Читать книгу Aliens in der Sternensee: Alfred Bekker präsentiert 17 Science Fiction Abenteuer - A. F. Morland - Страница 92

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Danza öffnete stets nur ein Auge. Sie sah dabei immer schläfrig aus, mitgenommen, als könnte sie gar nicht richtig bei der Sache sein. Und dann steckte sie sich mal wieder eine dieser altertümlichen Zigaretten an, lang, weiß und ohne Filter.

Manchmal, aber wirklich nur manchmal, öffnete sich für kurze Zeit das zweite Auge.

Blutunterlaufen und an den Rändern gelb!

Wenn man es wagte, dort hinein zu blicken, kamen einem unwillkürlich die Tränen.

Dann schloss sich das Auge wieder, und egal, wie lange sie dann noch an der altertümlichen Zigarette saugte, den Rauch ausstieß, über den Mund und viel mehr noch über die Nase, nicht sobald wieder öffnete sie ihr zweites Auge, wenn auch nur für einen Augenblick.

Manche hatten das Glück, dabei zusehen zu dürfen, wie etwas Tränenflüssigkeit aus dem geschlossenen Auge lief. Ganz dünn, ganz langsam, so wie Honig und auch so gelblich-braun – eher schon so wie Bernstein.

Und in der Luft hing plötzlich der Duft von Anis.

Wenn Danza sich nach vorn beugte, dann knirschten die Gelenke. Oder war es etwas anderes, was man da hörte? Denn sie trug stets so etwas wie eine lange Lederjacke, eigentlich eher ein Mantel, gefertigt immerhin aus Leder angeblich von der guten alten Erde. Sehr selten und im Grunde genommen unbezahlbar. So alt eben, dass nur wenige Personen das überhaupt noch tragen konnten.

Danza war spindeldürr und hoch gewachsen. Ihr Haar lag aalglatt an und bedeckte von den Schläfen abwärts ihr Gesicht bis zum Kinn, nur den vorderen Teil ihres Gesichtes frei lassend. Es sah auch am Hinterkopf wie angeklebt aus und bewegte sich praktisch überhaupt nie, selbst wenn sie eine schnelle Kopfbewegung machte.

Eher wie eine eng anliegende Kappe als eine echte Frisur. Und dennoch schien sie natürlich entstanden zu sein, wie eben gewachsene Haare, die allerdings ihre irgendwann einmal erreichte Länge niemals wieder veränderten.

Ihre Finger waren lang, jedenfalls noch länger als man erwarten könnte, gemessen an ihrer weit überdurchschnittlichen Körpergröße.

Manchmal rieb sie den Zeigefinger und den Mittelfinger aneinander. Das machte sie besonders gern, wenn sie die „Bernsteinflüssigkeit“ aus ihrem Auge wegwischte und dann beide Finger in den Mund steckte, während die andere Hand die obligatorische Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger nach oben streckte und sich die restlichen Finger zu einer Faust ballten.

Der Körper sah im Übrigen eher wie der Torso eines Toten aus. Obwohl man für gewöhnlich sowieso nur den Mantel aus Leder sah, der flatternd wie die Flügel einer Riesenfledermaus den spindeldürren Körper umhüllte.

Wenn Danza allerdings den Mantel einmal lüftete, was nicht so häufig geschah, konnte man sehen, dass ihr Oberkörper aus sich heraus leuchtete und dass inmitten der sich dürftig abzeichnenden Rippen etwas pulsierte, bernsteinfarben: Ihr Herz!

Brüste erwartete man vergeblich. Daher war hinter der hohlen Hand bereits vermutet worden, dass sie gar keine richtige Frau war, also keine entsprechenden Geschlechtsmerkmale aufwies.

Was war sie sonst?

Wenn keine Frau, vielleicht ein Mann?

Aber ihre Stimme klang doch eher weiblich – falls sie überhaupt einmal sprach. Also war sie so etwas wie ein Neutrum?

Es war ihr egal, und machte ihr noch nicht einmal etwas aus, wenn Verbündete sie fürchteten und Feinde sie verabscheuten. Vielleicht, weil sie sich längst daran gewöhnt hatte? Denn Danza war alt, nach menschlichem Ermessen sogar mehr als uralt.

