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Burgl Sallegg wünschte sich, nie hierhergekommen zu sein. Das Schuldgefühl belastete sie unerträglich. Sie, ausgerechnet sie selbst, war schuld an dieser Tragödie. Wenn das die Weitgassers wüssten! Sie hatten sie so freundlich bei sich aufgenommen, sie waren so nett zu ihr, sie durfte sich beinahe wie eine Tochter in ihrem Haus fühlen. Und nun musste sie erfahren, dass sie die Ursache ihres Leides war.

Schluchzend barg sie ihren Kopf in den Arm und weinte bitterlich. Sie konnte sich gar nicht wieder fassen. Es war zu ungerecht, zu grausam! Nein, nein, sie biss sich die Lippen blutig und starrte mit blinden Augen in den Garten. Durch meine Schuld, durch meine Schuld! Und er hatte soviel Vertrauen zu ihr!

Ihr Wesen veränderte sich schlagartig. Keiner war mehr verwundert darüber als die Bäuerin. Auch ihr Mann bemerkte es sehr bald. Sie war plötzlich scheu und mochte keinem mehr so recht in die Augen sehen. Sie blieb an den Abenden nicht mehr in der Stube bei den anderen, war wortkarg und ging allen aus dem Weg.

Eleonore fragte sie: »Burgl, hast du Kummer? Was ist denn mit dir? Du hast dich plötzlich so verändert. Bitte, hab doch Vertrauen zu mir! Du hast uns doch schon soviel geholfen!«

Aber das Mädchen rang nur die Hände, und stammelte: »Bitte, Bäuerin, fragen Sie mich nicht, ich kann es nicht sagen. Ich kann es doch nicht!«

Betroffen wandte sich die Weitgasserin ab. Sie hatte es doch so gut gemeint!

Einige Tage später traf sie Jürgen in der Schule wieder.

»Waren Sie krank? Ich habe gar nichts mehr von Ihnen gesehen. Was ist denn los?«

Sie sah durch ihn durch, als wäre er aus Glas.

»Burgl, was ist denn, ich bin es doch. Jürgen! Wachen Sie doch mal auf!»

»Ja«, sagte sie leise.

»Haben Sie mit dem jungen Mann gesprochen?«

Sofort nach seiner Frage flossen die Tränen wieder.

»Vielleicht später, Jürgen, nicht jetzt«, schluchzte sie und ließ den ratlos dreinschauenden Jürgen stehen.

Aber am meisten litt Gunulf unter ihrem veränderten Wesen. Zuerst glaubte er, das Mädchen verletzt zu haben, konnte sich aber nicht darauf besinnen, wodurch, oder wann das gewesen sein könnte. Aber seit über einer Woche wich sie ihm aus. Wenn er kam, blickte sie zur Seite oder huschte bei nächster Gelegenheit davon. Sie sprach ihn nicht mehr an und kam auch nicht mehr in sein Zimmer. Abermals tief verwundet, zog er sich in sein Reich zurück. Sie konnte also seinen Anblick nicht mehr ertragen. So vermied er es wieder, unter die Hausleute zu gehen. Dabei hatte Peter die erste Begegnung mit dem Hofsohn gelassen hingenommen.

Burgl wurde von ihrem Schuldgefühl fast erdrückt. Sie glaubte daran zu ersticken. Sie wünschte sich weit fort, auf einmal hatte das Leben keinen Sinn mehr für sie. Sie stellte sich ständig vor, wie entsetzt alle reagieren würden, wenn sie erfuhren, dass Gunulf durch ihre Schuld so geworden war.

War es nicht Ironie des Schicksals? Er hätte sie lieber sterben lassen sollen. Ein schneller Tod war nicht so grausam wie das Schicksal, das er seit dieser Zeit zu ertragen hatte. Darum hatte er sich nie mehr gemeldet, darum also konnten die Zeitungen nie seinen Namen in Erfahrung bringen!

Zwei Wochen lang quälte sich Gunulf in der Einsamkeit, dann hielt er es nicht mehr aus. Er war zu dem Schluss gekommen, dass es etwas anderes sein musste, das Burgl von ihm fernhielt. Ihre Veränderung begann, als er seine Geschichte erzählt hatte. Und seit er wusste, dass er sie liebte, war alles noch viel, viel schlimmer geworden. Darum musste er auch den Grund wissen, und wenn er darüber zerbrechen würde.

So suchte er sie entschlossen auf.

