Читать книгу Aliens in der Sternensee: Alfred Bekker präsentiert 17 Science Fiction Abenteuer - A. F. Morland - Страница 94
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ОглавлениеCaptain Dawn brauchte mindestens eine Minute nach seinem Erwachen, um zu begreifen, was überhaupt geschehen war.
Der Angriff aus dem Unsichtbaren.
Die stolze und als unbesiegbar geltende Overscout als Wrack.
Die Rettung in letzter Sekunde.
Die nur vorübergehende Freiheit!
Wie hatte sie eigentlich geendet?
Daran fehlte jegliche Erinnerung. Als habe etwas einfach sein Bewusstsein gelöscht. So lange, bis er hier wieder zu sich gekommen war.
Er ruckte von dem Lager hoch, auf dem er lag, und schaute an sich herunter.
Die normale Bordmontur, aber keinerlei Waffen.
Und kein Wichtel mehr!
Logisch, denn er war offensichtlich in Gefangenschaft.
Doch wer hatte ihn gefangen genommen? Und gab es auch Soldaten oder Besatzungsmitglieder, die dieser Gefangenschaft hatten entrinnen können?
Da hegte er wenig Hoffnung. Der unsichtbare Gegner war dermaßen überlegen gewesen, dass er niemandem auch nur die geringste Chance einräumte.
Höchstens Danza!
Falls es irgendjemand schaffte, sich der Gefangenschaft zu entziehen, dann war sie es. Glaubte er zumindest.
Den Gedanken an seine geliebte Fay Wray hatte er bis jetzt erfolgreich unterdrückt. Doch jetzt machte sich dieser Gedanke frei, und er konnte den Schrei nach ihr nicht mehr unterdrücken:
„Fay!“
Ungehört verhallte er zwischen den Wänden seines Käfigs.
Er schloss die Augen, um sich zu konzentrieren. Nur jetzt nicht die Nerven verlieren.
Er riss die Augen wieder weit auf.
Die Wände waren kahl und völlig glatt. Außer dort, wo sich die Tür abzeichnete. Trotzdem konnte er frei atmen. Die Luft war geruchlos, also völlig neutral, und roch in keiner Weise etwa abgestanden. Aber woher kam sie, wo man doch nirgendwo einen Einlass sehen konnte?
Das einzige Mobiliar war das primitive Lager auf einem niedrigen Metallgestell, wo er erwacht war.
Die Tür war nur zwei Schritte entfernt. Er klopfte probehalber mit der Faust dagegen. Nicht der geringste Laut war zu hören.
Und woher stammte eigentlich das Licht? Es schien direkt aus den Wänden zu kommen – und aus der Decke. Nur der Boden blieb dunkel. Er war genauso gleichmäßig und glatt wie ansonsten Wände und Decke.
An der Tür gab es keinerlei Öffnungsmechanismus. Wahrscheinlich konnte sie sowieso nur von außen geöffnet werden, was natürlich Sinn ergab.
Wie lange hatte er schon hier verbracht?
Er lauschte in sich hinein.
Was hatte sein Bewusstsein einfach so ausgelöscht, mit einer Leichtigkeit, die ihn im Nachhinein schaudern machte. War es allen anderen auch so ergangen?
Er wusste nicht, dass nur insgesamt vier Auswerfer hatten fliehen können. Einer mit Danza an Bord. Sie allein, weil sie genauso wie Captain Dawn das Privileg dazu hatte – oder auch, weil niemand sonst das kleine Boot mit ihr hätte teilen wollen.
Sie waren ja schon auf den dritten Planeten programmiert gewesen, und den hatten sie dann angesteuert, inmitten der habitablen Zone. Um dort notzulanden. Nicht als Eroberer, sondern als Flüchtlinge vor einem übermächtigen Feind.
Um dort in die Falle zu gehen. Gemeinsam mit dem Boot von Danza.
Dawn seinerseits musste in Unkenntnis dessen davon ausgehen, dass es womöglich jedem so ergangen war wie ihm selbst. Niemand hatte Gewalt anwenden müssen bei ihm, weil er zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr bei Bewusstsein gewesen war.
Hätte er von Danza und den anderen gewusst, wäre ihm aufgefallen, dass es offensichtlich Ausnahmen gab. Lag es daran, dass die fremde Macht zwar einfach so Bewusstseine löschen konnte, wenn auch nur vorübergehend, aber nicht gleichzeitig die von dermaßen vielen Besatzungsmitgliedern und Soldaten?
Eine Frage, die er sich eben mangels dafür nötiger Informationen gar nicht erst stellte.
Er gab es auf, die Tür mit seinen Fäusten zu malträtieren, um somit vielleicht auf sich aufmerksam zu machen, und setzte sich auf die Pritsche.
Es war ihm beim Erwachen gar nicht aufgefallen, wie hart sie war, und es gab nicht einmal eine Decke, um sich zuzudecken. Vielleicht auch, weil sie nicht nötig war, denn die Temperatur in seiner Zelle war eher angenehm zu nennen.
Von einem Augenblick zum anderen verschwand die Tür, als würde sie sich ganz einfach in Nichts auflösen. In der Öffnung erschien ein älterer Mann, der ihn freundlich anlächelte. Er trug eine Art Laborkittel. Seine Füße steckten in bequemen Sandalen.
„Captain Dawn, willkommen auf unserer Welt, die von Ihren Leuten heimlich Moloch genannt wird. Weil so viele Scouts hierhergekommen sind, um niemals wieder zurückzukehren nach Axarabor?“
„Sie kennen unsere Zentralwelt?“, wunderte sich der Captain, schüttelte dann jedoch den Kopf über sich selbst. War ja eigentlich logisch, dass dieser Fremde das wusste. Vielleicht hatte die Macht, die sein Bewusstsein vorübergehend hatte löschen können, auch seine Erinnerungen durchforstet?