Und in den undenklichen Zeiten ihrer Existenz war sie gewiss mehr als einmal schon in Situationen geraten, die eigentlich als unentrinnbar gelten durften. Um sie am Ende doch noch meistern zu können. Sonst hätte sie längst nicht mehr gelebt.

Bis jetzt zumindest, bis zu der Situation hier und heute, auf diesem verfluchten Planeten, wo vor mehr als neuntausend Jahren während der ersten über tausendjährigen Siedlerwelle Menschen gelandet waren, die man inzwischen nicht mehr als Menschen bezeichnen konnte, obwohl sie immer noch so aussahen.

Danza war hier gewissermaßen notgelandet, wie auch andere ihrer Verbündeten, die nicht schon direkt nach ihrer Flucht aus dem havarierten Schiff von ihrem unsichtbaren Gegner aufgegriffen worden waren.

Und sie war wie inzwischen wohl alle, die von der Overscout stammten, sofern sie die Katastrophe hatten überleben können, doch noch in Gefangenschaft geraten.

Man hatte sie brutal niedergeknüppelt und deportiert. Man hatte sie in eine besondere Art von Zelle gesperrt.

Bis zu ihrem ersten Verhör.

Sie schien da erst zu begreifen, in welcher Lage sie überhaupt war, angesichts des Verhörstuhls inmitten eines kahlen Raumes, ohne bis jetzt auch nur im Ansatz sich zur Wehr gesetzt zu haben. Sie ließ sich zunächst sogar auf dem Verhörstuhl fixieren, doch dann zog sie die Luft ein – und in ihrem einzig offenen Auge war so etwas wie Entsetzen.

Sie öffnete den Mund, und eine Reihe von Klicklauten kam hervor, wie von einem Delfin.

Ihre Beine zuckten, wurden steif und verkrümmten sich.

Das Zucken erfasste ihren ganzen Körper, und dann warf sie den Kopf zurück, öffnete das andere Auge, aus dem es bernsteinfarben hervor quoll, nicht Materie, nicht Energie oder beides zugleich, um sich blitzschnell auszubreiten und ihre Peiniger zu erfassen.

Egal, wo sie sich in der unterirdischen Anlage aufhielten!

Keine Tür, ja, keine noch so stabile Wand konnte es verhindern.

Sie sprengte ihre Fesseln, als würden sie aus nassem Papier bestehen, und stand aus dem Verhörstuhl wieder auf.

Sie war in diesem Zustand sehr langsam. Als würde sie sich in einer zähen Masse befinden.

Bis die bernsteinfarbene Wolke sich allmählich verflüchtigt hatte und alles wieder normal erschien, obwohl es ganz und gar nicht mehr normal war. Denn diejenigen, die es gewagt hatten, sie gefangen zu nehmen, waren jetzt ihre Sklaven. Solange sie es wollte. Und sie hatte keinerlei Skrupel dabei, weil diejenigen ja auch keine Skrupel mit ihr gehabt hatten.

Sie rief auf dem Weg zur Zentrale innerhalb dieser unterirdischen Anlage zusammen, um von dort aus ihre Herrschaft auszurufen. Damit all ihre Verbündeten freigelassen wurden, sofern sie hier inhaftiert worden waren.

Ihre Absicht war klar: Wenn dies alles gelaufen war, konnte sie sich den eigenen Verhören widmen, um endlich mehr zu erfahren über diese Welt, auf der sie gestrandet waren.

Und wenn sie endlich wusste, ob sich auch ihr Captain Dawn hier befand.

Dies konnte allerdings schnell ermittelt werden, nachdem die Machtübernahme kein Problem mehr darstellte und die von ihr selbst jetzt beeinflussten eigentlichen Bewohner der Anlage ausschwärmten, um die fünfzehn Gefangenen in die Zentrale zu bringen.

Captain Dawn war nicht bei ihnen. Natürlich nicht. Sie hatte es ja eigentlich schon gewusst, hatte aber dennoch auf Nummer Sicher gehen wollen.

Wenigstens war der erste Offizier des Schiffes, Ferim Garein mit anwesend. Er hatte sich einen Auswerfer mit vier anderen teilen müssen. Aber er war eigentlich ein besonderer Glücksfall für ihre Situation, wie Danza meinte, denn Ferim Gerein galt als Computergenie, das als einziges an Bord der Overscout die KI verstanden hatte.

