Читать книгу Sieben Romane: Heimatroman Extra Großband Juli 2021 - A. F. Morland - Страница 31

22

Оглавление

Es war Mai geworden und die Witterung für die Jahreszeit ungewöhnlich warm. Der Schnee lag nur noch auf den Häuptern der höchsten Berge.

Von einem Inspektionsgang mit Peter auf die Weitgasseralm war Viktor mit der Nachricht zurückgekommen, dass der Viehauftrieb nächste Woche erfolgen könne.

Anna war ganz aus dem Häuschen, denn der Aufenthalt im Tal dauerte ihr schon viel zu lange. Auch Peter freute sich auf den Almsommer. Ihm hatte es dort oben gut gefallen.

Burgl stand sinnend am weit geöffneten Fenster und schaute in die blühende Landschaft Nun wurde es bald ein Jahr, dass sie auf den Weitgasserhof gekommen war. Wie schnell doch die Zeit verging.

Damals war sie als schüchternes, abgehetztes Ding eingestanden, heute war sie ein glückliches, selbstbewusstes Mädchen. Oft konnte man sie jetzt bei der Arbeit singen hören und immer hatte sie fröhliche Augen.

Auch jetzt trällerte sie ein Lied, als sie die Betten bezog.

Eleonore Weitgasser lächelte, als sie Burgls Stimme hörte. Auch mit ihr war eine Veränderung vorgegangen. Die Augen hatten Glanz bekommen, die Haltung war aufrechter geworden. Und wenn sie ihren Sohn oder Burgl sah, überzog ein Lächeln ihr Gesicht, wie eben jetzt.

Die Bäuerin saß in einem Korbsessel im Garten, die Füße auf einem Hocker, mit einer leichten Wolldecke zugedeckt und strickte. Sie musste sich noch schonen. Es hatte damals Komplikationen gegeben, und sie hatte lange im Krankenhaus bleiben müssen.

Als Burgl mit den Betten fertig war, wollte sie Liese bei der Vorbereitung des Mittagessens helfen. Sie setzte sich zum Kartoffelschälen zur Weitgasserin in den Garten.

»Das ist recht Burgl, nutz' nur das schöne Wetter aus. Es tut mir leid, dass ich euch noch nicht helfen kann. Ich halte keine Arbeit lange durch. Wie lange wird es wohl noch dauern, bis ich wieder richtig auf dem Posten bin. Ich wollte doch so gern dieses Jahr mit zum Heuen gehen.«

»Bis dahin wird es schon viel besser sein, Bäuerin. Nur nichts übereilen. Wenn die Anna mit dem Vieh wieder oben ist, hat die Vroni nicht mehr so viel Arbeit im Stall, da kann sie mehr auf dem Feld mithelfen, zumal ja der Peter dann auch nicht da ist.«

»Ja, der Peter, der freut sich närrisch, dass er mit auf die Alm kann, und für uns ist es eine Beruhigung, dass die Anna nicht allein droben ist, in ihrem Alter kann schnell mal was passieren. Heuer möcht’ ich auch wieder einmal auf die Alm hinauf. Es ist Jahre her, dass ich das letzte Mal dort gewesen bin. Eigentlich hatte ich in den letzten Jahren für kaum etwas Interesse. Aber das ist gottlob vorbei, und dafür haben wir dir zu danken, Burgl.«

»Aber Bäuerin, das will ich nicht hören, schließlich hab’ ich einen Riesenvorteil davon. Ich bin glücklich geworden auf dem Weitgasserhof, und das ist mehr wert als alles andere.

Beide schwiegen wieder und hingen ihren Gedanken nach, die derselben Person galten.

Die Stille wurde durch Sascha unterbrochen, der in großen Sprüngen über den Hof kam, so dass die Hühnerschar laut gackernd auseinander flatterte. Er tat ihnen nichts, fand aber einen unbändigen Spaß daran, das Federvieh so zu erschrecken.

Sascha hatte das Mädchen im Haus gesucht, nicht gefunden und kam jetzt draußen nachschauen. Er lief zur Weitgasserin, die ihm liebkosend über den Kopf fuhr, dann holte er sich bei Burgl einen liebevollen Klaps aufs Hinterteil.

»Du sollst nicht immer die Hühner so erschrecken, Sascha, die werden noch neurotisch«, tadelte Burgl kopfschüttelnd.

