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Burgl hielt das Halsband des Hundes, aber Sascha war so stürmisch, dass er sie einfach mit fortriss. Die Tür sprang auf, und sie purzelten beide übereinander in das Zimmer. Sie rieb sich schimpfend die Beine und wurde rot.

»Du bist ein unmöglicher Kerl, Sascha, das lass dir gesagt sein. Ich hoffe nur, dass du dich schämst!«

Aber der Hund dachte gar nicht daran. Er war zuerst bei Gunulf und sah ihn aus freudigen Augen an. Gunulf war aufgestanden und lachte.

»Ist das eine neue Art, ein Zimmer zu betreten?«

»Nein, aber Sascha drängelte sich zwischen meine Beine und hat mich obendrein auch noch geschubst! Er hat schreckliche Manieren und Sie auch. Sie sollten nicht so lachen!«

Sein Gesicht ließ seine Fröhlichkeit nicht erkennen, es ließ sich im Ausdruck kaum verändern. Aber sie sah es an seinen Augen, dass er sich köstlich amüsierte.

Gunulf kannte sich selbst nicht mehr wieder. Seit er wusste, dass er noch gebraucht wurde, dass er Burgl eine große Hilfe sein konnte, begann er in seinem Leben wieder einen Sinn zu sehen. Es kam häufig vor, dass sie abends zusammensaßen und arbeiteten. Er interessierte sich wirklich für ihre Probleme und frischte dabei auch seine eigenen Kenntnisse wieder auf. Für Burgl war es eine große Hilfe. Sie waren gute Freunde geworden. Aber noch immer konnte sie ihn nicht dazu bewegen, bei Tag den Oberstock zu verlassen. Eleonore trug ihm weiterhin sein Essen hinaus, er blieb für die andern ferner unsichtbar.

Burgl hatte geglaubt, eine Bresche in seine Abwehr geschlagen zu haben. Aber er war zu menschenscheu geworden und leicht verwundbar. Außerdem wollte er seiner Mutter den Anblick ersparen. Sie hatte den Schock immer noch nicht überwunden, dass aus ihrem strahlenden Sohn ein Mensch geworden war, der sich vor allen Leuten versteckt halten musste. Burgl kannte ihn nicht anders, sie sah zwar auf dem Bild, dass er wirklich ein schöner junger Mann gewesen sein musste, der sicher manches Mädchenherz im Tal hatte unruhig werden lassen.

Draußen schneite es wieder. Burgl wollte aber trotzdem mit Sascha einen Ausflug in den Hochwald machen. Sie zog sich eine lange Hose und einen roten Anorak an. Als sie die Pudelmütze über die Ohren zog und nach Saschas Leine griff, kam ihr eine Idee.

Gunulf sollte sie begleiten. Sie wollte ihn endlich herauslocken.

»Wollen Sie nach Wörgl?«, Es klang traurig.

Sie sah ihn an, aber Gunulf wandte sich jedes mal ab, wenn sie sein Zimmer betrat. Mit den Händen kraulte er Saschas Kopf. Die Hundeseele hing mit abgöttischer Liebe an ihm.

Beide sahen auf den Hund nieder.

»Ich habe ihn damals bekommen, als er noch ein ganz kleines Hundebaby war. Wir liebten uns auf der Stelle. Er ist mein bester Freund, er hat mich nicht verlassen. Auch jetzt noch nicht.«

Sie schluckte.

»Ich möchte mit Sascha in den Wald.«

»So, da freut er sich sicher. Ich habe sehr wohl gesehen, dass Sie ihn mögen. Sascha mag Sie offensichtlich auch gern.«

»Ja, ich weiß, früher als kleines Mädchen hatte ich auch immer Hunde. Aber später ...«, sie brach ab und sah zur Seite. Dann sagte Sie schnell: »Ich wollte Sie bitten, uns zu begleiten. Ich glaube, Sascha würde sich sehr freuen!«

Jetzt hatte sie es gesagt. Sein Rücken versteifte sich und er drehte sich herum. »Nein«, sagte er hart.

»Aber warum denn nicht? Es ist so schön draußen.«

»Sie wissen ganz gut, dass ich dieses Zimmer nicht verlasse.«

»So, und bevor es schneite, war es da vielleicht Ihr Geist, der im Garten wanderte?«

»Woher wissen Sie?«, stammelte er.

»Ich habe Sie oft nachts gesehen. Also kommen Sie!«

»Nein, Burgl, ich will in Ruhe gelassen werden.«

»Ja, ja, ich weiß, Sie wollen sich verkriechen! Sie wollen, dass man Sie nicht bemitleidet, aber Sie beschwören es ständig herauf, dieses Mitleid. Sie wollen, dass man ständig mit schlechtem Gewissen an Sie denkt. Aber haben Sie denn gar kein Herz? Denken Sie doch mal an Ihre Mutter! Merken Sie eigentlich gar nicht, wie sehr sie darunter leidet? Sie sollten sich schämen, wirklich. Was ist denn schon dabei, wenn Sie mit mir in den Wald gehen? Um diese Zeit sind keine Urlauber mehr da und die Einheimischen haben anderes zu tun, als herumzuwandern.«

In Gunulf stieg der Zorn hoch. »Sie können wohl nicht anders, als andere Menschen zu verletzen, was?«

Ihre Stimme war von Tränen erstickt. »Ich kann ganz anders sein, aber Sie wollen es ja nicht. Warum quälen Sie Ihre Mutter so? Aber Sie verstehen ja nichts, gar nichts, auch nicht, dass Ihre Mutter bald daran zerbricht. Mein Gott ich vergeude ja nur meine Worte, komm Sascha, vergnügen wir uns allein. Es ist wirklich dumm von uns gewesen, heraufzukommen. «

»Sascha, bleib bei mir!«

Der Hund stand zwischen den beiden Menschen. Seine Liebe galt beiden.