Danza selbst hatte tiefgreifende Probleme mit Technik, unleugbar. Also würde Ferim Garein eigentlich das Kommando in der Anlage übernehmen müssen. In ihrem Auftrag.

Jedenfalls, Captain Dawn war offensichtlich sonst irgendwo untergebracht, irgendwo auf diesem verdammten Planeten, den nicht nur sie inzwischen Moloch nannte, weil schon so viele Scouts vor ihnen hier gescheitert waren.

Also konnte sich Danza jetzt erst einmal ihren Verhören widmen.

Auch da war sie sehr langsam. Für gewöhnlich. Sie galt als absolute Verhörspezialistin mit sagenhaften Erfolgen. Nicht zuletzt natürlich auf Grund ihrer PSI-Fähigkeiten, die es allerdings offiziell gar nicht gab. Und sie musste sich immer diese Zeit lassen. Weil es eben auf den Erfolg ankam und nicht auf die Schnelligkeit, in der dieser erreicht werden konnte.

So ein Verhör konnte normalerweise im Einzelnen durchaus auch mal Stunden, einen Tag oder auch mehrere Tage lang dauern!

Dann öffnete sie am Ende stets den Mund, und mit einer Wolke aus Zigarettenrauch konnte man jenes eigenartige Wort hören, zwischen Zahnstummeln, die auch bernsteinfarben leuchteten:

„LOOKOLAY!“

Was auch immer dies bedeutete: Man konnte direkt sehen, wie Sie sich an der altertümlichen Zigarette regelrecht festhielt. Sie saugte und saugte, und dann erst war das Verhör für sie beendet.

Normalerweise war das genau so. Nicht hier und jetzt allerdings.l Denn wie verhörte man einen Menschen ohne eigenen Willen? Sie konnte jedem der zwölf eigentlichen Bewohner der Anlage ihren Willen aufzwingen, völlig mühelos. Aber das war dann ja kein richtiges Verhör mehr, weil sie in den durchgehend völlig belanglosen Erinnerungen herumstochern konnte, ohne daran gehindert zu werden.

Einen zufriedenen Eindruck machte sie nach keinem dieser Verhöre, die eigentlich keine waren. Auch nach einem Tag nicht, in dem weiter vergeblich nach Captain Dawn gesucht worden war.

Er musste es doch geschafft haben, rechtzeitig dem Inferno zu entfliehen, ehe außer der äußeren Hülle des Schiffes nichts mehr übriggeblieben war? Sie hatte es doch auch geschafft. Und hatte hier sogar das Kommando übernehmen können.

Nun, sie war ja schließlich der AO (der „außerordentliche Offizier“), manchmal auch MILITARY-OFFICER genannt. Sie wurde immer erst dann eingesetzt, wenn alle anderen Maßnahmen versagten.

Es gab nur wenige ihrer Art innerhalb der Flotte, und daher immer nur eine pro Schiff, wenn überhaupt.

Ihre Herkunft konnte nicht rein menschlich sein. Soviel stand fest. Es gab seit der ersten Siedlungswelle, die vor über zehntausend Jahren begann, die Legende, dass es zwischen Menschen und einer besonderen Alienrasse einen vorübergehend engen Kontakt gegeben hatte. Was zu Mischlingen geführt haben sollte, halb Mensch, halb Alien. Einzige Zeugen dessen sollten eben bis heute diese AO sein.

Aber dann wären diese Mischlinge ja über zehntausend Jahre alt inzwischen? Ohne älter zu werden oder sich weiter fortzupflanzen? Und wo war jene Alienrasse schließlich abgeblieben? Wieso überhaupt war damals der Kontakt wieder abgebrochen?

Bewiesen war das daher ganz und gar nicht!

Doch wer wusste denn schon, was einem im TIEFENRAUM wirklich erwartete, in der unheimlichen Leere zwischen den Sternen, wo es außer Setna nur das gab, was Setna erlaubte.

Setna: So etwas wie die Mystifizierung des Alls war in weiten Kreisen der verbliebenen Menschheit sowieso ziemlich fortgeschritten, nicht nur unter den Setnaern. Dabei war die Herkunft der AO noch nicht einmal am fantastischsten…

Aliens in der Sternensee: Alfred Bekker präsentiert 17 Science Fiction Abenteuer

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