Читать книгу Aliens in der Sternensee: Alfred Bekker präsentiert 17 Science Fiction Abenteuer - A. F. Morland - Страница 100
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ОглавлениеAls Danza den spärlichen Rest ihrer Zigarette fallen ließ, sah die Glut am Stummel wie ein fallender Stern aus.
Sie schaute nicht hinunter, und sie würde sie auch nicht austreten. Ganz regungslos stand sie da und starrte in den nächtlichen Himmel. In wenigen Stunden würde Ariane 31 wieder aufgehen. Ein flammender Ball am Horizont, und die Temperaturen stiegen schnell auf über vierzig Grad.
Obwohl sie noch nicht so lange hier war, wusste Danza schon einiges, zumindest über die nähere Umgebung, auch über das hinaus, was sie beim Anflug gesehen hatte:
Es gab jene relativ dicht stehenden, verkrüppelt aussehenden Bäume, die große, fleischige Blätter erzeugten mit viel Flüssigkeit, die man für die Trinkwasseraufbereitung und sogar zur Nahrungsgewinnung benutzen konnte. Es machte fast den Eindruck, als würde diese besondere Art von geduckt da stehendem Wald weite Teile dieser Welt bedecken, nicht nur die Gegend hier, wo das Grün bis zum Horizont sich erstreckte.
Dabei gingen die Wurzeln bis in ungeahnte Tiefen in den Boden hinein.
Anfangs hatte sie sich darüber gewundert, dass die gesamte Anlage, in der nicht nur die wenigen Gefangenen untergebracht worden waren, sondern in der auch die wenigen Bewohner normalerweise hausten, unterirdisch angelegt worden war. Überirdisch gab es eigentlich gar nichts, außer diesem Wald und undefinierbarem Getier, das es nicht wagte, sich ihnen zu nähern.
Bis der erste Sturm entstanden war.
Ein Sturm, der wirklich alles vernichtet hätte, was es wagte, an der Oberfläche zu bleiben. Außer eben dem Wald. Dieser verlor nur fast sämtliche Blätter, die hoch in die Lüfte gewirbelt wurden und auf Grund ihres Gewichtes irgendwann wieder nach dem Sturm herabfielen.
Sobald sie die entlaubten Bäume wieder erreichten, wurden sie von diesen regelrecht wieder eingefangen und wuchsen fest. Verletzte Blätter wurden wieder geheilt.
Danza hatte das fasziniert beobachtet und sich dabei gefragt, wie solche extremen Wetterverhältnisse auf dem Planeten überhaupt hatten entstehen können.
Die Verhöre hatten tatsächlich keinerlei Erkenntnisse gebracht, außer dass ihr erster Eindruck sie nicht betrogen hatte:
Die Bewohner dieser Anlage hier – und nur diese konnte sie ja bislang gültig beurteilen - waren nicht Herr ihres Willens gewesen. Sie waren nicht viel mehr als wandelnde Hüllen, die von jemand benutzt worden waren, der im Unsichtbaren verborgen blieb.
Bis jetzt.
Danza hatte zwar die Anlage übernommen und beeinflusste die ursprünglichen Bewohner in ihrem Sinne, doch eigentlich hatte sie nur die Beeinflussung von einem unsichtbaren Gegner übernommen.
Und dieser Gegner hielt sich seit ihrer Übernahme aus unerklärlichen Gründen zurück!
Damit jedoch blieb er auch für Danza unbegreiflich. Ja, sie spürte noch nicht einmal seine Präsenz. Als würde es ihn in Wirklichkeit überhaupt nicht geben.
Aber was hatte dann all die Jahrtausende lang die Menschen als lebende Marionetten gesteuert, die offensichtlich von den frühen Siedlern abstammten?
Und noch ein weiteres Rätsel offenbarte sich Danza:
Sie hatte keinen einzigen Menschen von Bord vorgefunden, der gleichzeitig mit ihr in die Falle gegangen war und bei dem der unsichtbare Gegner auch nur den Versuch unternommen hatte, ihn ebenfalls als menschliche Marionette zu missbrauchen. Sie waren ganz einfach nur in Zellen gesperrt worden, aus denen Danza sie dann hatte befreien können.
Das war ganz einfach gewesen, weil die Türen nur berührt zu werden brauchten, von außen natürlich. Es gab einen verborgenen Mechanismus, den man leicht umstellen konnte, so dass die Öffnung auch von innen erfolgen konnte.