Sascha wusste, dass es nicht ernstgemeint war und ließ sich laut gähnend ins Gras sinken. Nach einer Weile hob er lauschend den Kopf. Er setzte sich auf, witterte kurz und fegte dann um die Hausecke davon.

»Scheinbar kommt jemand«, meinte die Bäuerin. »Hoffentlich ist es nicht der Postbote, den kann er absolut nicht ausstehen.«

Burgl bestätigte das lachend. »Letzte Woche hat er sich aufgeführt, als wolle er ihn fressen. Getan hat er ihm ja nichts, aber der Sepp hat sich halt schrecklich gefürchtet. Wütend hat er gesagt, wir könnten uns unsere Post demnächst selbst auf dem Amt holen, wenn wir das ,Hundsviech' nicht anbinden, wenn er kommt Er hat tatsächlich Hundsviech zu unserem lieben Sascha gesagt!«

»Na, hoffentlich hat der das nicht gehört, sonst beißt er ihn das nächste mal wirklich. Warum Hunde die Postboten nicht leiden können? Der arme Sepp, rundum auf den Bauernhöfen gibt es Hunde, aber die sind fast alle angekettet. Geh, Burgl, sei so gut und schau mal nach, wer kommt. Wenn es ein Fremder ist, sollte der Hund sich zivilisiert benehmen. Ich glaube nicht, dass es der Sepp ist, der müsste schon durch sein.«

Burgl stand auf und wischte sich die Hände an der Arbeitsschürze ab. Sie war noch nicht weit gekommen, da hörte sie Sascha freudig winseln und eine Stimme sprach beruhigend auf ihn ein.

Schritte erklangen auf dem Kiesweg.

Sascha kam angetanzt, wirbelte wieder zurück, und dann sahen sie auch, weshalb er nahezu aus dem Häuschen geraten war.

»Ernst«, rief die Bäuerin.

»O Ernst, bist du wieder zurück? Warum hast denn nicht angerufen, du meine Güte, ich bin ganz durcheinander.«

Braungebrannt und voll guter Laune stand er vor ihnen. Seine Augen strahlten und er lachte über das ganze Gesicht.

Er küsste die Frau und gab dann auch Burgl die Hand.

Sie nahm die Schüssel mit den Kartoffeln und wollte gehen, denn sie dachte sich: Die zwei haben jetzt eine ganze Menge zu bereden, aber da wurde sie vom Bauern zurückgehalten.

»Bleib da, Burgl, ich hab so viel zu berichten, da müsst ich es sonst alles doppelt erzählen.«

Viktor und auch Liese kamen aus dem Haus gelaufen. Auch die wurden jetzt herzlich begrüßt.

Der Bauer reckte sich, strahlte und meinte lachend: »Es ist doch schön, wieder daheim zu sein. Wenn man erst mal fort in der Fremde ist, dann fühlt man erst, wie wertvoll die Heimat ist. Sogar die Berge kommen mir viel schöner vor, als ich sie in Erinnerung hatte.«

»In einer halben Stunde ist das Essen fertig«, verkündete Liese.

»Fein, da warte ich mit dem Erzählen, bis alles bei Tisch sitzt. Ich denke, es wird jeden interessieren, was ich erlebt habe.«

Burgl und Liese verschwanden schleunigst in der Küche, während sich der Weitgasser frisch machte und umzog. Die Bäuerin packte ihr Strickzeug zusammen und ging ins Haus.

Punkt ein Uhr ertönte die Mittagsglocke, und als alle bei Tisch saßen, musste Ernst Weitgasser erzählen.

»Wie hast du ihn verlassen, Ernst?«

Natürlich war das die wichtigste Frage, die die Bäuerin beantwortet haben wollte.

»Gunulf geht es gut. Zuerst glaubte ich, es würd' Schwierigkeiten geben, weißt ja wie unser Bub ist, nun, er hatte sich dazu entschlossen, das stimmte, aber als es dann soweit war und ich mit ihm fortfuhr, da hatte ich doch anfangs Angst, er könnte plötzlich nicht mehr wollen. Solange er im Wagen war, konnte er sich ja noch verstecken, aber dann im Flugzeug war es wirklich nicht einfach für den armen Buben. Sakra, die Leute waren wirklich scheußlich. Doch der Steward hatte Verständnis für die Not meines Sohnes und gab uns zwei Plätze ganz vorn hinter der Bordküchenwand, da konnte ihm keiner ins Gesicht sehen, und Gunulf wurde etwas ruhiger. Der Flug war gut, und wir genossen die Reise sehr.«

Der Weitgasser machte eine kleine Pause, um sich dem Essen zu widmen, doch dann erzählte er weiter.