»Wenn Sie schon nicht mehr zu mir kommen, so muss ich dann wohl kommen. Burgl, was habe ich getan, dass Sie mich derartig mit Missachtung strafen? Bitte verzeihen Sie mir, falls ich Sie verletzt habe.«

»Bitte, fragen Sie mich nicht!«, sagte sie gequält.

Mit ein paar Schritten war er bei dem Mädchen, griff nach dessen Händen und hielt sie fest.

»Burgl, gib eine Antwort, ich flehe dich an!«

Seine Hände hielten die ihren umklammert. Mit einem hilflosen Lächeln sah sie darauf nieder. Er ließ sie aber trotzdem nicht los. So nahe war er ihr noch selten gewesen. Er spürte ihren Atem. Was wäre, wenn er sich vorbeugen würde, um sie zu küssen!

Sie schluckte und schluchzte doch auf. Langsam lösten sich ihre Hände. Sie ging zum Fenster, blieb einen Augenblick stehen und drehte sich dann um. Quer durch das Zimmer trafen sich ihre Blicke. Sie wich ihm nicht mehr aus.

»Ja, es gibt da etwas. Sie haben recht, aber es ist ganz anders, als Sie vermuten. Ich muss ständig an Ihre Erzählung denken!«

»Warum?«

»Gunulf. ich frage mich die ganze Zeit, ob Sie dieses Mädchen, das Sie gerettet haben, welches also verschuldet hat, dass Sie jetzt mit ihren Verletzungen herumlaufen, ob Sie dieses Mädchen eigentlich hassen?«

»Sie meinen, die Kleine, wegen der ich ins Haus lief?«

Sie nickte.

»Seltsam, jetzt, da Sie mich danach fragen, ja wirklich, seltsam, da fällt mir auf, dass ich nie mehr an sie gedacht habe. Ich war zu sehr in meinem eigenen Kummer vergraben und haderte mit dem Schicksal. Ich hasste alle Gesunden, verfluchte sie und mich, aber an das Kind dachte ich nie. Nun fragen Sie, ob ich es hasse! Möglich. Wahrscheinlich wird es wohl so sein. Aber warten Sie mal, nein, das ist auch nicht richtig. Das Kind hat mich ja nicht gebeten, es zu retten. Ich ging aus freiem Willen. Nein, warum sollte ich dem Kind die Schuld geben? Warum, Burgl?«

»Aber wenn es nicht geschrien hätte, wären Sie nicht in das Haus gerannt, sondern fortgefahren. Sie wäre jetzt noch so gesund wie früher.«

»Ich weiß nicht, was Sie damit sagen wollen, Burgl. Mein Schicksal ist besiegelt; denn das Kind hat geschrien.«

»Würden Sie es jetzt noch einmal tun?«

Der junge Mann sah sie mit merkwürdigem Blick an. Langsam ließ er sich auf einen Stuhl nieder.

»Man handelt spontan, wissen Sie, deshalb kann ich diese Frage nicht beantworten. Wie oft haben meine Eltern gefragt, warum ich es getan habe. Ich weiß nur, dass ich es tun musste.«

»Ein Menschenleben zu retten und dafür noch gestraft zu werden ist ziemlich ungerecht, nicht wahr?« Langsam stand er auf. Er ging zu ihr hinüber und nahm abermals ihre Hände. Sie waren eiskalt, so dass er sie ganz behutsam streichelte.

»Wenn, wenn Sie jetzt das Mädchen sehen könnten! Wenn Sie sehen würden, dass es gesund ist, nichts abbekommen hat, von Ihrem grausamen Schicksalsschlag nichts weiß und unbekümmert dahinlebt, Gunulf!«

»Ich würde mit Gott hadern, weil er es zulässt, dass derartige Ungerechtigkeiten geschehen. Ich habe mich schon oft gefragt, warum meine Tat so vergolten wurde. Aber Schluss jetzt, Burgl, ersparen Sie mir den Anblick Ihrer traurigen Augen. Ich kenne das Mädchen nicht und werde es auch wohl nie kennenlernen. Warum soll ich mir Gedanken darüber machen und es verwünschen?«

Zu seinem größten Erstaunen sah er plötzlich, wie sie in Tränen ausbrach. Glitzernd rollten sie über ihr Gesicht. Unaufhaltsam, immer mehr.

»Burgl«, stammelte er verwirrt. »Burgl!«

»Gunulf, ich bin das Mädchen, das Sie gerettet haben!«

Mechanisch wischte sie den Staub von den Regalen, schob die Bücher zurecht, ließ die Arme plötzlich kraftlos sinken. Sie konnte nicht mehr.

