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Sie hatten das Heu noch einmal trocken hereinbekommen. Aber zum Schluss mussten sie sich doch ganz schön anstrengen. Selbst Ernst Weitgasser hatte tüchtig mitgeholfen. Auch die Liese. Nur Eleonore kam nicht.

Burgl dachte, der Bauer sollte darauf bestehen, dass seine Frau mithalf. Das würde ihr guttun. Arbeit lässt so vieles vergessen. Das hatte sie doch am eigenen Leibe erfahren. Vielleicht sollte sie ihr ein wenig von sich selbst erzählen? Vielleicht wurde sie dann endlich wieder anders. Doch dann brachte sie doch nicht den Mut auf. Schließlich war und blieb sie in diesem Haus nur eine Fremde, obwohl man sie manchmal wie ein eigenes Kind behandelte.

Der wunderschöne Bergsommer verwandelte sich schlagartig in einen sehr schlechten Herbst. Übergangslos begann die Regenperiode. Das war gar nicht gut, denn das Vieh musste ja noch von den Almen getrieben werden. Sonst war das immer ein großer Festtag für das Dorf. Viele Urlauber kamen dann, um dem Schauspiel beizuwohnen. Aber jetzt goss es so gewaltig, dass jeder sein Vieh so schnell wie möglich zum Hof zurück brachte.

Burgl war mit dabei, aber sie fürchtete sich noch ein wenig vor diesen Ungetümen.

Viktor lachte nur gutmütig.

»Es sind Pflanzenfresser, Mädchen, die tun dir nichts!«

»Wissen die Küh das auch?«, fragte sie vorsichtig.

»Was sollen sie wissen?«

»Dass sie nur Pflanzen mögen!«

Da lachte er laut auf.

»Nun nimm das Seil, Dirndl, wenn man die Leitkuh antreibt, kommen die anderen von selbst nach.«

Traurig hing der schöne Blumenkranz am Hals der Leitkuh. Selbst die vielen Glocken klangen gar nicht so fröhlich wie früher.

Es regnete unaufhörlich. Dampf und Nebel stiegen aus den Tälern zu ihnen empor. Die Berge hatten sich schon lange eine Wattemütze über die Ohren gezogen. Als sie mit dem Vieh auf dem Hof ankamen, waren sie alle völlig durchnässt.

Vroni hatte den Stall für den Einzug der Tiere vorbildlich hergerichtet und sogar einen Lärchenbusch als Willkommen an die Tür gehängt. Während sie mit Viktor und Peter das Vieh versorgte, warf Burgl Heu durch die Luke in den Stall.

Anna, die Sennerin, brachte die letzten Almerzeugnisse in die Küche und richtete ihre Kammer ein. Diese lag, wie auch Peters Zimmer, am anderen Ende des großen Hauses als die verbotenen Räume.

Anna war schon sehr lange im Dienst der Weitgassers, und sie fürchteten, jeder Almsommer sei Annas letzter. Auf das Angebot, im Tal zu bleiben, war sie nicht eingegangen. Sie wollte jeden Sommer mit dem Vieh auf die Alm, solange ihre Beine sie noch trugen.

In den vielen Jahren der Einsamkeit unterhalb der steinernen Riesen, wo sie monatelang nur die Ansprache mit ihrem Vieh hatte, war Anna wortkarg geworden. An irgendwelchen Lustbarkeiten des Dorfes hatte sie schon lange kein Interesse mehr. Die vermehrt auf der Alm auftauchenden Bergwanderer bewirtete sie zwar freundlich, ließ sich aber nie auf ein Gespräch mit ihnen ein. Es schien ihr auch einerlei, was im Dorf und in der Welt geschah, sie wollte es nicht wissen.

Sie hatte Burgl als neue Hausgenossin mit einem festen, herzlichen Händedruck begrüßt, aber nichts gesagt.

Von der alten Anna also würde Burgl über das Geheimnis des Weitgasserhofes nichts erfahren. Es lohnte das Fragen nicht.

Liese richtete inzwischen in der Küche eine kräftige Jause. Wenn schon wegen des schlechten Wetters der öffentliche Almtrunk ausfallen musste, sollten die Leute wenigstens zu Hause den gut verlaufenen Almsommer etwas feiern. Anna hatte das Vieh ohne Verlust oder Schaden heimgebracht Es war in ihrer langen Dienstzeit nur wenige Male vorgekommen, dass sie ein Rind durch Blitzschlag oder Absturz verloren hatte.

Als das Vieh versorgt war, dachten die Leute an sich. Gewaschen und umgezogen trafen sie sich in der Küche und setzten sich um den großen Tisch. Liese hatte auf Anweisung der Weitgasserin hergeschafft, was Küche und Keller an Gutem zu bieten hatten.

Kurz darauf erschien auch der Bauer, dankte der Anna für die gute Versorgung des Viehs und den anderen für die Hilfe beim Almabtrieb. Er sprach ein Dankgebet und forderte dann seine Mitarbeiter auf, kräftig zuzulangen.

Das Essen war vorzüglich, und der Most lockerte die Zungen. Sogar die Anna taute etwas auf und erzählte einige Begebenheiten, die sie beim Sommern heuer oder in anderen Jahren erlebt hatte.

Peter bekam vom ungewohnten Mostgenuss bereits rote Ohren, so dass Viktor den Mostkrug aus Peters Reichweite rückte.

Der Bauer freute sich über die Zufriedenheit seiner Leute. Er bestimmte, dass im nächsten Sommer der Peter mit zum Sommern aufziehen sollte, was ihm einen erfreuten Ausruf vom Peter und einen missbilligenden Blick der Sennerin einbrachte.

»Ich weiß, Anna, du bist am liebsten allein droben. Aber erstens bist du nimmer die Jüngste, und wenn was passiert, mach' ich mir schwere Vorwürfe. Und zweitens gehört ein Almsommer zu Peters Ausbildung.

»Mach net solch ein Gesicht, Anna, ich werd' dir in nix dreinreden, und wenn einer zu dir Fensterln kommt, schau ich net hin!«, versicherte Peter grinsend.

Nach dem allgemeinen Gelächter meinte Anna trocken: »Na Bub, da besteht keine Gefahr nimmer, ich glaub’, da muss eher ich wegschauen, wenn du nächstens zu einem Kammerfenster rennst. Aber zum Morgenmelken musst wieder pünktlich da sein, da versteh' ich keinen Spaß.«

»In Ordnung«, bestätigte Peter, obwohl er noch kein Kammerfenster wusste, zu dem er gern eingestiegen wäre.

Burgl bemerkte, dass sogar der Weitgasserin ein Lächeln übers Gesicht ging und war irgendwie froh darüber. Heute erlebte sie das erste Mal eine gelockerte Atmosphäre im Haus, das sonst ohne Lachen und Frohsinn war.

Nach dem Essen machte sich die Müdigkeit bei allen bemerkbar, schließlich hatten sie einen schweren Tag hinter sich. Wenig später sang das monotone Rauschen des Regens die Bewohner des Weitgasserhofes in den verdienten Schlaf.

Sieben Romane: Heimatroman Extra Großband Juli 2021

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