„Ja, das ist tatsächlich geschehen!“, gab der Fremde zu und lächelte stärker.
Verdammt, hat der eben meine Gedanken gelesen?
„Nein, hat er nicht selber. Aber ja, es ist nicht schwer, Ihre Gedanken zu lesen, wenn sie dermaßen deutlich sind. Anscheinend haben Sie nie lernen müssen, ihre Gedanken im Zaum zu halten. Auch nicht gegenüber Ihrem AO namens Danza.“
Oh, er weiß einiges, aber offensichtlich nicht alles!
„Das ist richtig, Captain Dawn. Deshalb bin ich gekommen, um Sie abzuholen.“
„Mich abzuholen? Um mich wohin zu bringen?“
Dawn betrachtete den älteren Mann mit den bereits schütteren grauen Haaren und schätzte seine Chancen ab. Wenn er den Kerl jetzt einfach überwältigte und…?
Der ältere Mann lachte schallend.
„Also, Captain, ich muss doch sehr bitten. Dermaßen gewalttätige Gedanken? Nein, nein, ich bin zwar nicht bewaffnet, aber das ist bei Ihnen auch nicht nötig. Haben Sie denn schon wieder vergessen, wie das läuft? Haben Sie vergessen, wie einfach es ist, Ihr Bewusstsein zu löschen?
Sobald Sie versuchen, mich zu überwältigen, wachen Sie später wieder auf der Pritsche auf. Um dann vielleicht eine gefühlte Ewigkeit zu warten. Ohne zu wissen worauf. Wäre es denn nicht interessanter, gleich zu erfahren, worum es uns zumindest bei Ihnen geht?“
Jetzt hätte der Captain den älteren Mann erst recht gern niedergeschlagen. Er konnte sich gerade noch rechtzeitig bremsen.
Der Fremde wandte sich ab und machte den Weg nach draußen frei.
Captain Dawn folgte ihm auf den Gang hinaus.
Dort waren Wände, Boden und Decke genauso glatt und kahl. Außer dort, wo sich Türen abzeichneten. Waren das Türen zu weiteren Zellen? War das die Kerkeranlage des Feindes?
Der ältere Mann musste seine Gedanken erfahren haben, doch er tat so, als sei dies nicht geschehen. Er wandte sich in eine nur scheinbar beliebige Richtung und schritt tiefer in den Gang hinein.
Die Wände und die Decke leuchteten aus sich heraus, genauso wie in der Zelle. Als Captain Dawn kurz den Kopf wandte, konnte er die eigene Zelle nicht mehr von allen anderen unterscheiden. Die Tür war wieder da. Das war das Einzige, was er feststellen konnte.
Sein Blick ging wieder nach vorn, auf den Rücken des älteren Mannes, der unterwegs kein Wort mehr sagte.
Captain Dawn tappte hinterher und versuchte zu ergründen, ob er tatsächlich keinerlei Chancen gehabt hätte, zu fliehen.
Er unterdrückte diesen Gedanken wieder. Nein, es war wohl kaum vorstellbar, dass ein so übermächtiger Gegner dermaßen leicht auszutricksen war. Zumal er nicht die geringste Ahnung hatte, wo sich diese Kerkeranlage überhaupt befand. Auf dem Zielplaneten? Oder vielleicht an Bord eines unbekannten Raumschiffs?
Wie war er überhaupt hierhergekommen? In dem Auswerfer, mit dem er sich vor der Katastrophe hatte retten können?
Er hatte eben nicht die geringste Ahnung und musste sich in die Rolle des Gefangenen fügen, zumindest so lange, bis er mehr wusste. Erst dann würde er überhaupt in der Lage sein, seine möglichen Chancen abzuschätzen.
„Fay Wray!“, sagte er plötzlich gegen seinen Willen.
Tatsächlich, der Fremde blieb kurz stehen und wandte sich ihm zu.
„Ich weiß, Ihre Geliebte. Sie ist wichtiger für Sie als Ihr eigenes Leben. Sehr ungewöhnlich, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf.
Überhaupt seid ihr Menschen eine recht eigenartige Spezies. Es waren schon viele hier, eben nicht nur Menschen. Doch ich muss sagen, Menschen sind uns am liebsten, weil man sie am leichtesten manipulieren und führen kann. Mehr noch als das: Sie fühlen sich sogar glücklich dabei, wenn man ihnen jeglichen freien Willen raubt!“
Captain Dawn sah den Fremden aus schreckgeweiteten Augen an, denn jetzt erst begriff er, dass er nichts weiter als eine menschliche Marionette vor sich hatte. Wer war der unsichtbare Puppenspieler, der durch den Mund dieses Mannes zu ihm sprach?
Und der Fremde wirkte in der Tat… glücklich!
Ohne eigenen Willen erlebt der Mensch nur ewigen Frieden, ohne jegliche Sorgen. Bis zu seinem Ende.
Das ging Captain Dawn unwillkürlich durch den Kopf, ohne dass er zu sagen vermochte, ob dies überhaupt seine eigenen Gedanken waren.
Es erschreckte ihn zutiefst.
Und dann ging der Fremde einfach weiter, gesteuert wie ein Roboter aus Fleisch und Blut, von jemand – oder etwas? – das dem Captain so unfassbar erschien wie alles, was er bisher in diesem Molochsystem erlebt hatte…