Denn so viel stand fest: Das waren eigentlich keine richtigen Zellen, wie Danza anfangs hatte annehmen müssen, sondern die Unterkünfte der Bewohner.
Insgesamt hundert Unterkünfte dieser Art, aber Bewohner gab es lediglich ein Dutzend. Sechs Männer und sechs Frauen. Vier von den Frauen waren schwanger in unterschiedlichen Monaten.
Danza neigte insgeheim zu der Ansicht, dass die restlichen beiden Frauen ebenfalls schwanger waren, allerdings noch nicht lange genug, als dass man es hätte sehen können.
Die Anlage war ansonsten von ihr inzwischen komplett durchsucht worden, vor allem nach Möglichkeiten, von hier aus vielleicht benachbarte Anlagen ähnlicher Art zu erreichen.
Fazit: Diese Anlage war ein in sich geschlossener Bereich!
Ergab das auch nur den geringsten Sinn?
Das fragte sich hier nicht nur Danza, sondern das fragten sich sicherlich alle anderen ebenfalls, die sie befreit hatte.
Die drohenden Stürme hielten Danza vorerst davon ab, auf der Oberfläche nach weiteren Eingängen zu unterirdischen Anlagen dieser Art zu suchen, um auf diese Weise ihren Captain Dawn zu finden oder auch die Anführerin der sogenannten Planetensoldaten Fay Wray. Die Stürme traten unberechenbar auf, und wer nicht sofort einen Unterschlupf fand, war verloren. Es riss ihn in die Lüfte wie die fleischigen Blätter. Um ihn später aus hoher Höhe zurückfallen zu lassen.
Nur ein Wesen hätte einen Sturm vielleicht überleben können, festgekrallt an einen der verkrüppelt wirkenden Baumstämmen, nämlich Danza selbst, aber sie konnte es nicht wagen, allein die Anlage zu verlassen, weil sie damit rechnen musste, dass die eigentlichen Bewohner dann sofort wieder aus dem Unsichtbaren heraus übernommen worden wären. Um die fünfzehn Besatzungsmitglieder und Soldaten wieder zu Gefangenen zu machen.
Andererseits: Irgendetwas musste sie schließlich irgendwann unternehmen. Die gegenwärtige Lage konnte nicht auf Dauer so erhalten bleiben. Schließlich waren sie nicht hierhergekommen, um innerhalb einer solchen Anlage den Rest ihres Lebens zu verbringen, während in anderen Anlagen ähnlicher Art ihre sonstigen Verbündeten in Gefangenschaft blieben.
Wer wusste denn schon, was die gesteuerten Bewohner dieses Planeten noch mit ihnen anstellen würden?
Sie versuchte, all diese pessimistischen Gedanken wieder zu verdrängen, als sie sich umdrehte, um über die Lichtung zu gehen, in deren Mitte sich das geduckte und vielfach gegen den Sturm gesicherte Gebäude mit dem Eingang in die Anlage befand. Dabei blieben die drei Männer des Oberflächenkommandos still stehen. Niemand hier wagte es, dem nachglühenden Zigarettenstummel nachzuschauen oder Danza direkt zu beobachten.
Sie waren hierher abgestellt worden, um Wache zu schieben, immer in unmittelbarer Nähe des Eingangs. Damit ihnen nichts entging, was sich zwischen den Stürmen ereignete. In der vagen Hoffnung, dass es vielleicht so etwas wie einen Kontaktversuch geben könnte.
Sie hatten auch ein uraltes, aber noch funktionsfähiges Funkgerät dabei, das in der Anlage gefunden worden war. Obwohl es zurzeit das einzige Funkgerät auf dem gesamten Planeten zu sein schien, weil es einfach nicht gelang, damit irgendeine Verbindung zu bekommen.
Aber die Soldaten ließen sich dadurch nicht entmutigen und versuchten auch ohne besonderen Befehl von Danza, die sie als ihre oberste Führerin voll anerkannten, endlich eine Verbindung herzustellen.
Es schien fast so, als sei der gesamte Planet eine einzige Wildnis und als würde nur diese eine Anlage existieren, die ansonsten überhaupt keinen Sinn zu haben schien.
In der Anlage hatten sie nicht nur das Funkgerät gefunden, sondern auch Waffen. Unter anderem Pulsatoren. Jeder hier oben war mit mindestens einem dieser Pulsa toren ausgerüstet. Für alle Fälle. Vielleicht auch gegen irgendwelches Getier, falls dieses es endlich wagte, doch noch näher zu kommen.
