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»Darf ich stören?«

»Kommen Sie, Burgl. Ich gehe noch nicht schlafen, wenn Sie das meinen. Außerdem stören Sie nie. Mal wieder Ärger mit der Schule?«

Sie lachte etwas verkrampft. »Gunulf, Sie sollten mich nicht immer necken. Ich habe ein empfindsames Herz, wirklich, eines Tages haben Sie es auf dem Gewissen, und was dann?«

»Wenn es nur das ist, das nehme ich gern auf mich.«

»Wieso?«, fragte sie verblüfft.

»Nun, meine Liebe, diese Frage möchte ich heule nicht beantworten.«

Gunulf saß in seinem Lieblingssessel. Er schien gelesen zu haben.

»Nun, was gibt es, Burgl? Oder haben Sie es vielleicht schon wieder vergessen?«

»Nein, Gunulf, ich bin eine dumme Gans. Jürgen hat recht.«

»Wer ist Jürgen?« Seltsam, seine Stimme klang plötzlich gepresst. Er beugte sich ein wenig vor, um ihr in die Augen zu schauen. Dann sank er wieder in den Schatten und schwieg lange Zeit. Sein Herz musste sich erst wieder beruhigen. Es war ja sinnlos, sich Gedanken darüber zu machen. Burgl war für ihn unerreichbar, damit musste er sich abfinden.

»Gunulf, Sie dürfen mir nicht böse sein, ich will wirklich nicht neugierig erscheinen, aber ich muss Sie etwas fragen. Gunulf, woher haben Sie die Verletzungen?« Nun war es endlich heraus.

War er nicht zusammengezuckt, oder täuschte sie sich? Versteifte er sich nicht?

»Warum wollen Sie das wissen?«

»Ich möchte Ihnen helfen, mehr nicht!«

Der junge Bauernsohn lachte rau auf. »Ich verstehe Sie, die Barmherzigkeit treibt Sie mal wieder!«

»Ach Gunulf, verstehen Sie doch endlich, ich ...«

Plötzlich stand er auf und wanderte im Zimmer umher. Dann blieb er vor dem Fenster stehen und sah in die finstere Nacht hinaus.

»Warum sollten Sie es nicht erfahren? Nun denn, wenn Sie solches Interesse daran haben! Ich weiß ja, dass Sie nicht aus Neugierde fragen. Aber wissen Sie, Burgl, es ist so blöd’, so verdammt blöd', ausgerechnet mich darüber reden zu lassen. Zum Schluss werden Sie denken, dass ich Ihnen Bewunderung abringen wolle.

Passen Sie auf. Es geschah vor ungefähr fünf Jahren, oder vielleicht sind es jetzt auch schon sechs. Ich weiß es nicht, ich habe aufgehört sie zu zählen. Ich werde jetzt neunundzwanzig, sicher sind es jetzt schon sechs Jahre. Es war in einer Sommernacht, in irgendeinem Sommermonat, ich weiß es nicht mehr und will es auch nicht mehr wissen. Ich war damals auch Student an der Landwirtschaftsschule, und wir hatten am Nachmittag eine Party gefeiert, und es wurde halt sehr spät. Ich kam mit meinem Wagen von Rattenberg. Kleine Häuser lagen verstreut an der Straße. Kein Hund ließ sich mehr blicken, alles war wie ausgestorben. Schließlich war es ja auch schon Mitternacht. Als ich um eine Kurve führ, sah ich einen hellen Feuerschein am Himmel. Ich wunderte mich noch, fuhr dann langsam näher und kam vor lauter Menschen überhaupt nicht vorwärts. Meine Neugierde war nun natürlich ebenfalls erwacht. Ich stellte den Wagen ab und stieg aus.

»Was ist denn los?«, fragte ich den erstbesten Mann vor mir.

»Sehen Sie’s denn nicht? Das Haus brennt! Verdammtes Pech, dass die Feuerwehr noch nicht da ist.«

Das Feuer schlug schon aus einigen Fenstern und die Nachbarn schleppten mit Eimern Wasser aus einem Graben herbei. Es ging ganz schön fix, ich staunte darüber.

»Ist da denn noch jemand drin?«, fragte ich.

»Und ob«, sagte der Mann, »ein Ehepaar, aber da ist bestimmt nichts mehr zu machen, falls sie sich nicht gerettet haben. Wie das nur ausgebrochen ist!«

Ich wollte schon wieder fortgehen, als ich einen Schrei hörte. Es war grauenhaft. Mir blieb fast das Herz stehen, so gellend und schrill übertönte es jedes Geräusch.

»Jesus Maria«, sagte der Mann neben mir, »die Kleine. Mensch, die Kleine ist ja noch drin. Da sehen Sie, da oben an dem Dachfenster steht sie und schreit!«

Sie schrie wie von Sinnen. Es war mehr als gespenstisch mit dem Feuer im Hintergrund. Plötzlich war der Kopf verschwunden und tauchte auch nicht mehr auf. Unten riefen sich die Leute die Kehle wund, dass sie doch springen solle. Aber sie kam nicht mehr zum Vorschein, weil sie ohnmächtig geworden war.

»Will die denn niemand retten?«, schrie ich.

»Das Treppenhaus steht doch schon in Flammen«, sagten sie.

Ich boxte mich vorwärts. Man konnte doch dieses Kind nicht in den Flammen umkommen lassen! Ich schnappte mir ein paar Decken, schüttete Wasser darauf, dann wickelte ich mich darin ein und stürzte in das Haus. Ich tastete mich nach oben. Ich hatte mir genau die Lage des Zimmers gemerkt und kam auch richtig an. Die Kleine lag vor dem Fenster auf dem Boden und rührte sich nicht mehr. Übrigens war sie gar nicht mehr so klein. Ich warf ihr eine Decke über und stürmte mit ihr davon. Es knackte und knisterte gehörig auf den Stufen und der Rauch ließ mich bald nichts mehr sehen.

Verdammt, ich hätte es beinahe geschafft, ich war kurz vor dem Ausgang und sah schon die Leute, die die Arme nach dem Kind ausstreckten. Da kam doch dieser verfluchte brennende Balken auf mich zu! Ich sah ihn zu spät. Ich warf das Kind ins Freie und wollte nachspringen, als ich einen brennenden Schmerz im Gesicht spürte. Ich sah und hörte nichts mehr, es war schrecklich. Hände rissen mich aus dem Haus, dann brach auch schon das Treppenhaus zusammen.

Die Feuerwehr traf unmittelbar danach ein, und mich verfrachteten sie in einen Krankenwagen. Neben mir lag die Kleine und stöhnte. Dann erinnere ich mich erst wieder an das Krankenzimmer.«

Gunulf sprach die ganze Zeit mit geschlossenen Augen. Je mehr Burgl von dem Geschehen erfuhr, das auch ihr Leben verändert hatte, fühlte sie, wie ihr Herz erstarrte. Nein, schrie es in ihr, das durfte doch nicht sein! Das durfte nicht wahr sein! Als Gunulf die Augen öffnete, sah er nur noch, wie das Mädchen fluchtartig das Zimmer verließ. Die Tür fiel ins Schloss und dann herrschte beängstigende Stille.

Er glaubte, es wäre zu viel für Burgl gewesen. Auch er war aufgewühlt, weil alles wieder vor seinen Augen auflebte. Ganz deutlich sah er den Feuerschein, roch sogar den widerlichen Rauch und glaubte, die Hitze in seinem Gesicht zu spüren.

Sieben Romane: Heimatroman Extra Großband Juli 2021

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