Schon lange waren Gunulfs Schritte verhallt, die Tür geschlossen. Fluchtartig hatte er das Zimmer verlassen, und hinter ihm breitete sich nur noch Stille, grausame Stille aus. Den Ausdruck seiner Augen würde sie wohl nie mehr vergessen.

Schließlich schaffte sie es doch, die Zeit zu überstehen. Aber sie lebte wie in einer anderen Welt. Manchmal fragte sie sich bitter, ob sie eigentlich recht gehandelt hatte. Sie hätte es doch auch verschweigen können. Niemand hätte je die Wahrheit erfahren.

Seine Tür blieb verschlossen, schon seit Tagen. Eleonore ging wieder mit trüben Augen durch die Welt. So konnte es nicht mehr weitergehen.

Die von ihm erneut gewählte Einsamkeit verriet, wie schrecklich er litt. Er ließ niemanden eintreten und nahm alle Mahlzeiten gleich an der Tür entgegen. Nicht einmal Sascha wollte er sehen.

Burgl wünschte sich weit fort, sie hielt diesen Zustand nicht mehr aus. Ein dunkler Schatten hatte sich wieder über das Haus gelegt, man hatte das Gefühl zu ersticken.

Der Frühling war gekommen und hatte den Schnee fortgetrieben. Jetzt war es einfach zauberhaft in den Bergen. Aber sie hatte keinen Blick dafür.

Zehn Tage später traf sie mit Jürgen zusammen.

»Sie sollten doch nur herausbekommen, woher er die Verletzung hat, Burgl!«

Das Mädchen hob den Kopf, es musste die Gedanken erst wieder sammeln.

»Konnte ich es denn wissen?«

»Nein, das konnten Sie natürlich nicht. Aber Sie handelten danach verrückt, total verrückt. Wollten Sie damit absichtlich alles zerstören, was so behutsam begann? Sie haben ihn um Jahre zurückgeworfen! Wie wollen Sie ihn jetzt dazu bewegen, sich operieren zu lassen? Haben Sie das auch bedacht?«

Sie hielt die Augen geschlossen und fühlte ihr klopfendes Herz. Die Sonne lag auf ihrem Gesicht, und der junge Mann betrachtete sie aufmerksam.

»Ich musste es ihm sagen. Mir blieb keine andere Wahl! Sie verstehen das nicht, Jürgen. Er hatte ein Recht, es zu wissen. Ich hatte gehofft, dass er anders reagieren würde. Aber es wäre wohl zu viel verlangt, wenn er sich über mein gewonnenes Leben auch noch freuen sollte. Ach Jürgen, Sie glauben gar nicht, wie grausam das ist. Er will niemanden mehr sehen, mit keinem sprechen. Alle geben mir die Schuld, obwohl keiner weiß, was vorgefallen ist!«

»Und haben Sie denn nicht auch Schuld?«, fragte er hart. »Er begann Sie zu lieben ...«

Sie schnellte herum und starrte ihn an. »Jürgen, Sie sind verrückt. Verzeihen Sie, aber es ist wirklich so. Total verrückt sind Sie. Wie kommen Sie denn darauf?«

»Er tat das doch alles Ihretwegen, Burgl!«

Sie starrte ihn an. »Ich weiß nicht, wie Sie zu dieser Annahme kommen. Ich kann nur immer wieder betonen, dass ich es ihm sagen musste, wenn ich nicht daran ersticken wollte. All die Freundlichkeiten mit meinem Wissen entgegenzunehmen, wäre mehr als schäbig. Sie glauben gar nicht, wie sehr ich leide, seitdem ich weiß, dass es meine Schuld ist, meine Schuld!«

»So kommen wir nicht weiter, aber es ist ja auch nicht meine Angelegenheit. Sie müssen selbst wissen, was Sie tun.

Wenn Sie glauben, meine Hilfe in Anspruch nehmen zu wollen, können Sie jederzeit kommen. Jetzt muss ich aber gehen, Kopf hoch, Burgl!«

Als sie nach zwei Stunden den Hof erreicht hatte, sah sie zu ihrer Bestürzung einen Krankenwagen vor dem Hof stehen. Ihre Knie wurden weich. Mit fliegenden Haaren lief sie näher, atemlos und voller Sorge. Was war geschehen? O mein Gott, das hatte sie doch nicht gewollt.

Eine Trage wurde aus dem Haus gebracht. Ernst Weitgassers Gesicht war weiß. Er hob den Kopf und sah Burgl kommen.