»Wir gehen in den Wald.«

»Sascha«, die Stimme des Mannes klang herzzerreißend. Der Hund drehte den Kopf und ging mit Burgl.

Nun hatte sie ihm auch noch seinen besten Freund genommen. Die Tür schlug zu, und er war wieder allein. Wie ein gefangener Tiger lief er auf und ab und dachte an die Vorwürfe, die sie ihm gemacht hatte. Stimmte es denn nicht tatsächlich? All die Zeit hatte er nur an sich gedacht, nie, wie die Eltern darunter litten. Was hatte das Mädchen gesagt? »Ich habe gar nicht gewusst, dass Männer so feige sein können!« Er und feige! Gunulf ballte die Hände, er hätte sie verprügeln können.

Er sah die beiden im Garten. »Verdammtes Biest, freche kleine Schlange«, schimpfte er vor sich hin. Und Sascha, dieser trottelige Hund, war ihr auch schon hörig geworden. Er bebte vor Zorn. Was hielt ihn eigentlich davon zurück, ihr seine Meinung zu sagen? Wütend riss er die Schranktür auf und suchte seinen Wintermantel hervor, Mütze, Handschuhe. »Freches Biest, dir werd’ ich es zeigen!«, murmelte er beim Anziehen.

Polternd rannte er die Treppe hinunter. Eleonore stand am Fenster und sah ihren Sohn, wie er aus dem Haus stürzte. Mit langen Schritten, weder links noch rechts sehend, lief er direkt auf das Mädchen und Sascha zu. Burgl sah ihn kommen, hob die Hand und lachte. Ehe sich Gunulf versah, flogen ihm die Schneebälle um die Ohren. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich zu wehren. Die Bälle flogen nur so, und sie zielte gut. Ein ganzer Berg lag an ihrer Seite. Sie hatte also mit ihm gerechnet, oder alle Schneebälle für Sascha gemacht.

Plötzlich lachte er hell auf. Alle Wut war fort, denn jetzt hatte er keine Zeit. Er zog die Handschuhe aus und begann nun seinerseits mit dem Angriff. Er verfehlte nie sein Ziel, und Burgl kam gar nicht mehr dazu, sich zu wehren, sie musste sehen, dass sie fortkam. Er stellte ihr nach und Sascha geriet ganz aus dem Häuschen. Gunulf vergaß für einige Zeit sein Aussehen. Er war nur noch ein junger Mann, der einem Mädchen nacheilte und ihm immer näher kam. Sie hatte hinter einer Tanne Deckung gesucht und begann wieder zu werfen. Nun ging es erst recht los. Burgl nahm nun Reißaus, so schnell sie konnte. Er jagte ihr nach, sie sollte gehörig gewaschen werden. Strafe musste sein, so oder so!

Und dann erwischte er sie kurz vor dem Hochwald. Bevor sie es sich versah, wurde sie durch die Luft gewirbelt und in eine Schneewehe geworfen. Sie schrie wie am Spieß. Aber er ließ nicht los. Sascha glaubte, Burgl zu Hilfe eilen zu müssen. Er zerrte an seinem Hosenbein. Gunulf sprang auf und schimpfte den Hund aus. Burgl erhob sich und schüttelte den Schnee aus dem Haar.

»Strafe muss sein.«

»Wofür denn?«, fragte sie scheinheilig.

»Sie haben mich mit Geschossen überfallen!«

»Bereuen Sie noch immer, dass Sie nach draußen gekommen sind?«

Er sah sie einen Augenblick an. »Sie wollen wohl auch noch ein Danke hören?«

»Selbstverständlich!«

Er nahm ihre Hand und hielt sie fest. Sie sah ihn aufmerksam an. Wenn man direkt in seine Augen blickte, konnte man das übrige Gesicht vergessen.

»Ich glaube, Sie haben mich mit Absicht gereizt!«

»Nun ja, wenn ich ehrlich sein soll!«

Er hielt immer noch die Hand des Mädchens fest. Es war ein seltsames Gefühl, so weich und zart. All das hatte er in den Jahren vergessen. Vielleicht war es auch der Abscheu in den Augen seiner Braut, der ihn so hatte werden lassen.

Langsam ließ er ihre Hand los. Als sie später ins Haus gingen, lief Gunulf die Treppe hinauf und verkroch sich wieder in seinem Zimmer.

Die Bäuerin trat in die Diele. »Burgl, das vergesse ich dir nie und nimmer.«

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