Danza schüttelte kaum merklich den Kopf. Sie wäre schon froh gewesen, endlich herauszufinden, wo denn all die eingefangenen Auswerfer geblieben waren.
Sie rief sich noch einmal ins Gedächtnis zurück, wie das abgelaufen war:
Der Angriff.
Die Massenflucht von Bord.
Wer nicht rechtzeitig genug auf eigenen Füßen den Weg zu einem Auswerfer fand, wurde von den technischen Rettungseinrichtungen des Schiffes vollautomatisch in die Auswerfer bugsiert.
Danza wusste, dass auf diese Weise nicht allen die Flucht hatte gelingen können. All jene, die auf den Auswerfern Platz hatten, waren registriert gewesen. Es gab auch rund fünfhundert Besatzungsmitglieder, für die es keinen Platz hatte geben können.
Alle eintausendzweihundert Soldaten jedenfalls waren von Bord gegangen. Drei der Auswerfer in unmittelbarer Nähe des Kleinraumschiffes mit Danza an Bord.
In jedem der drei Boote befanden sich fünf Menschen, also insgesamt fünfzehn. Sie waren gemeinsam mit Danza im Pulk sogleich zum eigentlichen Zielplaneten geflogen. Der Kurs war ja bereits programmiert gewesen.
Unterwegs hatten sie keinerlei Funkkontakt gehalten, um nicht dadurch geortet werden zu können. Nur Sichtkontakt, um sich unterwegs nicht zu verlieren.
Und der Gegner war nach wie vor unsichtbar geblieben.
Sie hatte sich noch darüber gewundert, wieso keiner der Auswerfer seine Waffen eingesetzt hatte und sei es nur zur zusätzlichen Verteidigung.
Und noch etwas war ihr aufgefallen: Nur ihr Pulk hatte sich auf den Weg zu diesem Planeten aufgemacht. Als einzige wohlgemerkt!
Sie hatte keine Ahnung, was beim havarierten Schiff noch alles passiert war. Unterwegs hatte sie ganz andere Sorgen gehabt. Sie hatte mit ihren Espersinnen, die andere nur ahnten, aber von denen niemand Genaueres wusste, versucht, den Pulk zu beschützen. Das hatte alle vier Boote ebenfalls beinahe unsichtbar gemacht.
Und in der Tat, sie waren an ihr Ziel gelangt, ohne behelligt zu werden.
Mit ihren Fähigkeiten hatte sie auch den fünfzehn Flüchtlingen telepathisch klar gemacht, dass sie möglicherweise die einzigen waren, denen die Flucht überhaupt gelungen war, aber das dies kein Anlass zur Freude sein durfte, solange sie nicht wussten, was sie auf dem Zielplaneten erwartete.
Das war sicherlich ein besonderer Schock gewesen, diese telepathische Verbindung, aber Danza war nichts anderes übrig geblieben, wenn sie nach wie vor auf Funkkontakt verzichten wollte.
Viel Zeit war ihnen bei ihrer Ankunft nicht geblieben, um mehr über den Planeten zu erfahren, denn sie hatten natürlich die Bremstriebwerke zünden müssen, und das hatte ihre Position mit absoluter Sicherheit verraten.
So schnell wie gerade noch vertretbar waren sie auf die Oberfläche hinab gesunken. Um diese Lichtung hier zu finden.
Zufall oder hatte sie der Gegner hierher gelockt? Danza konnte es nicht mit Sicherheit sagen.
Inzwischen neigte sie jedoch zu der Ansicht, dass es normalerweise hier überhaupt keine Lichtung gab, sondern dass diese Stelle genauso dicht bewachsen sein müsste wie die ganze Oberfläche dieser Welt, soweit sie es vor der Landung hatte überblicken können.
Der Flug war sowieso vollautomatisch erfolgt. Also war auch vollautomatisch ein geeigneter Landeplatz herausgesucht worden. Auf diese Weise hatte der Gegner nicht viel tun müssen, um sie in die Falle zu locken.
Und es war in der Tat eine Falle gewesen!
Kaum war die Landung erfolgt, waren ringsum Beeinflusste aufgetaucht, mit vorgehaltenen Waffen. In ihrer Sprache waren die Flüchtlinge aufgefordert worden, auszusteigen.