»Richmond erreichten wir spät abends, so dass es schon dunkel war. Der Professor hatte einen Wagen geschickt, und so konnten wir gleich zur Klinik fahren. Sie liegt außerhalb der Stadt auf einem kleinen Hügel. Es ist dort sehr schön. Besonders für die Patienten ist das wichtig. Manche sind nämlich schon sehr lange dort. Ich habe Fälle gesehen ...« Er schüttelte den Kopf. »Aber sie ist so abgeschirmt, dass jeder Patient sich ungezwungen und frei bewegen kann, ohne fürchten zu müssen, Fremden über den Weg zu laufen. Einige haben sehr lange in Einsamkeit verbracht, so wie unser Bub. Die müssen sich erst wieder daran gewöhnen unter fremden Leuten zu sein.

Am nächsten Tag dann wurden wir dem berühmten Professor vorgestellt. Gunulf hielt sich gut. Seine Scheu war wie verflogen. Er lächelte sogar sehr oft, obwohl die Voruntersuchungen nicht schmerzlos verliefen. Aber der Professor gab ihm viel Hoffnung, und ich habe ihn in großer Zuversicht verlassen. Ja, er hat mir sogar gesagt: ,Fahr nur wieder heim, Vater, sie brauchen dich daheim. Ich komm jetzt schon allein zurecht. Geh nur'.

Aber so einfach wollte ich mich nicht abschieben lassen. Da ich schon die weite Reise gemacht hatte, wollte ich mich auch etwas umsehen. Ich musste das nur unserem Sohn verständlich machen, dass ich nicht wegen ihm länger dablieb, sondern allein deswegen, weil ich mir Land und Leute noch etwas ansehen wollte. Das sah er auch ein und meinte nur, dass ich euch daheim nicht allzu lange im Ungewissen lassen sollte.«

Bei diesen Worten sah der Weitgasser ganz besonders die Burgl an, die errötete dann auch prompt.

»Ich hab’ mir sogar einen Wagen gemietet, da könnt ich Gunulf mitnehmen und herumführen. In einem Auto ist man halt versteckt. Doch aussteigen wollte er nur, wenn niemand in der Nähe war.

Als ich mich dann endlich von ihm trennte, war er so voller Zuversicht, ich kann euch das gar nicht beschreiben. Er war wie ausgewechselt.«

»Wie lange wird er bleiben müssen, Ernst, habt ihr auch davon gesprochen?«

»Natürlich hatte ich mit dem Professor eine lange Unterredung. Er hat mir gesagt, er muss sich mehreren Operationen unterziehen. Es geht nicht so schnell. Sieben bis acht Monate muss er schon bleiben. Sie können erst wieder operieren, wenn die Narben der vorangegangenen Operation total verheilt sind und man sehen kann, ob sie von Erfolg war oder nicht!«

Burgl atmete ganz flach. Sie stellte sich Gunulf in dieser fremden Klinik vor. Sie hatte nicht mehr viel Worte gebraucht, um ihn endlich dazu zu bewegen, es doch wenigstens noch einmal zu versuchen.

Für die Mutter war es das schönste Geschenk, als sie hörte, dass ihr Bub endlich bereit war, sich noch einmal einer Behandlung zu unterziehen.

Natürlich wussten die Eltern ganz genau, wem sie das alles zu verdanken hatten.

Doch eines wussten sie immer noch nicht. Von ihrer Liebe zu Gunulf. Sie hatte ihn darum gebeten, es nicht zu sagen. Zuerst sollte er nach Amerika gehen, später würde man dann darüber reden.

Dann hörte sie auch schon den Bauern sagen: »Ich soll dich recht herzlich grüßen, Burgl. Gunulf hat mir aufgetragen, ich soll dir sagen, dass du dich mit deinen Problemen, die die Schule betreffen, auch brieflich an ihn wenden kannst. Er möchte dir auch aus der Ferne helfen.«

Diese Ausrede hatten sie vereinbart, damit die Eltern sich nicht wundern sollten, wenn sie so viel Post von ihm bekam.

