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Burgl saß wieder mit der Bäuerin über einem Berg Flickwäsche. Nach langer Zeit des Schweigens hob Burgl den Kopf und sah die Bäuerin aufmerksam an.

»Nicht wahr, es ist Ihr Sohn, Frau Weitgasser?«

Eleonore starrte sie erschrocken an.

»Wen meinst du, Burgl, ich ...«

»Ich meine den jungen Mann hinter der verbotenen Tür«, sagte sie schlicht.

»Wie kommst du auf diese absurde Idee? Woher willst du das wissen?«

»Woher? Anfangs war ich mir nicht ganz sicher, aber später hat er sich dann verraten.«

»Später? Hast du ihn denn noch einmal gesehen? Hat er dich noch einmal erschreckt?«

»Nein, ich habe ihn besucht!«

Aus dem Gesicht der Frau wich alle Farbe. »Aber ich verbot es dir doch, Burgl!«

»Ja, ich weiß, weil Sie Angst hatten, ich würde vor Schreck umfallen. Das erste Mal ist es ja auch geschehen. Als ich es aber wusste, nicht mehr!«

Ihre Hände zitterten.

»Es ist Ihr Sohn, nicht wahr?«

Burgl bekam keine Antwort. Die Weitgasserin brachte einfach keinen Ton über die Lippen. Plötzlich stand sie auf und verließ wortlos den Raum.

Burgl verstand die Bäuerin. Es tat ihr leid, dass sie sie so unvorbereitet gefragt hatte.

Dann stand sie plötzlich wieder vor ihr.

»Burgl, warum glaubst du, dass es mein Sohn ist?«

»Ich habe es an seinen Augen bemerkt. Ich wollte niemals neugierig sein, bitte, das müssen Sie mir glauben. Aber ich war einmal in dem kleinen Zimmer am unteren Gang, weil die Tür offen stand und ich schaute nach, ob es richtig sauber war. Und da sah ich das Kinderbild. Es hatte eine große Ähnlichkeit mit dem Bild des jungen Mannes in der guten Stube. Es hatte zu viel Ähnlichkeit mit Ihnen. Es musste einfach Ihr Sohn sein. Ja, und gestern Nacht war ich mir dann völlig sicher. Als Ihr Sohn lachte, waren es diese Augen! Ich habe es ganz deutlich gesehen!«

Ruckartig beugte sich Eleonore vor und keuchte: »Er hat gelacht?«

»Ja, bestimmt. Er hat sehr hübsche Augen, aber das wissen Sie ja ganz genau.«

Die Bäuerin schlug die Hände vor das Gesicht. Sie verharrte lange Zeit so. Endlich sagte sie mit gebrochener Stimme: »Du willst nur gut sein, mir etwas Liebes sagen. Aber es stimmt nicht, dass mein Sohn gelacht hat. Ich habe ihn seit fünf Jahren nicht mehr lachen hören!«

Burgl war erschüttert. »Ich glaube es. Er hatte ja eigentlich auch nichts zu lachen. Aber ich sage die Wahrheit. Er kam gestern zu mir und dann haben wir zusammen gearbeitet. Als ich ihm sagte, ich würde sicher noch sehr lästig werden, weil ich nun wüsste, dass er so gut helfen kann, lachte er herzhaft auf.«

Tränen glitzerten in den Augen der Bäuerin. »Ich kann es immer noch nicht so recht glauben, Burgl. Es wäre zu schön, als dass es wahr sein könnte. Mein Sohn hat dich besucht, er hat gelacht, mein Gunulf?«

Burgl erzählte jetzt alles. Von ihrem ersten Besuch und seinem abweisenden Verhalten, von ihrer eigenen Empörung, von der langen Zeit, die verstrich, bis zu ihrer gestrigen Versöhnung.

»Warum bist du zu ihm gegangen, Burgl?«

»Ich wollte ihm sagen, dass es mir nichts ausmacht. Er sollte sich nicht vor mir verstecken, sondern mit uns zusammen leben.«

Die Weitgasserin schüttelte den Kopf. »Das wird er nie tun. Er hat sich dort oben vergraben und will niemanden sehen. Niemanden! Er will, dass wir ihn verleugnen. Niemand darf von ihm sprechen, er will einfach nicht mehr da sein!«

»Aber das ist ja schrecklich.«

Die Frau rang die Hände. »Glaub mir Burgl, was du mir da gerade erzählt hast, war Balsam für mein wundes Herz. Du weißt nicht, wie sehr ich unter dieser Situation leide und auch mein Mann. Er ist doch unser einziger Sohn. Er war so strahlend schön, so klug, so heiter. Und dann kam eines Tages dieses Unglück und beendete alles. Er vergräbt sich dort oben und lässt keinen an sich heran.«

»Aber werden denn nicht heute sehr gute plastische Operationen gemacht?«

»Doch, aber nicht immer mit Erfolg. Gunulf weiß das aus eigener Erfahrung. Er will nichts mehr davon wissen. Wir haben schon oft davon gesprochen.«

Burgl begriff nun die Gespräche, die die Weitgasserin damals mit ihr geführt hatte. Sie sagte, dass sich nicht jeder helfen lassen will. Nun kannte sie die ganze Lösung des Rätsels. Nun wusste sie also, wer sich nicht helfen lassen wollte.

»Ich hatte schon vor dir Mädchen im Haus, aber sie liefen immer schreiend davon. Darum erließ ich das Verbot, dass niemand das Zimmer betreten durfte. Viktor, Liese und Anna kennen Gunulf schon von Kindheit an. Sie lieben ihn genauso wie wir. Vroni und Peter wissen nichts von seiner Existenz. Es wäre alles nicht so schrecklich, wenn Gunulf sich dort oben nicht so verkriechen würde. Ich halte diesen Zustand einfach nicht mehr aus. Ich kann nicht mehr so leben, ich bin am Ende meiner Kraft, Burgl. Hilf mir, vielleicht erreichst du etwas. Ich flehe dich an, geh nicht fort von uns, wir brauchen dich.«

»Aber ich will ja gar nicht fort.«

»Verzeih mir, ich bin nervlich einfach am Ende. Ich habe nur eine große Bitte. Sei gut zu meinem Gunulf, er ist der einsamste Mensch auf dieser Welt«

»Ich verspreche es.«

Sieben Romane: Heimatroman Extra Großband Juli 2021

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