großzügig zugestimmt zu haben.

Ja, selbst Wenzel schien nicht mehr ganz glücklich darüber zu sein, dass er dem Freund ausgeredet hatte, in ein Hotel zu ziehen, weil Georg Brücker nämlich keine Gelegenheit versäumte, sich bei Christine einzuschmeicheln. Er brachte ihr Blumen, schenkte ihr Pralinen, ging mit ihr einkaufen, wenn die Reihe an ihr war, trug ihr die Taschen. Er machte immer mehr als die anderen und sammelte Punkt um Punkt.

Bisher hatten Wolf, Uli und Wenzel einander verhältnismäßig gut unter Kontrolle gehalten. Da einer den andern schon lange kannte, konnte jeder jeden ganz gut einschätzen und bei Gefahr rechtzeitig gegensteuern. Aber bei Georg Brücker versagte das Frühwarnsystem von Wolf, Uli und Wenzel. Das mühsam gefestigte Gefüge der Wohngemeinschaft bekam hässliche Risse und drohte aufzubrechen.

Jeder begann sein eigenes Süppchen zu kochen und die andern zu übervorteilen. Christine kam zwar in den Genuss dieser neuen, permanent schwelenden Rivalität, doch sie fühlte sich nicht wohl dabei, denn es war zu befürchten, dass dieser Situation ein ernster Konflikt entwuchs.

Uli Gaulitz’ Gedanken kreisten immer öfter um sein Gespräch mit Simon Schulmeister. Wenn er an meiner Stelle wäre, würde er zum Angriff blasen, dachte Uli. Das hat er gesagt. Er würde alles daransetzen, die Festung zu erobern. Simon würde an meiner Stelle aufhören, den edlen Ritter zu spielen und sich Christine angeln.

Uli stand am Fenster, schaute hinaus, nickte und murmelte: „Ja, ich tu’s.“

„Was hast du gesagt?“, fragte Wenzel hinter ihm.

„Ach, nichts“, gab der Freund zurück und presste die Lippen fest zusammen.

Der Arztroman Lese-Koffer Mai 2021: 16 Arztromane

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