Und so kam es denn, dass sie schon eine Woche später nachdem der Bauer wieder daheim war, den ersten Brief von ihm erhielt.

Er hatte eine klare, schöne Schrift. Sie sah ihn gleich vor sich, denn er war ein guter Briefschreiber.

»Es ist hier alles so verwirrend für mich. Ich lerne viele Menschen kennen, die oft noch viel schlimmer daran sind als ich. Ich muss sagen, dass man selbst in meinem Zustand noch froh sein sollte. Ich bin voller Zuversicht, Burgl, denn Deine Liebe zu mir, die Du ungeachtet meiner Verletzungen aufbringst, steht wie ein klarer Stern vor mir. Sie soll mich begleiten und mich stärken. Ich will gern alles tun, was man von mir verlangt. Ich bin bereit, alles zu ertragen; denn ich habe durch Dich gelernt, dass man nicht einfach aufgeben darf, sondern kämpfen muss! Sich einfach fallenlassen ist Feigheit. Und ich will in Deinen Augen nicht so dastehen. Deine Worte, die besagten, dass Du zu mir stehst, falls es nicht klappen sollte, geben mir Sicherheit! Aber ich wünschte so sehr um Deinetwillen ...«

Im Dorf hatte man natürlich erfahren, dass der Sohn nach Amerika gebracht worden war. Jetzt standen die Klatschmäuler wieder nicht still. Niemand wusste etwas Genaues, und sie brannten doch vor Neugierde. Aber Burgl war jetzt auch stolz geworden. Wenn sie ins Dorf kam, dann trug sie den Kopf recht hoch. Einmal hörte sie ein junges Mädchen verächtlich sagen: »Sie tut schon so, als gehöre sie zur Familie, dabei ist sie nichts weiter als eine dumme Magd.«

Natürlich hatte man es so laut gesagt, damit sie es auch verstand. Aber man konnte sie nicht treffen. Unbeirrt ging sie ihren Weg zur Schule und schaffte daheim. Wenn sie frei hatte, dann setzte sie sich hin und schrieb gleich mehrere Bogen voll. Sie versuchte Gunulf zu sagen, dass er das alles nicht für sie tun sollte, sondern in erster Linie an sich denken musste.

»Denn was ist ein Menschenleben! Es geht so rasch vorüber und steckt voller Geheimnisse. Vielleicht liebst Du mich auch gar nicht richtig, sondern nur, weil Du keine andere Frau mehr gesehen hast. Wenn Du erst wieder gesund bist und Dir die Welt wieder offensteht, trete ich gern zurück. Ich habe mich ungefragt in Dein Leben gedrängt und bin nicht böse, wenn Du es anders als bisher gestalten möchtest. Ich werde meinem Beruf nachgehen, sogar mit Freude im Herzen, wenn ich weiß, dass Du wieder glücklich leben kannst, selbst ohne mich, ich war nur der Anstoß, mehr nicht. Vergiss das nicht. Du siehst mich in einem ganz falschen Licht, denn was ich getan habe, hätte doch jeder an meiner Stelle getan ...«

Burgl überlas alles und dachte dann, wenn er wirklich gesund wird, dann ist er wieder der Hoferbe, ich kenne das Leben hier zu gut. Nein, ich möchte mich wirklich nicht aufdrängen. Wenn es mir auch schwerfallen wird, denn ich liebe ihn wirklich, aber ich habe ihm schon soviel Leid gebracht. Für mich wird es der schönste Lohn meiner Liebe sein, wenn er gesund wird.

Gunulf erhielt diesen Brief, als er gerade die erste Operation überwunden hatte. Zorn stieg in ihm hoch, da sie so demütig war. Nie und nimmer würde er sie mehr aufgeben.

War es denn nicht ein Fingerzeig Gottes! Sie lernte den Beruf einer Bäuerin und kam nicht mal vom Lande. Welches Mädchen tat das denn schon? Die Eltern würden begeistert sein, wenn sie

erst einmal hörten, dass er sie zur Frau nehmen wollte.

Die ersten beiden Operationen wurden ein Misserfolg. Der Versuch, ihm eine neue Nase zu geben, scheiterte zweimal. Burgl fühlte, wie ihr Herz zu einem Eisklumpen erstarrte. Sie wusste nicht, ob Gunulf auch seinen Eltern so offen schrieb. Sie versuchte es zu ergründen, aber sie zeigten keine Angst, sondern waren immer voller Zuversicht und glaubten an eine glückliche Zukunft ihres Buben.