Als sie nicht sofort reagiert hatten, war das Feuer eröffnet worden. Nicht, um die gelandeten Auswerfer zu zerstören, sondern nur so, dass es im Innern gewissermaßen ungemütlich wurde.
Die fünfzehn Flüchtlinge hatten sich ergeben müssen. Danza nach kurzem Zögern auch. Nicht weil sie sich nicht hätte zur Wehr setzen können, sondern einfach nur, um herauszufinden, wie es weitergehen würde.
Niemand wurde getötet. Alle wurden brutal niedergeknüppelt, obwohl sie sich nicht wehrten bei der Gefangennahme.
Der ganze Vorgang hatte Fragen aufgeworfen, die Danza bis jetzt noch nicht einmal im Ansatz hatte beantworten können.
Eine Frage empfand sie am dringlichsten: Wenn der unsichtbar gebliebene Gegner so übermächtig war, wieso hatten sie dann überhaupt fliehen können? Sie hatte sehr genau aufgepasst, und sie konnte immer noch darauf schwören, dass sie wirklich die Einzigen waren, denen die Flucht gelungen war.
Und niemand hatte sie außerdem unterwegs verfolgt!
Oder hatten sie es nur nicht bemerkt?
Immerhin hatte der Gegner gewusst, wo ihr Ziel lag – und hatte dieses rechtzeitig vorbereitet.
Danza versuchte, all diese quälenden Gedanken zu verdrängen, die außer Verdruss nichts brachten, und steuerte wieder auf den kaum sichtbaren Eingang in die unterirdische Anlage zu. Sie hatte genug hier oben gesehen. Es hatte sich sowieso nicht das Geringste geändert seit dem letzten Mal.
Jetzt wollte sie zurück in die Zentrale der Anlage. Irgendwie bekam sie das dumpfe Gefühl nicht los, irgendetwas Entscheidendes bislang übersehen zu haben.
Aber was?
Nicht nur, dass ihre Auswerfer hier oben längst spurlos verschwunden waren, auch ihre gesamte Ausrüstung. Sie waren nur im Bordanzug – und Danza eben nur in ihrem Ledermantel – eingesperrt worden.
Danza hatte sich zwar absichtlich zurückgehalten, um heimlich ausloten zu können, wie erstens ihre Chancen standen und was sie zweitens hier erwartete, aber vielleicht war das ja doch die falsche Entscheidung gewesen?
Was, wenn sie die Gefangennahme verhindert hätte?
Dann hätten sie wenigstens noch die Auswerfer gehabt, um den Planeten nach weiteren unterirdischen Anlagen absuchen zu können. Ein Unterfangen, das zu Fuß absolut zum Scheitern verurteilt war. Sie wusste ja noch nicht einmal, in welche Richtung sie sich hätte wenden müssen.
Falls es überhaupt noch eine weitere Anlage dieser Art gab.
Alles mehr als unbefriedigend, fand Danza, bevor sie den Eingang betrat, warf letzte Blicke in die Runde und versuchte gleichzeitig, mit ihren besonderen Fähigkeiten zu ergründen, was sich im Unsichtbaren verbarg.
Hielt sich der unsichtbare Gegner vielleicht nur deshalb zurück, weil er erst einmal alles genau beobachten wollte?
Und wie lange denn noch?
Oder gab es gar keine Beobachter, weil es keine unsichtbaren Gegner gab? Sondern eben nur die zwölf Frauen und Männer der eigentlichen Besatzung dieser Anlage, die zudem keinen freien Willen hatten?
Die Zentrale! Sie musste dorthin, um noch einmal alles zu durchforsten. Die Anlage war hochtechnisiert und konnte in eine regelrechte Festung verwandelt werden, wenn man es wollte. Danza hatte dies natürlich genutzt.
Technisch gesehen konnte sich nichts und niemand der Lichtung oben nähern, ohne entdeckt zu werden. Dass Danza trotzdem dort Wachen aufstellte, diente in erster Linie der Beschäftigung für die Frauen und Männer, für die sie sich verantwortlich fühlte.
Ja, sie wollte jetzt wieder in die Zentrale. Um erneut die gesamte Anlage von dort aus über das Sicherheitssystem zu scannen. Es gab zwar keine Überwachungsmöglichkeiten für die Wohneinheiten, aber immerhin der Gänge – und nicht zu vergessen des Luftraumes über der Anlage.