Gleichzeitig entdeckte sie die Bäuerin auf der Trage. Sie schluckte heftig, um den dicken Kloß zu lösen, der ihr im Hals steckte.

Ich muss ins Krankenhaus, Burgl, der Blinddarm ...« Sie krümmte sich vor Schmerzen. »Achte auf alles, besonders aber auf meinen Sohn, ich bitte dich, Burgl.«

»Ja, natürlich, Sie können ganz beruhigt sein.«

»Mache kein so entsetztes Gesicht, Burgl, es wird schon werden«, sagte der Bauer beruhigend. »Ich komme gleich zurück und gebe Bescheid.«

Er hielt die Hand seiner Frau und lächelte. Dann war der Wagen fort. Sie drehte sich um und ging mit schleppenden Schritten ins Haus. Wie war sie doch erschrocken gewesen.

Als sie in die Bauernstube trat, sah sie Gunulf am Tisch stehen.

»Gunulf«, schrie sie auf.

Er schaute sie an, seine Augen suchten die ihren. Sie lächelte hilflos.

»Ihre Mutter ist fort, aber beunruhigen Sie sich nicht!«

»Ich weiß, Burgl, ich weiß alles.«

Sie kam langsam näher. Er wirkte ganz ruhig und sicher. Was war in all der Zeit in ihm vorgegangen?

»Ich, ich wollte so oft zu Ihnen kommen, aber ...« Sie schluckte und schwieg.

Er trat auf sie zu und zog sie an den Schultern zu sich heran. Nun waren sie sich ganz nah. Sie starrte in das Gesicht über sich.

»Burgl«, fragte er, »warum haben Sie mir damals diese Eröffnung gemacht?«

»Musste ich es denn nicht sagen? Sie hatten doch ein Recht darauf. Nicht wahr, Sie hassen mich jetzt, aber das kann ich verstehen«, sagte sie traurig. »Wenn Sie wollen, verlasse ich dieses Haus.«

»Burgl, reden Sie doch keinen Unsinn. Haben Sie es wirklich nicht gesagt, um mich zu quälen?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Gunulf, wie konnten Sie nur so von mir denken!« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Es ist entsetzlich für mich, dass gerade ich an dem Unglück schuld bin. Ich glaubte unehrlich zu handeln, wenn ich es verschwieg. Sie waren immer so nett zu mir, ich empfand es wie eine Strafe, belohnt zu werden für all das, was ich verschuldet hab. Ach Gunulf, Sie hätten mich in dem brennenden Haus lassen sollen!«

Gunulf zog Burgl ganz langsam an sich. Sie ließ es geschehen, er spürte keinen Widerstand. Ganz still stand er da, traurig blickten ihre Augen zu ihm auf.

»Heute bin ich zum ersten Mal froh darüber, dass ich es getan habe! Es tut mir leid, dass ich mich so dumm benommen hab’, aber im ersten Augenblick war es einfach zu viel für mich. Warum haben Sie mich damals überhaupt nach dieser Geschichte gefragt, Burgl? Sie sagten, Sie hätten Ihre Gründe. Ich weiß bis heut nicht, was es ist. Darf ich es jetzt erfahren?«

»Gunulf, ich hab mit einem Freund über Sie gesprochen, bitte ärgern Sie sich nicht. Der Onkel dieses Freundes ist Chirurg. Er hat mich gefragt, warum Sie sich nicht operieren ließen. Vielleicht kann man Ihnen helfen, damit Sie wieder ein normales Leben führen können. Bitte, Gunulf, denken Sie auch mal an Ihre Eltern.«

»Niemand kann mir helfen«, sagte er hart. »Ich weiß es aus Erfahrung und habe mich damit abgefunden. Ein neues Gesicht zu schaffen, ist nicht so einfach, mein Kind.«

»Aber Jürgen hat mir gesagt, die Medizin macht täglich Fortschritte, sein Onkel ist voller Zuversicht, darum wollte ich auch die näheren Umstände wissen. Gunulf, da soll es in Amerika Ärzte geben, die haben sich auf plastische Chirurgie spezialisiert. Dort hat man schon viele Erfolge verzeichnen können. Gunulf, warum versuchen Sie es nicht wenigstens? Bitte, es wäre so schön!«

»Weil Sie sich dann keine Vorwürfe mehr zu machen brauchen?«, fragte er zynisch. »Ich bin kein Versuchskarnickel, meine Liebe, ich kann es nicht. Ich habe mich mit meinem Los abgefunden. Ich will nicht!«

Ihre Augen waren riesengroß vor Enttäuschung. Sie löste sich langsam von ihm und ging rückwärts.