Manchmal war sie einfach nicht mehr fähig, mit ihrem Wissen unter ihnen zu leben. Was würde sein, wenn alle Schmerzen vergebens ausgestanden wurden? Und dann das viele, viele Geld! Denn nur wer reich war, konnte sich diese Klinik leisten.

Was würde sein, wenn er so zurückkehrte, wie er das Haus verlassen hatte?

Er war vertrauensvoll wie ein Kind. Er schrieb über all seine Nöte und Probleme und suchte Trost bei ihr. Er schämte sich seiner Gefühle, und entschuldigte sich immer gleich, aber sie konnte ihm alles so gut nachfühlen. Wie musste er in der Ferne leiden! Und sie konnte ihn nicht einmal besuchen.

Der Sommer brach an, Gunulf war noch immer in Amerika. Auf dem Hof war man mitten in der Heuernte.

»Manchmal bin ich sehr verzweifelt. Es ist niederschmetternd, wenn die Verbände abgenommen werden und ich in den Augen des Professors lesen kann, dass es wieder nichts genützt hat! Dabei hat er sich sicher Mühe mit mir gegeben. Ach, mein Lieb, ich glaube, wir haben die Welt in zu rosigen Farben gesehen. Es gibt heutzutage keine Wunder mehr! Ich habe aufgehört, daran zu glauben und damit zu rechnen. Ich kann es einfach nicht mehr.

Es ist nicht das Mitleid, das man vielleicht mit mir fühlt, was mich so niederdrückt, sondern eher das Gefühl, versagt zu haben. Ich kann es nicht mehr aushalten, immer wieder all die Hoffnungen zu zerstören, obwohl ich gar nichts dafür kann! Für den Professor sind wir alle Kinder. Er liebt uns und will uns helfen. Ich habe jetzt verstanden, was Du mir immer sagen wolltest. Mit dem Helfen und so, ich liebe diesen alten Mann wie meinen Vater, und darum schmerzt es mich so, wenn ich ihn immer wieder enttäusche. Ich habe ihm gesagt, er solle mich ziehen lassen, aber da wurde er sehr böse ...«

Burgl war jetzt in der letzten Klasse der Landwirtschaftsschule angelangt.

Manchmal traf sie sich mit Jürgen und natürlich wollten er und sein Onkel wissen, was Gunulf machte.

Sie konnte nur immer wieder das sagen, was er ihr schrieb. Jürgen nickte und sah zu Boden.

»Man darf nur die Hoffnung nicht aufgeben. Es ist nicht einfach, sagt mein Onkel, aber wie man von diesem Professor hört, wird er nichts unversucht lassen. Bis jetzt hat man nur Gutes von ihm gehört. Sonst würden doch nicht die Patienten so lange auf einen Platz in seiner Klinik warten müssen.«

»Aber er wurde jetzt schon fünfmal operiert, und immer noch ohne Erfolg!«

»Das kann man nicht so sehen, es sind ja viele Operationen nötig, um den Untergrund eines neuen Gesichts zu schaffen. Wie hält sich denn der junge Mann? Ist er mutlos? Schade, dass man ihn nicht besuchen kann, das würde ihm ganz bestimmt helfen.«

»Ich glaube, er hat es aufgegeben, an eine Heilung zu denken. Er bleibt nur noch, um den Professor nicht zu enttäuschen. Er ist so ganz anders geworden!«

Nächtelang saß sie wieder vor ihren Büchern; denn sie wollte ja schnell fertig werden. Hin und wieder ging sie in sein Zimmer hinüber. Sie saß eine Weile still da und hatte das Gefühl, ihm besonders nahe zu sein. Sie liebte ihn so sehr, dass sie unter dieser Trennung unsagbar litt. Sie konnte nur noch an ihn denken. Er begleitete sie überall hin und war aus ihrem Leben nicht mehr zu löschen. Das Bild im Wohnzimmer begann sie zu hassen. Es wirkte wie eine Herausforderung. Dabei war es ihr mittlerweile gleich, wie er heimkehrte. Die Hauptsache war, dass er überhaupt kam.

Sieben Romane: Heimatroman Extra Großband Juli 2021

Подняться наверх