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Der alte Mann stand am nächsten Tag an der Haltestelle und holte sie wie versprochen ab. Dabei stellte sie fest, dass er noch gar nicht so alt sein konnte, nur das weiße Haar hatte sie verwirrt.

Als sie auf dem Hof ankamen, begrüßte die Bäuerin sie und wies ihr dann ein Zimmer im Oberstock an. Es war ein sehr schönes Zimmer. Sie hatte sogar Zugang zum Balkon. In einem Alkoven stand das Bett, daneben der Schrank, an der anderen Seite eine behäbige Kommode.

Burgl bedanke sich herzlich. In er Stadt hätte sie für so ein Zimmer sehr viel Geld zahlen müssen.

Nebenbei erfuhr sie jetzt, dass Viktor eine Art Verwalter auf dem Hof war. Schon den Eltern hatte er gedient, dann war der Krieg gekommen. Er war wieder auf den Hof zurückgekommen und geblieben. Für die Weitgassers ein großes Glück; denn man bekam sehr selten gute Kräfte in den Bergen. Viktor liebte diesen Hof.

Sie erfuhr jetzt auch, dass zu diesem schönen Hof noch eine Sägerei und Käserei gehörte. Deswegen hatte sie den Bauer auch noch nicht kennengelernt. Viktor kümmerte sich um den Hof und der Bauer um die anderen Sachen. So kam man sich auch nie ins Gehege.

Dann gab es auch noch Viktors Frau, die Liese. Wenig später machte sie deren Bekanntschaft, sie war ebenso ehrlich und rechtschaffen wie ihr Mann. Freundlich nahm sie das junge Mädchen auf und erklärte ihm gleich, dass es viel mehr essen müsse.

Liese machte sie dann mit der rundlichen Stallmagd Vroni und dem sechzehnjährigen Peter Bach bekannt. Beide schüttelten ihr herzlich die Hand und versicherten ihre Freude über die neue Hausgenossin.

Burgl war noch keine fünf Stunden hier, da fühlte sie sich schon geborgen und heimisch.

Jetzt wusste sie auch, weswegen man sie hatte kommen lassen. Liese könne die Arbeit im Haus nicht mehr allein bewältigen. Mit der Bäuerin schien etwas nicht zu stimmen. Obschon sie groß und stattlich war, merkte Burgl sehr schnell, dass sie oft viele Stunden einfach reglos in einem Winkel saß und nach draußen starrte. Dann hatte sie ein ganz seltsames Gesicht und man konnte sie auch nicht mehr ansprechen. Kalte Schauer liefen ihr dann den Rücken hinunter.

Burgl hatte also die Leute auf dem Hof kennengelernt und war in ihre Pflichten eingewiesen worden. Das Haus war sehr groß und geräumig und hatte viele Zimmer. Früher, da hatte bestimmt viel Leben hier geherrscht, dachte das junge Mädchen. Aber jetzt kommt es mir wie eine Gruft vor.

Sie war jung und wollte ja arbeiten, also würde sie mit ihren Pflichten schnell fertig sein.

Burgl stand am Fenster und sah auf die Berge. Sobald sie Zeit hatte, würde sie die nähere Umgebung erkunden. Sie liebte die Natur sehr.

Gleich nachdem sie die Koffer ausgepackt hatte, machte sie sich an die Arbeit. Die Weitgasserin ließ sich nicht blicken. Es war Liese, die sie einweisen musste und ihr zeigte, welche Stuben bewohnt wurden.

Neben ihrer Kammer befand sich auch ein Bad. Dahinter machte der Gang einen Knick und dann gab es noch ein paar Türen.

»Dort brauchst nicht zu putzen, die Räume werden nicht mehr benutzt. Sie sind alle verschlossen.«

»Ist gut«, sagte Burgl.

Sie war auch nicht neugierig. Doch wenig später, als sie im Hausgarten war und einmal nach oben blickte, da musste sie feststellen, dass es gerade diese Fenster waren, wo sich gestern angeblich eine Gardine bewegt hatte. Doch dann vergaß sie es wieder und schnitt die Blumen ab.

Viktor war mit Peter aufs Feld gefahren und Vroni schimpfte im Stall mit dem Mutterschwein, das sich in seiner Behäbigkeit kaum von der Stelle rührte, als Vroni den Koben ausmistete. Es war in Kürze mit dem Wurf zu rechnen, und Burgl freute sich schon auf die rosigen Ferkel.