»Sie hassen mich doch, ich wusste es ja.«

Diese schmerzliche Stimme traf sein Herz und wühlte es auf.

»Nein«, rief er qualvoll, »nein, ich tue es nicht. Aber warum interessierst du dich so sehr für mich? Warum? Ich kann es nicht begreifen; denn ich bin der hässlichste Mensch der Welt. Alle gehen mir aus dem Weg, warum nicht du auch? Warum bemühst du dich so um mich? Ich versteh’ das nicht, ich müsst dich doch abstoßen. Warum kümmerst du dich so um mein Schicksal?«

Sie kehrte ihm den Rücken zu, er sollte jetzt ihr Gesicht nicht sehen. Mit zwei Schritten war er bei ihr, zwang sie, ihn anzusehen.

»Warum, Burgl?«

»Das kann ich nicht sagen!«

Staunen lag in seinen Augen, unverwandt sah er das Mädchen an. Er hatte um sich herum alles vergessen. Er sah nur eines, das, was die Augen des Mädchens verrieten.

»Burgl!«, rief er, plötzlich seltsam scheu geworden. »Burgl!«

Das Mädchen schlug die Augen nieder, das Herz klopfte bis zum Halse.

»Burgl, du willst doch nicht sagen, dass du mich liebst?

Es brach aus ihr heraus, sie konnte nicht mehr. Seine Nähe verwirrte sie. Sie wusste, es war unfassbar, aber doch die Wahrheit. Sie hatte sich dagegen gewehrt, aber das Schicksal ging nun mal seltsame Wege. Er musste sein Gesicht verlieren, indem er sie rettete. Erst dann fanden sie zusammen. Sie weinte lautlos vor sich hin.

»Es tut mir leid, dass du es gemerkt hast. Ich wollte es dir nicht zeigen!«

»Aber Burgl, warum denn nicht?«

Ihre Augen glitzerten. »Weiß ich denn, ob es dir angenehm ist?«

Er nahm ihr Gesicht in seine Hände.

»Ob es mir angenehm ist?«, stammelte er. »Mein Gott, Mädchen, seit ich dich kenne, liebe ich dich! Ich liebe dich bis zum Wahnsinn und du fragst, ob es mir angenehm ist!« Er ließ sie unerwartet los, ging ein paar Schritte durch das Zimmer, blieb dann wieder vor ihr stehen.

»Es ist zu schön, um wahr zu sein. Deshalb kann ich es auch nicht zulassen. Du träumst von einer Operation, um mich dann wirklich lieben zu können. Dieses Glück gibt es nicht, Burgl. Komm, vergessen wir es!«

Sie klammerte sich an seinen Arm. »Gunulf, was redest du denn da, nein, nein, so ist es ja nicht! Mir ist es doch ganz egal, wie du aussiehst. Ich kenne dich ja nicht anders! Ich liebe dich, ich liebe das Lächeln deiner Augen, deinen Charme, einfach alles. Äußerlichkeiten sind doch nicht so wichtig. Mir ist es jedenfalls egal, aber für dich, für dich wünsche ich es doch so sehr. Ich möchte dich glücklich sehen, Gunulf, versteh doch endlich!«

Ungläubig starrte er das Mädchen an. Er konnte es noch nicht glauben. Es war wie ein Wunder. Er riss Burgl in seine Arme, sein Atem ging heftig. Da beugte er sich über sie und küsste sie. Eine wilde Leidenschaft hatte ihn erfasst. Burgl taumelte. Sie fühlte die rauen Narben auf ihrem Gesicht, aber dann spürte sie nur noch die unendliche Süße, die von diesem Kuss ausging. Sie klammerte sich an ihn und hatte das Gefühl, mit ihm in einen tiefen Abgrund zu stürzen.

Wie lange standen sie so? Sie konnte es später nicht mehr sagen. Sie hatte einfach aufgehört zu denken.

Behutsam nahm er ihr Gesicht in seine Hände.

»Kleines«, seine Stimme zitterte. »Kleines, dass du mir das gesagt hast, werde ich dir nie vergessen!«

Ihre Augen leuchteten, scheu schob sie ihre Hand in seine. Sie lehnte sich an ihn und er streichelte ihre Schultern. Er war zu bewegt, um jetzt noch etwas sagen zu können.

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