Die Glucke führte ihre piepsende Kinderschar schon seit zwei Wochen aus, und die getigerte Hauskatze hatte vorgestern ihre drei Nachkommen aus der Scheune geholt, nachdem ihnen ein glänzendes Fell gewachsen war und ihre bislang blinden Augen vorwitzig in die Welt schauten.

Burgl liebte die Tierkinder sehr und musste aufpassen, dass sie die kleinen Miezen nicht trat, als sie jetzt ins Haus ging. Die drei Kleinen balgten sich auf den Stufen, während Minka etwas abseits saß, sich putzte und ihre Kinder beobachtete.

Die putzigen Sprünge der Kätzchen, entlockten Burgl ein herzliches Auflachen.

Als sie in die Küche trat, um die geschnittenen Blumen in die Vase zu richten, sagte Liese zu ihr:

»Burgl, so laut lachen darfst hier nicht.«

Das Mädchen schaute sie erschrocken an.

»Das versteh’ ich nicht, warum denn nicht? Wer will das denn nicht haben?«

»Die Herrschaft«, knurrte sie. »Besonders die Eleonore kann es nicht mehr vertragen.«

Burgl sah die alte Frau an und spürte ganz deutlich, dass sie viel mehr wusste, als sie zugeben wollte. Aber hatte sie denn ein Recht darauf, Geheimnisse zu erfahren? Sie war gekommen, um Geld zu verdienen, und sie hatte es wirklich gut getroffen. Sie war dem Himmel dankbar dafür und sagte sich immer wieder, dass diese Stelle viel besser war als ihre letzte, wo sie als Stubenmädchen gearbeitet hatte und viel herumgejagt worden war. Nein, da lieb ich mir diesen Hof, obschon, nun ja, wenn ich ehrlich sein soll, dann hab ich schon ein seltsames Gefühl, wenn ich die Weitgasserin seh. Aber sobald sie fort ist, dann ist alles wieder licht und hell, dachte sie.

Am späten Nachmittag saß sie mit der Liese in der geräumigen Küche und trank ihren Kaffee. Wo die Bäuerin war, wusste sie nicht und Liese sagte es auch nicht.

»Gibt es eigentlich keine Erben, Liese? So ein prachtvoller Hof! Haben die Weitgassers denn keine Kinder?«

Liese stellte mit einem Ruck die Tasse auf den Tisch. Auch sie hatte jetzt ein ganz abweisendes Gesicht.

»Nein«, sagte sie hart »Und das möcht’ ich dir auch gleich sagen, wenn man im Dorf tratscht, dann hör' nicht hin, sie sind Lästermäuler und neidisch.«

Burgl fühlte sich geohrfeigt und sagte hastig: »Nein, das werd' ich nicht zulassen, dass man über die Bauern spricht, aber bitte, ich hab doch nur fragen wollen, ich meine ...«, aber wieder war da eine gläserne Wand und sie sprach nicht weiter.

Wenig später schien Liese das Gespräch vergessen zu haben und redete Burgl zu, noch ein Stück Guglhupf zu essen.

Das junge Mädchen saß am Tisch, blickte auf die Berge und dachte, vielleicht sind sie deswegen so traurig, weil sie keine Erben haben. Ja, da wird man wohl so seltsam. Alles ist so gediegen und schön, und wenn man dann denkt, eines Tages kommen Fremde und übernehmen diesen Hof. Viktor hatte ihr gesagt, dass das Anwesen schon seit dreihundert Jahren im Besitz der Weitgassers war. Und jetzt sollte es das Ende sein? Auch fragte sich das junge Mädchen, warum machen sie dann noch weiter? Wenn doch alles umsonst ist? Warum verkaufen Sie es nicht einfach und leben von dem Geld?

Doch wenn man einem so alten Geschlecht angehört und mit der Scholle verwachsen ist, dann kann man wohl nicht anders. Sie sah auf das Dorf und verstand jetzt auch die Liese. Deswegen also war man nicht gut auf sie zu sprechen. Wahrscheinlich wartete man schon da unten, wann man diesen Hof kaufen konnte. Sie hatte Mitleid mit den Weitgassers.

»Das ist wirklich traurig, finde ich. Ein so großes Vermögen ohne Erben!«

»Ja, aber das ist auch ein Thema, das man am besten nicht anschneidet, Burgl.«

»Das verstehe ich vollkommen«, erwiderte sie warmherzig.

Sieben Romane: Heimatroman Extra Großband Juli 2021

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